Südpolarmeer wird salziger – und das Eis schwindet so schnell wie nie

Seit 2015 steigt der Salzgehalt im Südpolarmeer – gleichzeitig brechen die Eisflächen ein. Satelliten sehen eine alarmierende Entwicklung.

Südpolarmeer wird salziger – Eis schmilzt in Rekordtempo

Der Südliche Ozean verändert sich spürbar: mehr Salz, höhere Temperaturen und deutlich weniger Meereis seit 2015. © Wikimedia

Etwas verändert sich grundlegend am anderen Ende der Welt. Das Südpolarmeer, lange als stabiler Kälteregulator des Planeten betrachtet, zeigt seit wenigen Jahren ein völlig neues Verhalten: Das Wasser des Südlichen Ozeans wird messbar salziger – und mit dem Salz verschwindet das Meereis in dramatischem Tempo. Für das globale Klima könnte das ernste Folgen haben.

Noch bis vor wenigen Jahren war die Entwicklung eindeutig: Immer mehr Schmelzwasser und Regen machten das Wasser an der Oberfläche des Südpolarmeers leichter, also süßer. Diese Schichtung sorgte dafür, dass die Kälte oben blieb und das Eis wachsen konnte. Doch seit 2015 läuft dieser Prozess plötzlich rückwärts – mit überraschender Geschwindigkeit.

Seit 2015: Südpolarmeer wird salziger – und verliert Eis

Ein internationales Forschungsteam hat jetzt mithilfe neuer Satellitendaten nachgewiesen, dass der Salzgehalt an der Meeresoberfläche im gesamten Südpolarmeer seit rund zehn Jahren wieder deutlich steigt – entgegen früherer Prognosen. Zeitgleich schmilzt das Meereis rund um die Antarktis so schnell wie nie zuvor, heißt es in ihrer Studie.

„Mithilfe von Satelliten zeigen wir einen deutlichen Anstieg des Oberflächensalzgehalts seit 2015“, schreiben die Forscher. Und dieser Anstieg ist kein Detail, sondern der Beginn einer gefährlichen Entwicklung. Denn salzigeres Wasser verändert die Schichtung im Ozean – und lässt Wärme aus der Tiefe nach oben steigen. Das Eis schmilzt dann von unten.

Die wichtigsten Punkte der Studie im Überblick:

  • Die größten Veränderungen beim Salzgehalt treten in den oberen 100 bis 200 Metern des Meerwassers auf.
  • In manchen Regionen ist der Salzgehalt deutlich höher als normal – teils um mehr als 0,2 Einheiten auf der gängigen Salinitätskala.
  • Messwerte zeigen: Je salziger das Oberflächenwasser, desto weniger Meereis gibt es – der Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt.
  • Seit 2015 ist so viel antarktisches Meereis verschwunden wie die gesamte Fläche von Grönland.

„Es ist eine gefährliche Rückkopplungsschleife: Weniger Eis führt zu mehr Hitze, was wiederum zu noch weniger Eis führt.“, warnt Studienleiter Dr. Alessandro Silvano von der University of Southampton.

Warnzeichen: Riesenloch im Eis kehrt zurück

Besonders auffällig: In den Jahren 2016 und 2017 öffnete sich plötzlich wieder eine sogenannte Polynya – ein riesiges Loch mitten im Meereis, fast so groß wie ganz Baden-Württemberg. Zuletzt war so etwas in den 1970er-Jahren beobachtet worden.

Solche offenen Stellen sind mehr als nur ein Kuriosum. Sie zeigen, wie instabil das Eis geworden ist – und wie tiefgreifend sich das Gleichgewicht zwischen Ozean und Atmosphäre verändert. „Die schnellen Veränderungen der letzten Dekade widersprechen den vorherrschenden Erwartungen und sind einzigartig in der bisherigen Satellitenbeobachtung“, schreiben die Forscher.

Das ist über das riesige Loch im Eis bekannt:

  • Ort: Maud Rise im Weddellmeer
  • Größe: 33.000 km²
  • Folge: geringere Rückstrahlung von Sonnenlicht, mehr Erwärmung

Satelliten zeigen: Das Klima kippt live

Erstmals kann die Forschung diese Veränderungen fast in Echtzeit beobachten. Möglich machen das europäische Satelliten mit 25 Kilometern Auflösung und ein dichtes Netz autonomer Messbojen. Sie tauchen bis in 200 Meter Tiefe und liefern hochpräzise Daten zum Salzgehalt, zur Temperatur und zur Schichtung des Wassers.

„Entscheidend ist, dass wir zeigen, dass diese Salinitätsveränderungen nun per Satellit in Echtzeit überwacht werden können – ein wichtiger Beweis für einen möglichen Übergang des Südozeans zu dauerhaft geringerer Meereisbedeckung“, so das Forschungsteam.

Für Klimamodelle ist das eine Herausforderung. Viele gingen bislang davon aus, dass das Südpolarmeer durch die Klimaerwärmung noch „süßer“ werden würde – also mehr Oberflächenwasser durch Schmelze und Regen aufnehmen würde. Doch diese Erwartung hat sich nicht erfüllt.

Klimamodelle geraten ins Wanken

„Die neuen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass unser aktuelles Verständnis möglicherweise nicht ausreicht, um zukünftige Veränderungen zuverlässig vorherzusagen“, erklärt Co-Autor Prof. Alberto Naveira Garabato.

Auch der Zeitpunkt überrascht die Fachwelt. Aditya Narayanan, Mitautor der Studie, sagt: „Während Wissenschaftler erwarteten, dass der menschgemachte Klimawandel langfristig zu weniger Meereis führen würde, blieb unklar, wann das passiert – und in welchem Ausmaß.“

Dass dieser Kipppunkt nun offenbar bereits erreicht ist, hat weitreichende Konsequenzen. Wenn sich das Meereis in der Antarktis weiter zurückzieht, könnte das dazu führen, dass Kohlendioxid freigesetzt wird, das bisher im Südlichen Ozean gespeichert war. Dadurch würde der CO2-Gehalt in der Atmosphäre steigen – so wie es auch in früheren Warmzeiten der Erdgeschichte passiert ist. Wie dieser Prozess genau funktioniert, ist bisher noch nicht vollständig geklärt und muss daher dringend genauer untersucht werden. Sicher ist aber: Die Antarktis wirkt wie ein Spiegel für globale Klimaverschiebungen. Ein instabiles Südpolarmeer bedeutet nicht nur schmelzendes Eis, sondern auch:

  • Mehr Energie in der Atmosphäre
  • Häufigere Wetterextreme
  • Verlust von Lebensräumen für Pinguine, Krill und andere Eisbewohner

Was sich gerade in den eiskalten Zonen am unteren Ende der Welt verändert, wirkt längst bis in die gemäßigten Breiten hinein. Und lässt erahnen, wie sensibel das Gleichgewicht des Klimas ist – und wie schnell es ins Wanken geraten kann.

Kurz zusammengefasst:

  • Seit 2015 wird das Südpolarmeer spürbar salziger – und bricht damit mit dem jahrzehntelangen Trend der „Verdünnung“ durch Schmelzwasser.
  • Gleichzeitig geht die Meereisbedeckung stark zurück, was mit einer instabileren Wasserschichtung und verstärktem Aufstieg von Tiefenwärme zusammenhängt.
  • Neue Satellitendaten und Messbojen belegen: Der Zusammenhang zwischen Salzgehalt und Eisverlust ist stark und könnte globale Klimaeffekte verstärken.

Übrigens: Während das Südpolarmeer salziger wird und das Eis verschwindet, zeigt Künstliche Intelligenz erstmals im Detail, wie sich das antarktische Schelfeis bewegt – und warum viele Klimamodelle die wahren Risiken bislang unterschätzt haben. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Jason Auch via Wikimedia unter CC BY 2.0

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert