So wirkt Musik auf das Gedächtnis – Je nach Gefühl bleiben andere Erinnerungen
Musik beeinflusst das Gedächtnis – aber nicht bei allen gleich. Neue Forschung zeigt, warum ein Lied völlig unterschiedliche Erinnerungen wecken kann.

Musik beeinflusst das Erinnerungsvermögen, wobei emotionale Reaktionen bestimmen, ob Menschen sich eher an Details oder an das Wesentliche erinnern. © Pexels
Ein Lied aus der Jugend. Eine Melodie, die an ein besonderes Ereignis erinnert. Viele Menschen kennen diesen Moment: Musik weckt Erinnerungen, die längst vergessen schienen. Bei Demenz oder Alzheimer wird Musik deshalb gezielt in der Therapie eingesetzt. Doch wirkt Musik wirklich bei allen gleich – oder reagiert jeder Mensch anders? Diese Frage haben zwei Wissenschaftlerinnen aus den USA in einer Studie untersucht. Kayla Clark von der Rice University und Stephanie Leal von der University of California wollten wissen, warum Musik bei manchen Menschen das Gedächtnis stärker aktiviert als bei anderen.
Emotionen wirken stärker als Melodien
Musik wirkt nicht einfach nur als Hintergrundklang – sie kann gezielt Gefühle wecken und dabei im Gehirn wichtige Prozesse in Gang setzen. Wenn Musik nach einem Erlebnis gehört wird, setzt sie Stresshormone frei, die entscheidend dafür sind, wie Erinnerungen gespeichert werden.
Für die Studie wurden Teilnehmer nach ihren Gefühlen beim Hören verschiedener Musikstücke befragt. Die Lieder selbst waren unterschiedlich – manche klangen traurig, andere fröhlich, manche vertraut, andere fremd. Dabei zeigte sich: Je nachdem, wie stark sich die emotionale Erregung durch Musik verändert, bleiben entweder eher der Gesamteindruck oder eher die Details eines Erlebnisses im Gedächtnis. Starke emotionale Ausschläge durch Musik führten dazu, dass Menschen sich besser an das Wesentliche erinnerten, aber weniger an Einzelheiten. Bei moderaten Gefühlen war es umgekehrt – viele kleine Details blieben besser haften, während das große Ganze schwächer abgespeichert wurde.
Je emotionaler die Teilnehmer durch die Musik wurden, desto besser erinnerten sie sich an den Kern eines früheren Ereignisses. Menschen mit gemäßigteren emotionalen Reaktionen auf Musik erinnerten sich jedoch an mehr Details früherer Ereignisse.
Kayla Clark
Besonders interessant: Die Reaktion auf Musik verlief bei Männern und Frauen unterschiedlich – und Musik zeigte einzigartige Wirkungen auf die Erinnerung an persönliche Erfahrungen. Musik wirkt demnach nicht bei jedem gleich und lässt sich nicht pauschal einsetzen. Für Menschen mit Gedächtnisproblemen oder Depressionen könnten individuelle Musikinterventionen deshalb ein hilfreicher Ansatz sein, um gezielt bestimmte Erinnerungsprozesse zu fördern.
Therapien müssen persönlicher werden
Diese Erkenntnisse sind besonders für Angehörige und Pflegekräfte wichtig. Denn viele setzen auf Musik, um Menschen mit Demenz oder Gedächtnisschwäche zu helfen. Doch nicht jedes Lied funktioniert bei jeder Person. Es reicht nicht, einfach klassische Musik oder alte Schlager abzuspielen. Stattdessen kommt es darauf an, wie stark ein Musikstück die jeweilige Person emotional anspricht.
Für die Praxis bedeutet das: Musik kann eine echte Hilfe für das Gedächtnis sein – aber nur, wenn sie individuell abgestimmt ist. Die Forscherinnen empfehlen, gezielt herauszufinden, welche Lieder bei einer Person starke Gefühle auslösen. Das kann über Gespräche mit Angehörigen, alte Lieblingsalben oder Musik aus der Kindheit funktionieren. Nur dann kann Musik ihre volle Wirkung auf das Gedächtnis entfalten.
Kurz zusammengefasst:
- Musik beeinflusst das Gedächtnis je nach emotionaler Reaktion: Starke Gefühle fördern das Erinnern an das Wesentliche, moderate Gefühle an Details.
- Entscheidend ist nicht die Art der Musik, sondern wie intensiv sie berührt – das macht sie zu einem individuell wirksamen Mittel in der Gedächtnistherapie.
- Für den Einsatz bei Demenz oder Alzheimer sollte Musik gezielt auf persönliche Vorlieben und emotionale Resonanz abgestimmt werden.
Übrigens: Ob Musik Gänsehaut auslöst oder jemanden völlig kaltlässt, hängt oft vom Erbgut ab. Eine Studie mit über 9.000 Menschen zeigt, wie stark Gene bestimmen, wer sich von Musik emotional berühren lässt – mehr dazu in unserem Artikel.
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