Bis 2100 könnte der Rhein um 4,2 Grad wärmer werden – die Folgen wären verheerend
Der Rhein wird wärmer: Eine neue Analyse zeigt, wie der Klimawandel die Wassertemperaturen steigen lässt – mit Folgen für Natur und Versorgung.

Sinkende Pegelstände und häufigere Hitzetage im Rhein setzen Fischen, Frachtschiffen und der Trinkwasserversorgung zunehmend zu. © Marc Daniel Heintz/IKSR
Der Klimawandel macht dem Rhein zu schaffen – nicht irgendwann, sondern jetzt. Seit Jahrzehnten steigen die Wassertemperaturen messbar an. Besonders im Süden, rund um Basel, hat sich das Wasser laut Langzeitdaten um etwa 0,4 Grad Celsius pro Jahrzehnt erwärmt. Dieser Trend wird sich fortsetzen, warnt eine aktuelle Analyse der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) und des niederländischen Instituts Deltares. Grundlage sind Modellrechnungen im Rahmen der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR).
Die Ergebnisse sind eindeutig: Bis zum Jahr 2100 könnte sich das Rheinwasser – je nach Szenario – um bis zu 4,2 Grad gegenüber dem Referenzzeitraum 1990–2010 erwärmen.
Solche Bedingungen sind ein Vorgeschmack auf das, was wir in Frühling und Sommer zukünftig häufiger für den Rhein erwarten dürfen.
IKSR-Präsidentin Dr. Miriam Haritz
Klimawandel am Rhein: Mehr heiße Tage, weniger kühles Wasser
Die Studien zeigen, wie stark sich die Temperaturverhältnisse im Rhein verändern könnten. Besonders auffällig ist die Verschiebung hin zu deutlich mehr warmen Tagen:
- Tage mit über 25 °C Wassertemperatur: von derzeit vereinzelt bis zu 50 Tage pro Jahr möglich
- Tage mit unter 10 °C Wassertemperatur: von etwa 170 auf rund 100 Tage sinkend
- Tage über 21,5 °C: laut Modell bis zu 106 Tage im Jahr, also fast ein Drittel des Jahres
Solche Temperaturen verändern das gesamte Ökosystem des Flusses – nicht kurzfristig, sondern dauerhaft. Der Sauerstoffgehalt im Wasser sinkt mit zunehmender Hitze, was viele Fischarten stresst und anfälliger für Krankheiten macht. Besonders betroffen ist die Äsche, eine Kaltwasserart. Sie könnte in weiten Teilen des Rheins verschwinden. Gleichzeitig profitieren wärmeliebende Arten wie der Wels. Diese Verschiebung bringt das ökologische Gleichgewicht ins Wanken.
Werden kritische Temperaturschwellen über längere Zeiträume überschritten, kann es zu ökologischen Schäden kommen.
Tanja Bergfeld-Wiedemann von der Bundesanstalt für Gewässerkunde
Zudem begünstigt die Erwärmung im Winter invasive Arten, die bisher nicht heimisch waren. Auch ihre Ausbreitung wird langfristig das Artengefüge im Fluss verändern.
Wirtschaftliche Folgen: Von der Stromversorgung bis zur Ernte
Die steigenden Temperaturen sind kein abstraktes Umweltproblem, sondern betreffen zentrale Versorgungsbereiche:
- Industrieanlagen, die Rheinwasser zur Kühlung nutzen, müssen bei zu hohen Temperaturen den Betrieb einschränken oder ganz einstellen
- Landwirte, die das Wasser zur Bewässerung nutzen, verlieren bei Nutzungseinschränkungen eine wichtige Ressource
- Schifffahrt leidet doppelt: durch höhere Temperaturen und gleichzeitig fallende Wasserstände
Sinkt der Pegel wie im Frühjahr 2025 auf ungewöhnlich niedrige Werte, verschärft sich die Lage. Weniger Wasser heizt sich schneller auf. Frachtschiffe können nicht mehr voll beladen werden, Transporte werden teurer und langsamer. Die Folge: Engpässe in der Logistik, höhere Preise, wirtschaftliche Unsicherheiten.
Ein Fluss, der Millionen versorgt – und nur gemeinsam geschützt werden kann
Viele denken bei Flusserwärmung an ein lokales Naturthema. Doch der Rhein ist weit mehr als ein Gewässer:
- Er versorgt rund 30 Millionen Menschen mit Trinkwasser – zum Großteil über Uferfiltration und Wasserwerke entlang des Flusses.
- Er ist ein zentraler Verkehrsweg für Rohstoffe und Güter.
- Er beeinflusst Strompreise, Lebensmittelkosten und industrielle Prozesse.
Der Rhein ist eine zentrale Lebensader – für Haushalte, Industrie, Landwirtschaft und Energieversorgung. Wenn Qualität und Verfügbarkeit des Wassers sinken, gefährdet das die Versorgungssicherheit in großen Teilen Europas.
Die Flusserwärmung ist deshalb mehr als ein ökologisches Risiko – sie trifft den Alltag von Millionen. Lokale Maßnahmen helfen nur bedingt. Für den Rhein selbst braucht es internationale Planung. Die IKSR entwickelt dafür ein grenzüberschreitendes Anpassungskonzept – basierend auf belastbaren Daten und gemeinsamen Strategien. Damit Vater Rhein auch in Zukunft noch gut für uns sorgen kann.
Kurz zusammengefasst:
- Durch den Klimawandel erwärmt sich der Rhein seit Jahrzehnten messbar; bis 2100 könnte die Wassertemperatur um bis zu 4,2 Grad steigen – mit spürbaren Auswirkungen auf Ökosysteme, Wirtschaft und Versorgung.
- Steigende Temperaturen führen zu Sauerstoffmangel im Wasser, bedrohen empfindliche Fischarten und erschweren die Nutzung des Rheins für Industrie und Landwirtschaft.
- Niedrigwasser und Hitzetage verstärken sich gegenseitig, beeinträchtigen Schifffahrt und Energieversorgung – darum sind grenzüberschreitende Schutzmaßnahmen und kluge Wasserplanung dringend notwendig.
Übrigens: Der Klimawandel lässt nicht nur Flüsse aufheizen – er greift auch direkt unsere Gesundheit an. Von tödlicher Hitze bis hin zu neuen Infektionskrankheiten verändern sich Krankheitserreger, Ernährungslage und medizinische Versorgung weltweit. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Marc Daniel Heintz/IKSR