Prospekte, Pakete, Klopapier – Unser Papierhunger zerstört Wälder, Arten und Existenzen

Deutschlands Papierverbrauch ist mit dafür verantwortlich, dass Wälder schrumpfen, Arten sterben und Existenzen zerstört werden. Expertinnen und Experten warnen: Raubbau hat fatale Folgen.

Der Papierverbrauch der Industrieländer verursacht Waldzerstörung und soziale Ungerechtigkeit. Recyclingpapier, digitale Alternativen und Mehrwegprodukte helfen, Ressourcen zu schonen. © Vecteezy

Der Papierverbrauch der Industrieländer verursacht Waldzerstörung und soziale Ungerechtigkeit. Recyclingpapier, digitale Alternativen und Mehrwegprodukte helfen, Ressourcen zu schonen. © Vecteezy

Rund 40 Prozent des weltweit industriell geernteten Holzes werden zu Papier verarbeitet. Und während in vielen Teilen der Erde Menschen keinen Zugang zu Papierprodukten für grundlegende Bedürfnisse an Hygiene, Bildung und Kommunikation haben, liegt der Verbrauch in Deutschland auf sehr hohem Niveau, mit rund 17,5 Millionen Tonnen im Jahr 2022 auf Platz vier nach China, den USA und Japan.

Die Umweltorganisation Robin Wood hat berechnet, dass nur etwa 17 Prozent des für die deutsche Papierproduktion benötigten Holzes aus heimischen Wäldern stammen. Über 80 Prozent kommen aus verschiedenen Regionen der Welt – mit teils gravierenden Konsequenzen für Umwelt, Natur und die dort lebenden Menschen.

Skandinaviens Wälder unter Druck

Ein erheblicher Anteil des in Form von Papier und Zellstoff importierten Holzes stammt aus Skandinavien, insbesondere aus Schweden und Finnland. Dort führt die industrielle Forstwirtschaft zu großflächigen Abholzungen. In Schweden gelten nur zehn Prozent der wirtschaftlich nutzbaren Wälder als halbwegs naturnah. Der intensive Einschlag schwächt ihre ökologische Funktion massiv und reduziert ihre Fähigkeit, CO2 zu speichern, so dass Finnland inzwischen sogar zum Nettoemittenten geworden ist.

Holz wird oft als nachwachsender Rohstoff und damit als „CO2-neutral“ beworben, doch eine Fichte zum Beispiel, als häufig zur Papierproduktion genutzter Baum, benötigt rund 70 Jahre, um nachzuwachsen. Klimaschutz und der Erhalt der Artenvielfalt sind jedoch sofort nötig.

Entsprechend raten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu, so viel Biomasse wie möglich im Wald zu belassen. Diese speichert nicht nur CO2, sondern spendet Schatten, Kühlung und Feuchtigkeit, schützt vor Hitze und Trockenheit und sorgt für ein ausgeglichenes Waldinnenklima. Zudem ist sie Basis für Biodiversität. In Skandinavien sind etwa 50 Prozent aller bedrohten Tier- und Pflanzenarten auf intakte Waldökosysteme angewiesen.

Die Folgen der Papierindustrie in Südamerika

Auch aus Südamerika importiert Deutschland große Mengen Holz in Form von Zellstoff für unseren Papierverbrauch. Besonders in Brasilien, Chile und Uruguay breiten sich riesige Monokulturen mit schnell wachsendem Eukalyptus weiter aus – oft auf Flächen, die zuvor von Bauernfamilien genutzt wurden. Diese besitzen jedoch meist keine offiziellen Urkunden für ihr Land und werden vielfach unter schweren Menschenrechtsverletzungen vertrieben. Sie verlieren ihre Lebensgrundlage und enden oft mittellos in den Slums der Städte.

Eukalyptus braucht extrem viel Wasser, damit die Bäume bereits nach fünf bis sieben Jahren geerntet werden können. Gerade in den ohnehin trockenen Regionen führt dies zum Absinken des Grundwasserspiegels, Quellen versiegen und landwirtschaftliche Flächen werden unbrauchbar. Einheimische sprechen deshalb von „grünen Wüsten“.

Auch der massive Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln gefährdet Mensch und Natur. Giftige Chemikalien gelangen in Böden und Flüsse, zerstören Fischbestände und lassen Obstbäume absterben. Von all dem sind besonders indigene und lokale Gemeinschaften betroffen, die ohnehin am stärksten unter den Folgen der Klimakrise zu leiden haben.

Brandgefahr und schlechte Arbeitsbedingungen

Eukalyptus-Monokulturen erhöhen das Risiko von Bränden. In den vergangenen Jahren gab es verheerende Feuer in Chile und Portugal – letzteres ein bedeutender Lieferant von Büropapier für den deutschen Markt. 2017 starben dort über 60 Menschen, weil die Flammen sich vor allem in den trockenen Baumplantagen unkontrolliert ausbreiteten, zumal Eukalyptus ätherische Öle enthält, die leicht entflammbar sind. „Brandgefährlich: Unsere Papierverschwendung“, titelte eine ARD-Dokumentation und wies auf die Zusammenhänge zwischen der deutschen Papiernachfrage und Umweltkatastrophen hin.

Auch die Arbeitsbedingungen auf industriellen Baumplantagen im globalen Süden sind höchst problematisch. Arbeiterinnen und Arbeiter schuften bis zu 60 Stunden pro Woche unter hohem Stress und Übermüdung. Es fehlt an ausreichender Schutzkleidung und Schulungen im Umgang mit Motorsägen und Pestiziden. Verletzungen und Krankheiten sind häufig, Unfälle oft ernst, teils tödlich.

Papiermüll vermeiden – ein Hebel für den Umweltschutz

Angesichts dieser gravierenden Folgen gewinnt der bewusste Umgang mit Papier an Bedeutung. Ein großer Teil des Verbrauchs ließe sich einsparen, indem kurzlebige Verpackungen durch Mehrwegprodukte ersetzt werden.

Einkaufsbeutel und -taschen, Lunch-Boxen und Mehrwegbecher sind einfache Alternativen, die den Papierkonsum erheblich senken. Unternehmen wie memo setzen zudem auf zukunftsweisende Versandlösungen. Ihre Recyclingkunststoff-Box kann über 250 Mal wiederverwendet werden und ist mit dem Umweltzeichen Blauer Engel zertifiziert.

Digital statt gedruckt

Werbepost ist einer der größten Papierfresser. Ein Eintrag in die „Robinsonliste“ kann helfen, unerwünschte Sendungen zu stoppen. Auch das Anbringen eines „Bitte keine Postwurfsendungen“-Aufklebers am Briefkasten, ggf. mit Zusatz „und keine kostenlosen Zeitungen“ verhindert überflüssige Papierflut.

Beim Drucken spart die Duplex-Einstellung Papier, indem beide Seiten genutzt werden. Fehldrucke können für Notizzettel wiederverwendet werden. Dank PDF-Dokumenten, QR-Codes und digitalen Tickets werden viele Ausdrucke überflüssig.

Auch bei digitalen Geräten empfiehlt das Umweltbundesamt nachhaltige Strategien: Langlebige, reparaturfreundliche Produkte bevorzugen, denn die größten Belastungen entstehen bei der Herstellung der Geräte, nicht im Betrieb. Secondhand- oder B-Ware wählen bzw. Neuware nach öko-fairen Kriterien aussuchen, unnötige Daten löschen und auf Ökostrom setzen.

Recyclingpapier als beste Wahl

Papier vollständig zu ersetzen ist nicht möglich. Doch Recyclingpapier bietet eine hervorragende Alternative, ob in Haushalt, Schule, Büro, für Kopien, Druck, Hygieneprodukte u. v. m. Laut Umweltbundesamt spart es im Schnitt fast 70 Prozent Energie, 80 Prozent Wasser und reduziert die Abwasserbelastung um knapp 90 Prozent im Vergleich zu Frischfaserpapier.

Der Blaue Engel ist auch hier das stärkste Umweltzeichen. Das Siegel garantiert den Einsatz von 100 Prozent Altpapier, verbietet schädliche Chemikalien und sichert eine hohe Qualität und Funktionalität.

Viele andere Labels wie FSC Mix oder PEFC, EU sowie Nordic Ecolabel stehen hingegen für Frischfaserprodukte. Dabei können Papierfasern bis zu 25 Mal wiederverwendet werden.

Deutschlands Ressourcenverbrauch auf Kosten der Natur

Würden alle so leben wie wir, würden im Weltmaßstab drei Erden benötigt. Die steigende Papiernachfrage ist nur ein Beispiel für den enormen Materialverbrauch. Wir müssen dringend umdenken.

Eine Reduzierung überflüssigen Konsums ist keine Einschränkung, sondern notwendig für unsere Zukunftsfähigkeit. Weniger Überkonsum bedeutet weniger Naturzerstörung, weniger Klimaerhitzung und weniger Müll. Dabei müssen wir dringend weg von der Vorstellung, dass unbegrenztes Wachstum auf einem begrenzten Planeten möglich sei.

Eine Ressourcenwende kann vielfach zu mehr Lebensqualität führen, für Entrümpelung sorgen, mehr Zeit und intensiveres Erleben ermöglichen und vor allem auch zu mehr globaler Gerechtigkeit beitragen.

Kurz zusammengefasst:

  • Deutschland gehört zu den größten Papierverbrauchern der Welt, was massive ökologische und soziale Folgen hat – von Waldzerstörung in Skandinavien bis zu Landvertreibungen, Menschenrechtsverletzungen und Wasserknappheit in Südamerika.
  • Recyclingpapier spart im Schnitt fast 70 Prozent Energie und 80 Prozent Wasser und ist die beste Alternative, da es CO2-Emissionen senkt und Wälder schützt – das Umweltzeichen „Blauer Engel“ garantiert 100 Prozent Altpapiereinsatz.
  • Jeder kann Papier sparen, indem Mehrwegprodukte genutzt, unnötige Ausdrucke vermieden und digitale Alternativen bevorzugt werden – weniger Verbrauch bedeutet weniger Naturzerstörung und mehr Fairplay gegenüber Menschen im globalen Sü­den.

Evelyn Schönheit ist Diplom-Umweltwissenschaftlerin und freiberufliche Expertin beim Forum Ökologie & Papier. Sie setzt sich seit vielen Jahren für Waldschutz, Klimagerechtigkeit, Artenvielfalt und Menschenrechte ein und schwört auf Suffizienz, eine Kultur des Genug.

Übrigens: Die digitale Ausstellung „Zukunftsfähig mit Papier“ zeigt, wie sich jeder aktiv für den Schutz von Wäldern, Klima, Artenvielfalt und Menschen einsetzen kann. Eine Weiterempfehlung motiviert auch Andere zum Mitmachen.

Bild: © Vecteezy

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