Nordpazifik kippt – Studie zeigt, wie der Ozean seine CO2-Pufferkraft verliert

Im Nordpazifik versauert das Wasser unterhalb der Oberfläche schneller als erwartet – mit Konsequenzen für Plankton, Fischerei und Klima.

Ozeanversauerung im Nordpazifik nimmt rasant zu

Station ALOHA vor Hawai‘i liefert seit 1988 Daten zur Ozeanchemie – die Messungen zeigen, wie schnell die Versauerung im Nordpazifik voranschreitet. © Lucie Knor

Der Ozean gilt als wichtiger Schutzschild gegen die Erderwärmung. Doch dieser Puffer wird im Nordpazifik immer schwächer. Forscher der University of Hawai‘i in Mānoa haben in Untersuchungen festgestellt, dass die Ozeanversauerung unterhalb der Oberfläche deutlich schneller voranschreitet als bisher gedacht – mit ernsten Konsequenzen für Meeresleben und Küstenregionen. 

Das Forschungsteam hat dazu eine einzigartige Messreihe ausgewertet. Seit 1988 liefert das Programm „Hawai‘i Ocean Time-series“ regelmäßig Daten von der Station ALOHA, rund 100 Kilometer nördlich von Oʻahu. In mehr als 348 Forschungsfahrten wurden Messwerte bis in fünf Kilometer Tiefe gesammelt.

Nordpazifik verliert immer schneller Puffer gegen CO2

Seit Beginn der Industrialisierung vor über 200 Jahren hat das Meer rund 26 Prozent des zusätzlichen Kohlendioxids aufgenommen. Normalerweise wirkt der Ozean wie ein riesiger Puffer. Doch die neuen Analysen zeigen: Je tiefer das Wasser, desto anfälliger wird es für weitere Säurebildung.

Tully Rohrer, Lucie Knor, Fernando Pacheco und Daniel Fitzgerald mit der CTD-Rosette, die Wasserproben für die Hawai‘i Ocean Time-Series sammelt. © Carolina Funkey
Tully Rohrer, Lucie Knor, Fernando Pacheco und Daniel Fitzgerald mit der CTD-Rosette, die Wasserproben für die Hawai‘i Ocean Time-Series sammelt. © Carolina Funkey

Die Forscher untersuchten mehrere Wasserschichten:

  • North Pacific Tropical Water (ca. 135 Meter tief, Alter etwa ein Jahr)
  • Shallow Salinity Minima (ca. 280 Meter tief, Alter drei bis sieben Jahre)
  • North Pacific Intermediate Water (über 500 Meter tief, Alter rund 30 Jahre)

In allen Schichten stieg der Anteil von gelöstem Kohlendioxid, Nährstoffen und Zersetzungsprodukten. Besonders zwischen 2015 und 2020 beschleunigte sich die Versauerung im North Pacific Tropical Water drastisch, ausgelöst durch eine verlangsamte Zirkulation und große Mengen Frischwasser.

Dreimonatswerte des NPGO-Index. Darunter: Abweichungen in Salzgehalt und im Aragonit-Sättigungszustand (ΩAr) des North Pacific Tropical Water. Die Werte stammen aus Forschungsfahrten und wurden von jahreszeitlichen Schwankungen und langfristigen Trends bereinigt. © Studie
Dreimonatswerte des NPGO-Index. Darunter: Abweichungen in Salzgehalt und im Aragonit-Sättigungszustand (ΩAr) des North Pacific Tropical Water. Die Werte stammen aus Forschungsfahrten und wurden von jahreszeitlichen Schwankungen und langfristigen Trends bereinigt. © Studie

Unerwartet stark: Warum die Ozeanversauerung in der Tiefe alle Indikatoren trifft

Dass alle Messgrößen so stark reagierten, hat selbst das Team überrascht: „Wir erwarteten zwar, dass einige Indikatoren der Ozeanversauerung sich schneller unterhalb der Oberfläche verändern würden, aber wir waren sehr überrascht, dass dies auf jeden einzelnen Indikator zutraf,“ erzählt Erstautorin Lucie Knor. Weiter warnt sie:

Die Ozeanversauerung hat weitreichende Folgen für das Leben im Meer und für das globale Klima.

Mit zusätzlichem CO2 verschärft sich die Lage. „Tiefere Wasserschichten sind im Nordpazifik von Natur aus bereits recht sauer. Wenn die Säure nun schnell zunimmt, kann das Planktonarten und andere Organismen unterhalb der Oberfläche stark beeinträchtigen“, erklärt Knor.

Bedrohung für Fischerei, Nahrungsketten und Klimapuffer 

Besonders ein winziger Meeresbewohner kann eine Kettenreaktion auslösen: Plankton. Es bildet die Basis der Nahrungskette. Viele Arten besitzen Kalkschalen, die sich in saurerem Wasser schlechter bilden oder schneller auflösen. Verändert sich das Plankton, trifft das zuerst kleine Fische und Schalentiere. Am Ende betrifft es Fischbestände, Vögel und damit auch die Fischerei.

Zudem nimmt der Ozean künftig weniger Kohlendioxid auf. „Langfristig erschweren diese Veränderungen der Chemie im Ozean auch die Fähigkeit, weiterhin CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen“, so Knor. Damit sinkt die Kapazität des Meeres, als Kohlenstoffspeicher zu wirken – ein Problem für das globale Klima.

Anstieg der Pufferkapazität (Gesamtalkalinität, TA) im North Pacific Intermediate Water durch die Auflösung von Kalk, gemessen in μmol pro Kilogramm Wasser. © Studie

Hitzewellen verstärken den Stress

In den vergangenen Jahren haben sich marine Hitzewellen gehäuft. Auch starke El-Niño-Ereignisse setzten dem Pazifik zu. Treffen Temperaturspitzen auf erhöhte Säurewerte, geraten Korallenriffe und Fischbestände unter extremen Druck. Ganze Küstenregionen, die auf Fischfang angewiesen sind, verlieren dann ihre Lebensgrundlage.

Das Problem bleibt nicht auf Hawai‘i beschränkt. Strömungen transportieren die saueren Wassermassen in andere Teile des Pazifiks und verschärfen dort die Lage.

Regionaler CO2-Austoß wirkt maßgeblich mit

Christopher Sabine, Mitautor der Studie, erklärt: „Wir zeigen, dass Veränderungen in der Chemie des Quellwassers und in der Zirkulation auf regionaler Ebene entscheidende Treiber der verstärkten Ozeanversauerung unterhalb der Oberfläche rund um Hawai‘i sind.“ Damit wird klar: Nicht nur der globale CO2-Anstieg, auch regionale Strömungen und die Zusammensetzung des Wassers beschleunigen die Versauerung.

Für Küstenbewohner, Fischer und alle, die von gesunden Ozeanen abhängig sind, liefert die Studie eine ernüchternde Botschaft: Die Ozeanversauerung im Nordpazifik schreitet schneller voran, als bisher angenommen. Zugleich können die jahrzehntelangen Messungen wertvolle Hinweise geben, um Gegenmaßnahmen besser zu planen und Schutzmaßnahmen für Meeresökosysteme gezielter einzusetzen.

Kurz zusammengefasst:

  • Die Ozeanversauerung im Nordpazifik schreitet unterhalb der Oberfläche schneller voran als an der Oberfläche, wie 35 Jahre Messungen zeigen.
  • Besonders betroffen sind Planktonarten und damit ganze Nahrungsketten, zugleich sinkt die Fähigkeit des Meeres, CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen.
  • Regionale Strömungen, Frischwasser und Erwärmung verstärken die Versauerung zusätzlich und verschärfen die Risiken für Fischerei, Küsten und Klima.

Übrigens: Nicht nur die Versauerung setzt den Meeren zu – auch ihr Licht verschwindet. Immer größere Zonen werden dunkler, der Lebensraum für Fische und Korallen schrumpft. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Lucie Knor

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