Ozeane werden dunkler – Der Lebensraum unter Wasser schrumpft Meter für Meter

In 21 Prozent der Ozeane dringt heute weniger Licht in die Tiefe. Der Lebensraum für Meeresarten wie Fische und Korallen wird spürbar kleiner.

Ozeane werden dunkler – Lebensraum unter Wasser verschwindet

In über 20 Prozent der Ozeane hat sich die lichtdurchflutete Zone in den letzten 20 Jahren spürbar verkleinert – teils um mehr als 100 Meter. © Wikimedia

Mehr als 90 Prozent aller bekannten Meeresbewohner leben in einer einzigen, entscheidenden Schicht: der photonischen Zone. Sie reicht im Durchschnitt etwa 200 Meter tief und ist jener Bereich, in den Sonnen- oder Mondlicht noch vordringt. Doch dieser lichtdurchflutete Lebensraum schrumpft – und zwar schneller, als bislang gedacht. Die Ozeane werden immer dunkler – und das hat dramatische Folgen.

Zwischen 2003 und 2022 hat sich in rund 21 Prozent der weltweiten Ozeanfläche die Lichtdurchlässigkeit des Wassers verringert. Das betrifft über 75 Millionen Quadratkilometer – also mehr als das Doppelte der Landfläche Afrikas.

Auch fernab der Küsten werden die Ozeane dunkler

Die neue Studie zeigt: Die Verdunkelung betrifft nicht nur Küstenregionen, sondern auch große Teile des offenen Meeres. Besonders betroffen sind die Ostsee, der Nordatlantik, der Nordwestpazifik und die Polarregionen. In 9 Prozent der Ozeane hat sich die photonische Zone um mehr als 50 Meter verringert. In weiteren 2,6 Prozent schrumpfte sie sogar um mehr als 100 Meter.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

  • In 21 Prozent der globalen Ozeane hat die Lichtdurchlässigkeit abgenommen
  • 9 Prozent der Meeresfläche haben über 50 Meter an lichtdurchfluteter Tiefe verloren
  • 2,6 Prozent sogar über 100 Meter
  • Auch 14 Prozent der Meeresflächen sind nachts deutlich dunkler geworden

Der Verlust der photonischen Zone bedeutet auch den Verlust von Lebensraum – für Fische, Korallen, Algen und Kleinstlebewesen, die auf Licht angewiesen sind. Die Folgen könnten enorm sein: Weniger Raum zum Leben, weniger Nahrung, mehr Konkurrenz.

Warum das Meer trüber wird

Die Ursachen unterscheiden sich je nach Region. In Küstengewässern gelangen durch stärkere Regenfälle und landwirtschaftliche Nutzung mehr Sedimente, Nährstoffe und gelöste Stoffe ins Wasser. Das fördert Algenwachstum – und blockiert das Licht.

Auf hoher See dagegen spielen andere Prozesse eine Rolle:

  • veränderte Meeresströmungen
  • steigende Oberflächentemperaturen
  • Veränderungen in Plankton-Gemeinschaften
Banger Blick auf die Ostsee: Besonders hier zeigen rote Bereiche, wie stark die Ozeane an Licht verlieren – blaue Zonen werden dagegen heller. © University of Plymouth
Banger Blick auf die Ostsee: Besonders hier zeigen rote Bereiche, wie stark die Ozeane an Licht verlieren – blaue Zonen werden dagegen heller. © University of Plymouth

Höhere Dichte an der Oberfläche bringt Probleme

Wenn das Licht nur noch in die obersten Schichten reicht, müssen sich viele Tiere dort drängen. Das bedeutet mehr Wettbewerb, weniger Nahrung und höhere Angriffsgefahr durch Fressfeinde. Der gesamte Aufbau des Ökosystems könnte sich verändern.

Studienautor Dr. Thomas Davies, Meeresbiologe an der University of Plymouth, warnt: „Tiere, die Licht benötigen, werden zur Oberfläche genötigt, wo sie um Nahrung und andere Ressourcen kämpfen müssen. Das kann fundamentale Veränderungen im gesamten marinen Ökosystem auslösen.“

Mondlicht reicht nicht mehr weit – auch nachts wird es enger

Auch die Nachtseite des Meeres verändert sich. Viele Tiere nutzen das schwache Licht des Mondes zur Orientierung – etwa bei der Fortpflanzung oder bei nächtlichen Wanderungen. Doch auch diese Lichtquelle dringt immer schlechter ins Wasser.

Die Studie zeigt:

  • In fast 14 Prozent der globalen Meeresfläche hat sich die Tiefe der nächtlichen photonischen Zone um mehr als 10 Meter verringert.
  • In rund 2 Millionen Quadratkilometern (fast sechs Mal die Fläche von Deutschland) sogar um mehr als 50 Meter.

Dunkleres Wasser, weniger Sauerstoff – das Meer verliert seine Atmungsfläche

Auch die Sauerstoffproduktion im Meer gerät zunehmend unter Druck. Zwar machen die winzigen Algen und Bakterien der Meere – die sogenannten Primärproduzenten – nur einen Bruchteil der weltweiten Biomasse aus. Trotzdem produzieren sie genauso viel Sauerstoff wie alle Landpflanzen zusammen. Ihre Effizienz ist enorm, weil sie keine inaktive Masse wie Holz bilden müssen.

Doch dieser Prozess ist störanfällig. Die Sauerstoffproduktion ist auf die obersten, lichtdurchfluteten Wasserschichten beschränkt. Gerade diese Zone wird jedoch durch die zunehmende Verdunkelung kleiner – und damit auch der Bereich, in dem Sauerstoff überhaupt entstehen kann. Viel des erzeugten Sauerstoffs entweicht zudem rasch in die Atmosphäre, weil das Oberflächenwasser bereits gesättigt ist.

Wie stark die Sauerstoffverteilung im Ozean vom Klima abhängt, zeigen neue Daten. Seit 1960 hat der Ozean mehr als zwei Prozent seines gelösten Sauerstoffs verloren. In Seen und Stauseen sind die Verluste sogar noch höher. Die Forscher sprechen bereits von einer „planetaren Belastungsgrenze“ – mit möglichen Folgen für Artenvielfalt, Fischerei und das gesamte Klimasystem.

Die Verdunkelung könnte also nicht nur das Leben im Meer durcheinanderbringen, sondern auch:

  • den globalen Kohlenstoffkreislauf stören
  • die Fischerei erschweren
  • die Fähigkeit der Ozeane verringern, CO2 zu binden

Ein komplexes System mit Folgen für das ganze Ökosystem

Für die Studie zur Verdunkelung der Meere analysierten die Forscher hochauflösende Satellitendaten über 20 Jahre hinweg. Sie nutzten Lichtmodelle und biologische Daten besonders lichtempfindlicher Meeresbewohner, um Veränderungen weltweit messbar zu machen.

Viele Fragen bleiben noch offen – etwa, wie sich der Trend langfristig auf Nahrungsketten, Artenvielfalt und Klimaschutz auswirkt. Doch das Ausmaß ist laut Davies so groß, dass es kaum zu ignorieren ist: „Unsere Ergebnisse stellen einen echten Grund zur Sorge dar.“

Kurz zusammengefasst:

  • In den letzten 20 Jahren hat sich in über 20 Prozent der Ozeane die lichtdurchflutete Zone deutlich verkleinert – die Ozeane werden dunkler, teils um mehr als 100 Meter.
  • Ursache sind veränderte Umweltbedingungen wie Algenwachstum, Sedimente und gestörte Meeresströmungen, die das Wasser trüber machen.
  • Der Lichtverlust gefährdet Fische, Korallen und Plankton – und beeinflusst damit Nahrungsnetze, Fischerei und den globalen Kohlenstoffkreislauf.

Übrigens: Auch die Farbe der Ozeane verändert sich messbar – Tropenmeere werden blauer, Polarregionen grüner. Was das mit Fischbeständen, Ernährung und dem Klimasystem zu tun hat, wird in unserem Artikel ausführlich erklärt.

Bild: © Ppmh21 via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0

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