Bakterien lassen Seesterne bei lebendigem Leib zerfallen – Forscher lösen das tödliche Rätsel

Seit 2013 tötet ein Bakterium massenhaft Seesterne an der Pazifikküste – nun ist der Erreger eindeutig identifiziert worden.

Mysteriöses Sterben gelöst: Bakterien lassen Seesterne zerfallen

Im Labor bestätigte sich der Verdacht: Ein einzelnes Bakterium genügt, um gesunde Seesterne wie den Sonnenblumen-Seestern innerhalb weniger Tage tödlich zu infizieren. © Wikimedia

Entlang der Pazifikküste Nordamerikas hat seit 2013 eine rätselhafte Krankheit ganze Populationen von Seesternen ausgelöscht. Betroffen sind mehr als 20 Arten, am stärksten der Sonnenblumen-Seestern. Nun steht fest: Das Bakterium Vibrio pectenicida, genauer der Stamm FHCF-3, löst das gesamte Spektrum der Symptome der sogenannten Seestern-Auszehrungskrankheit (SSWD – Sea Star Wasting Syndrome) aus – von weißen Läsionen über das Abwerfen von Armen bis hin zum Zerfall des gesamten Körpers.

Neuer Erregernachweis verändert den Blick auf das Sterben

In einer mehrjährigen Untersuchung setzten Wissenschaftler gesunde Sonnenblumen-Seesterne entweder verseuchtem Wasser, infiziertem Gewebe oder dem sogenannten Seestern-„Blut“ aus. Das Resultat war eindeutig: „Alle Übertragungswege führten zu einer Ansteckung, mit Krankheitssymptomen und Todesfällen bei 46 von 50 (92 Prozent) zuvor offenbar gesunden Tieren“, berichten die Forscher der University of British Columbia. In den Kontrollgruppen traten weder Todesfälle noch Armverluste auf.

Massensterben in Rekordtempo

Die Krankheit beginnt oft unscheinbar: Appetitlosigkeit und kleine weiße Flecken an der Haut. Kurz darauf erschlaffen die Tiere, verlieren ihre Arme und sterben in der Regel innerhalb von sechs bis 16 Tagen. Im Schnitt vergingen in den Experimenten nur 11,6 Tage von der Ansteckung bis zum Tod.

Die wichtigsten Krankheitsdaten aus den Experimenten:

  • Erste Symptome („Armverdrehen“) nach 2–12 Tagen
  • Armabwurf nach 5–15 Tagen
  • Tod innerhalb von 6–16 Tagen nach Infektion (Ø = 11,6 Tage)

Die rasante Ausbreitung hat ganze Lebensräume verändert – etwa durch die explosionsartige Vermehrung von Seeigeln, die Kelpwälder kahlfressen.

Genanalysen finden tödliche Bakterien in Seesternen

Genetische Analysen bestätigten den Verdacht eindeutig. In allen Proben erkrankter Seesterne fanden die Forscher Vibrio pectenicida in sehr hohen Mengen – in manchen Fällen machte es bis zu 99 Prozent aller nachgewiesenen Bakterien aus. „Nur drei mikrobielle Taxa zeigten das klassische Muster von Vorhandensein oder Fehlen […] 95,7 Prozent gehörten zu V. pectenicida“, heißt es in der Studie. Bei gesunden Tieren lag der Anteil in der Regel unter einem Prozent.

Auch im Freiland stimmten die Muster: In einer Erhebung vor British Columbia tauchte das Bakterium in Proben gesunder Tiere nur während eines Ausbruchs häufiger auf. Die Werte im Überblick:

  • Gesunde Tiere in betroffenen Gebieten während eines Ausbruchs: ~74 Prozent positiv
  • Kranke Tiere im selben Zeitraum: ~86 Prozent positiv
  • Tiere in nicht betroffenen Gebieten: ~16 Prozent positiv

Hohe Dosen lassen Krankheit schneller ausbrechen

Die Forscher testeten auch, wie stark die Bakterienkonzentration den Krankheitsverlauf beeinflusst.

  • Hohe Dosis: Symptome nach 3–10 Tagen, Tod nach 6–11 Tagen
  • Niedrige Dosis: Krankheitsbeginn nach 5–15 Tagen, Tod nach 11–16 Tagen

Erhitzen der Bakterienkulturen oder Filtern unter 0,22 Mikrometer verhinderte eine Ansteckung – ein weiterer Hinweis, dass kein Virus beteiligt ist.

Möglicher Klimafaktor verstärkt die Gefahr

Die Bakteriengattung Vibrio vermehrt sich besonders gut in warmem Wasser. Nach Einschätzung der Forscher könnte es einen direkten Zusammenhang zwischen steigenden Meerestemperaturen und der Häufigkeit sowie Geschwindigkeit der Krankheitsausbrüche geben. „Wir sehen, dass die Krankheit in wärmerem Wasser früher und schneller auftritt“, erklärt Studienautorin Melanie Prentice. Die Kombination aus Klimawandel und Infektionserregern könnte für manche Seesternarten zur tödlichen Bedrohung werden.

Verlust verändert ganze Ökosysteme

Sonnenblumen-Seesterne sind wichtige Räuber von Seeigeln. Ihr Ausfall hat vielerorts dazu geführt, dass Seeigel ganze Kelpwälder vernichten. Diese Wälder sind nicht nur Lebensraum für unzählige Arten, sondern auch wichtig für Küstenschutz, Fischerei, Tourismus und die CO2-Bindung.

Mit der eindeutigen Identifizierung des Erregers können nun gezielte Programme zur Überwachung und zum Schutz der Seesterne gestartet werden. Geplant sind genetische Analysen auf mögliche Resistenz, die Zucht in Aquarien sowie die Auswilderung in geeignete Lebensräume. Langfristiges Ziel ist es, stabile Bestände aufzubauen und damit auch die marinen Ökosysteme zu erhalten.

Kurz zusammengefasst:

  • Die Seestern-Auszehrungskrankheit (SSWD) wird durch das Bakterium Vibrio pectenicida ausgelöst, das seit 2013 ganze Bestände entlang der Pazifikküste vernichtet.
  • Laborexperimente und Feldstudien bestätigten eindeutig, dass infizierte Tiere typische Symptome entwickeln und schnell sterben, während gesunde ohne Erreger unbeeinträchtigt bleiben.
  • Der massive Rückgang der Sonnenblumen-Seesterne stört das marine Ökosystem erheblich, weshalb nun gezielte Schutz-, Zucht- und Wiederansiedlungsprogramme geplant sind.

Übrigens: In Eis, Wüste oder tief im Boden – einige Bakterien überleben allein mit der Energie aus Luft. Wie sie das schaffen, erklärt unser Artikel.

Bild: © Ed Bowlby, NOAA/Olympic Coast NMS via Wikimedia unter CC BY 2.0

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