Neue Hoffnung bei Lebensmittelallergien: Forscher entdecken Schutzfunktion im Darm

Forscher entdecken im Darm spezielle Zellen, die das Immunsystem regulieren und Lebensmittelallergien gezielt verhindern können.

Lebensmittelallergie: Forscher entdecken Schutzfunktion im Darm

Forscher haben Immunzellen im Darm entdeckt, die Fehlreaktionen auf harmlose Lebensmittel verhindern können – ein möglicher Ansatz für neue Therapien bei Lebensmittelallergien. © Pexels

Milch, Erdnüsse, Ei – bei Menschen mit Lebensmittelallergie reagiert das Immunsystem über, obwohl der Darm harmlose Stoffe eigentlich erkennen sollte. In Deutschland leiden nach Schätzungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) rund vier Prozent der Bevölkerung unter einer diagnostizierten Nahrungsmittelallergie. Besonders häufig reagieren Kinder auf Kuhmilch, Hühnerei oder Erdnüsse. Bei Erwachsenen zählen pollenassoziierte Allergien auf Obst, Nüsse oder Gemüse zu den Hauptauslösern. Schon geringe Mengen reichen aus, um Juckreiz, Atemnot oder Magenkrämpfe auszulösen. Der Alltag der Betroffenen ist geprägt von ständiger Vorsicht.

Doch es gibt Hoffnung. Ein Forscherteam der Washington University hat im Darm eine Zellart identifiziert, die genau diesen durch eine Lebensmittelallergie ausgelösten Fehlalarm verhindern kann. Diese Zellen wirken wie ein Filter zwischen Nahrung und Immunsystem. Sie entscheiden, was als sicher gilt und was nicht.

Lebensmittelallergie gezielt verhindern – Welche Rolle spielt der Darm?

Im Zentrum der Studie stehen sogenannte RORγt+ dendritische Zellen. Sie sitzen an der Schleimhaut des Darms und erkennen Bestandteile aus der Nahrung. Wenn diese Zellen aktiv sind, bleibt das Immunsystem ruhig. Der Körper toleriert das Essen. Fehlen sie jedoch, kommt es zu Entzündungen und allergischen Reaktionen.

Die Forscher wollten genau wissen, wie diese Zellen arbeiten. Sie fütterten Mäusen ein bestimmtes Eiweiß – Ovalbumin, ein Allergen aus Hühnereiern. Tiere mit funktionierenden Immunzellen zeigten keine Symptome. Bei Mäusen ohne diese Zellen traten schwere Entzündungen auf – auch in der Lunge.

Zellen mit entscheidender Schutzfunktion

Dr. Patrick Rodrigues, einer der Studienautoren, erklärt den Effekt so: „Durch das Entfernen von RORγt+ dendritischen Zellen aus dem Darm haben wir die Toleranz gegenüber Nahrungsmittelallergenen gebrochen.“ Für ihn liefert die Arbeit eine klare Richtung. Wer die Zellfunktion gezielt stärken kann, könnte Allergien verhindern.

Die Zellen wirken nicht allgemein. Sie reagieren nicht auf jede Immunaktivität. Vielmehr registrieren sie, wenn der Körper auf harmlose Proteine überreagieren will – und stoppen die Abwehrkaskade frühzeitig.

Darm steuert Immunreaktion bei Lebensmittelallergie

Die RORγt+ dendritischen Zellen agieren lokal. Sie sitzen direkt an der Darmschleimhaut. Ihre Arbeit beginnt mit dem ersten Kontakt zur Nahrung. Kommt ein bekanntes, ungefährliches Protein vorbei, senden sie ein Signal an das Immunsystem: Kein Grund zur Aufregung.

Fehlt dieses Signal, geht der Körper automatisch auf Abwehr. Und genau hier liegt das Problem bei Allergikern. Ihnen fehlt dieser Toleranzmechanismus. Das Ergebnis: heftige Reaktionen auf Nüsse, Milch oder Eier – obwohl keine Gefahr besteht.

Neue Wege für Therapien

Der Immunologe Marco Colonna, Leiter des Forschungsteams, betont die Bedeutung der Ergebnisse: „Wir beobachten weltweit eine rasante Zunahme von Nahrungsmittelallergien, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.“ Für ihn steht fest: Diese Zellen sind der Schlüssel zur Toleranz.

Colonna sieht auch Möglichkeiten für andere Erkrankungen. Zöliakie, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Autoimmunreaktionen – in vielen Fällen reagiert das Immunsystem zu heftig. Die gezielte Aktivierung dieser Zellen könnte helfen, diese Reaktionen einzudämmen.

Gezielte Immunsteuerung statt Meidung von Lebensmitteln

Bislang konzentrierten sich Therapien auf das Vermeiden allergieauslösender Stoffe. Betroffene leben mit ständiger Einschränkung. Medikamente lindern Beschwerden, greifen aber nicht an der Ursache an. Die Entdeckung der Washington University zeigt, dass eine gezielte Steuerung des Immunsystems möglich sein könnte.

Im Laborversuch reichte es, die Zellfunktion gezielt zu verändern. Das Immunsystem stellte seine Reaktion um. Diese Erkenntnis könnte künftig helfen, eine natürliche Toleranz gegenüber Nahrungsmitteln wiederherzustellen – nicht nur bei Allergien, sondern auch bei chronischen Darmerkrankungen.

Kurz zusammengefasst:

  • RORγt+ dendritische Zellen im Darm erkennen harmlose Nahrungsbestandteile und verhindern überflüssige Abwehrreaktionen des Immunsystems.
  • Fehlen diese spezialisierten Zellen, können Entzündungen und schwere allergische Reaktionen entstehen – selbst auf eigentlich ungefährliche Lebensmittel.
  • Die gezielte Aktivierung dieser Zellfunktion eröffnet neue Möglichkeiten zur Behandlung von Lebensmittelallergien und weiteren Darmerkrankungen.

Übrigens: Der Darm beeinflusst nicht nur Allergien, sondern auch das Risiko für Alzheimer, Diabetes oder Hautprobleme. Welche Rolle die Ernährung dabei spielt – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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