Klimawandel treibt Giftschlangen nach Norden – Studie warnt: In Indien explodiert das Biss-Risiko um über 700 Prozent
In Indien verlagert der Klimawandel Schlangenhabitate – das Risiko für Schlangenbisse steigt im Norden um bis zu 783 Prozent.

Die Kettenviper (Daboia russelii) zählt zu den gefährlichsten Giftschlangen Indiens und ist für viele tödliche Schlangenbisse verantwortlich. Ihre Verbreitung nimmt durch den Klimawandel zu – vor allem in bislang weniger betroffenen Regionen im Norden. © Dhritiman Mukherjee
Das Klima wird immer extremer. In manchen Regionen regnet es plötzlich stärker, andere leiden unter anhaltender Dürre. Doch nicht nur das Wetter verändert sich. Auch Tiere passen sich an. Sie suchen sich neue Lebensräume. Vor allem solche, die mit Hitze gut klarkommen. Dazu zählen Giftschlangen. Im bevölkerungsreichsten Land der Welt Indien könnte sich durch den Klimawandel das Risiko für schwere Schlangenbisse drastisch verändern.
Laut einer neuen Studie sind vor allem der Norden und Nordosten des Landes betroffen – Regionen, in denen Menschen bisher kaum Kontakt zu giftigen Schlangen hatten. Das Forschungsteam um Imon Abedin von der Dibru-Saikhowa Conservation Society hat dafür ein Modell entwickelt. Es zeigt, wie sich die Verbreitung der vier gefährlichsten Schlangenarten in Zukunft verschieben könnte.
Durch den Klimawandel: Schlangenbisse bedrohen neue Regionen
Diese vier Arten, auch „Big Four“ genannt, sind für mehr als 90 Prozent der schweren Schlangenbisse in Indien verantwortlich. Ihre Namen:
- Bungarus caeruleus (Krait)
- Daboia russelii (Kettenviper)
- Echis carinatus (Sandrasselotter)
- Naja naja (Kobra)
Bisher leben diese Schlangen vor allem im Süden. Doch der Klimawandel verschiebt ihre Lebensräume. In künftigen Szenarien breiten sie sich nach Norden und Nordosten aus. Besonders Assam, Madhya Pradesh und Rajasthan könnten betroffen sein. Dort könnte das Schlangenbissrisiko um mehrere Hundert Prozent steigen. Assam erreicht laut Studie sogar einen Wert von 783 Prozent.
Wo das Risiko wächst, fehlt oft Hilfe
Die Forscher haben deshalb einen Risikoindex entwickelt. Er berücksichtigt nicht nur das Vorkommen der Schlangen, sondern auch soziale und medizinische Faktoren. Regionen mit vielen Bissen, aber schlechter Versorgung, gelten als besonders gefährdet. Besonders schlecht schneiden Regionen ab mit:
- geringer Bildungsrate
- wenig Zugang zu Trinkwasser und Strom
- schlechter Straßeninfrastruktur
- wenigen Gesundheitsstationen
Solche Bedingungen treffen vor allem auf ländliche Gebiete im Nordosten Indiens zu. Menschen, die gebissen werden, haben dort oft keine Chance, rechtzeitig behandelt zu werden.
Wird ein wirksames Antivenin schnell genug verabreicht, können die meisten Todesfälle und schwerwiegenden Folgen durch Schlangenbisse laut WHO verhindert werden. Doch genau daran fehlt es.
Infrastruktur rettet Leben
Ein Vergleich zeigt, wie stark Infrastruktur das Risiko beeinflusst: Tamil Nadu und Karnataka haben ähnliche Fallzahlen bei Schlangenbissen. Doch Tamil Nadu hat mehr Kliniken, bessere Straßen und geringere soziale Unterschiede. Das senkt die Sterblichkeit deutlich.
Karnataka dagegen bleibt ein Hochrisikogebiet. Hier sterben deutlich mehr Menschen an den Folgen eines Bisses.
Menschengemachte Risiken kommen dazu
Neben dem Klimawandel verschärfen auch andere Faktoren die Lage. Durch illegalen Wildtierhandel können Schlangen versehentlich oder absichtlich in neue Regionen gelangen. Besonders im Nordosten Indiens, wo Grenzschmuggel ein Problem ist, könnte das zu neuen Populationen führen.
Diese Tiere treffen dann auf Bedingungen, die durch den Klimawandel bereits begünstigt sind. So entstehen neue Gefahrenherde. Die Autoren der Studie fordern gezielte Maßnahmen. Dazu gehören:
- Notfallteams in besonders betroffenen Regionen
- mobile Lager für Gegengifte
- Schulungen in Erster Hilfe
- besser ausgestattete Landkliniken
Zudem empfehlen sie, Antivenine regional anzupassen. Denn nicht jedes Gegengift wirkt gegen jede Art gleich gut.
Schlangenbisse sind kein fernes Problem
Was heute in Indien passiert, könnte morgen in anderen Teilen der Welt drohen. Schon jetzt breiten sich etwa in Südosteuropa neue Giftschlangenarten aus. Die Studie aus Indien zeigt, wie eng Klima, Tierwelt und menschliche Gesundheit zusammenhängen.
Kurz zusammengefasst:
- Der Klimawandel verändert die Verbreitung giftiger Schlangen in Indien, wodurch das Risiko für Schlangenbisse besonders in bislang kaum betroffenen Regionen im Norden und Nordosten massiv steigt.
- Am stärksten bedroht sind Menschen in ländlichen Gebieten mit schlechter Infrastruktur, wenigen Gesundheitsstationen, geringer Bildung und kaum Zugang zu Strom oder sauberem Trinkwasser.
- Die Studie fordert gezielte Schutzmaßnahmen wie mobile Antivenin-Lager, besser ausgestattete Kliniken und Erste-Hilfe-Schulungen.
Übrigens: Ein Mann, der sich absichtlich mit Schlangengift injiziert, liefert nun die Basis für ein universelles Gegengift. Sein Blut schützt sogar vor der tödlichen Todesotter – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Dhritiman Mukherjee (CC BY-SA 4.0)