Bakterium verwandelt CO2 in Stein – und könnte damit klimafreundliche Zementalternative schaffen

Ein Bakterium wandelt CO2 fast rückstandsfrei in Mineralien um – als mögliche Alternative zu Zement für Bauindustrie und Klimaschutz.

Bakterium verwandelt CO₂ in Kalkstein.

Noch Zukunftsmusik: Auf heutigen Baustellen dominiert Zement, doch ein Bakterium könnte das eines Tages ändern. © Unsplash

Ein einfaches Bodenbakterium hat eine Fähigkeit, die für die Baustellen der Zukunft wichtig werden könnte. Forscher der Fachhochschule Südschweiz (SUPSI) und des Start-ups Medusoil SA konnten zeigen, wie Bacillus megaterium unter bestimmten Bedingungen CO2 nicht nur bindet, sondern es regelrecht versteinert. Das Bakterium verwandelt Kohlendioxid bei extrem hohen Konzentrationen direkt in ein Mineral, nämlich Kalkstein und das fast ohne Rückstände.

Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse für die Bauindustrie, die nach klima- und ressourcenschonenden Alternativen zu Zement sucht. Der Clou: Ganze 94 Prozent des dabei entstehenden Kalziumkarbonats stammen direkt aus dem Treibhausgas.

Bakterium verwandelt CO2 in Stein – fast ohne Abfallstoffe

Bacillus megaterium gehört zu den Mikroben, die in Böden, Gewässern und sogar auf Pflanzenblättern leben. In der Studie wurde es einer Kohlenstoffdioxid-Konzentration ausgesetzt, die mehr als 470-mal höher war als die normale Luft. Statt wie üblich Harnstoff zu zersetzen, aktivierte das Bakterium ein anderes Enzym: Carboanhydrase. Dieses wandelte CO2 in Bikarbonat um – der entscheidende Zwischenschritt zur Bildung von Kalkstein.

Illustration der durch Urease und Carboanhydrase ausgelösten Kalzitbildung in B. megaterium mit Harnstoff und CO2 als Ausgangsstoffe. © Studie
Illustration der durch Urease und Carboanhydrase ausgelösten Kalzitbildung in B. megaterium mit Harnstoff und CO2 als Ausgangsstoffe. © Studie

Im Vergleich zum klassischen Weg über Harnstoff bietet dieser CO2-Weg viele Vorteile: keine giftigen Nebenprodukte wie Ammoniak, kein zusätzlicher Stickstoffbedarf, dafür aber ein mineralischer Feststoff, der sich zum Bauen oder Stabilisieren von Böden einsetzen lässt.

Forscher setzen auf sauberen Weg der CO2-Mineralisierung

Dimitrios Terzis, Co-Autor der Studie und Mitgründer von Medusoil SA, sieht darin großes Potenzial.

Wir wissen, dass viele Bakterien Kalk bilden können. Aber hier geht es um die direkte Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in ein festes Material. Das ist neu – und wir stehen erst am Anfang.

Dimitrios Terzis

Auch Pamela Principi von der SUPSI ist überzeugt: „Dank markierter Moleküle konnten wir den Kohlenstoff ganz exakt verfolgen.“ So wiesen die Forscher nach, dass fast der gesamte Kalkstein direkt aus CO2 stammt und nicht aus anderen Stoffen im System.

CO2-arme Materialien für Bau und Sanierung

Verschiedene Bedingungen kamen in der Studie zum Einsatz. Dabei zeigte sich: In offenen und geschlossenen Systemen funktioniert der Mechanismus zuverlässig. Sobald die CO2-Werte steigen, schaltet das Bakterium auf den CO2-basierten Stoffwechsel um. Es bildet dann Calcit, ein stabiles Mineral, das auch in Marmor vorkommt. Gerade dieser Mechanismus könnte künftig in der Bauindustrie eine Rolle spielen, etwa bei der Sanierung historischer Gebäude oder im Straßenbau.

Von der Labor-Idee zur Klimatechnologie – Bakterien für Industrie nutzbar machen

Medusoil will den Prozess nun skalieren. In Bioreaktoren sollen Bakterien gezüchtet und gezielt eingesetzt werden, etwa dort, wo CO2 entsteht. Die Technik könnte helfen, CO2 direkt an der Quelle abzufangen, in mineralischer Form zu binden und als Baumaterial nutzbar zu machen.

CA-Test: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen bei 3000x, 5000x und 8000x Vergrößerung; (A) Pellet aus frischer Probe, (B) Pellet nach Trocknung und Waschung. © Studie
CA-Test: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen bei 3000x, 5000x und 8000x Vergrößerung; (A) Pellet aus frischer Probe, (B) Pellet nach Trocknung und Waschung. © Studie

„Auch wenn die Kohlenstoffdioxid-Konzentration aktuell im Labor künstlich erhöht werden musste, sind wir optimistisch“, sagt Terzis. „Mit angepassten Wachstumsbedingungen lässt sich Bacillus megaterium sehr gut steuern.“ Das Ziel: eine nutzbare Lösung für Industrie, Bauwesen und Klimaschutz, denn die Herstellung von Zement zählt zu den größten CO2-Verursachern weltweit.

Vielseitige Mikrobe als Baustein für klimafreundliche Zukunft

Bacillus megaterium ist nicht das einzige Bakterium, das Kalkstein bilden kann. Doch im Unterschied zu bekannten Arten wie Sporosarcina verfügt es über zwei aktive Stoffwechselwege: Es kann entweder Harnstoff abbauen oder direkt mit CO2 reagieren. Diese biochemische Flexibilität macht es besonders interessant für die Forschung.

Kurz zusammengefasst:

  • Bacillus megaterium kann CO2 in stabiles Kalziumkarbonat umwandeln und eignet sich damit als biologische Alternative zu Zement.
  • Das Bakterium nutzt dafür zwei Stoffwechselwege – einer davon arbeitet direkt mit CO2 und kommt ohne schädliche Nebenprodukte aus.
  • Die Methode könnte helfen, CO2 an Emissionsquellen zu binden und gleichzeitig klimafreundliche Baustoffe herzustellen.

Übrigens: Auch manche Bäume erzeugen Kristalle, aus denen im Boden fester Kalkstein wird – ganz ohne Technik, nur mit Hilfe von Mikroben. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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