Hochwasserschäden durch Klimawandel: Warum Fluten eigentlich mehr Opfer fordern müssten – und es immer weniger werden

Trotz Klimawandel sanken die Hochwasserschäden seit 1950 um 63 Prozent. Neue Daten zeigen, wie wirkungsvoll gezielte Anpassungsmaßnahmen sein können.

Hochwasserschäden: Warum Fluten mehr Opfer fordern müssten

Sandsäcke vor der Haustür: Kleine Barriere gegen die großen Folgen des Klimawandels. © Wikimedia

Bilder von überfluteten Straßen, zerstörten Häusern und verzweifelten Menschen sind längst keine Seltenheit mehr in Europa. Jedes Jahr verursachen Flüsse, Sturzfluten oder Küstenhochwasser Milliardenschäden. Eine neue Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) belegt nun ein überraschendes Muster: Eigentlich müssten die Folgen heute noch weitaus dramatischer ausfallen. Mehr Menschen leben in gefährdeten Regionen, die Werte von Gebäuden und Infrastruktur haben enorm zugenommen, und der Klimawandel bringt heftigere Regenfälle sowie steigende Meeresspiegel.

Doch die nüchterne Bilanz überrascht. Während die wirtschaftlichen Verluste in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen sind, sinkt die Zahl der Todesopfer seit den 1950er-Jahren deutlich. Das Paradox lässt sich erklären – und zeigt, wie entscheidend Investitionen in Schutzmaßnahmen und Vorsorge sind.

Weniger Tote trotz wachsender Risiken

Zwischen 1950 und 2020 wurden in Europa 1729 Flutereignisse dokumentiert, die fast alle großen Überschwemmungen dieser Zeit erfassen. In den ersten Jahrzehnten forderten Fluten noch Tausende Tote. Heute liegt die Opferzahl um rund 80 Prozent niedriger. Küstenhochwasser, die in den 1950er- und 1960er-Jahren noch besonders verheerend waren, spielen dabei eine zentrale Rolle.

Die Erklärung liegt nicht im Zufall, sondern in massiven Investitionen. Neue Deiche, Rückhaltebecken, verbesserte Bauweisen und ein professioneller Katastrophenschutz haben das Risiko für Menschen verringert. Frühwarnsysteme ermöglichen rechtzeitige Evakuierungen und senken so die Gefahr tödlicher Überraschungen.

„Hochwasserschutz und andere Anpassungsmaßnahmen haben seit 1950 den wachsenden Hochwasserrisiken weitgehend entgegengewirkt“, sagt Studienleiter Dominik Paprotny.

Milliardenverluste nehmen zu

Anders sieht es bei den ökonomischen Folgen aus. Sie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten fast verdoppelt: von rund 37 Milliarden Euro in den 1950er-Jahren auf etwa 71 Milliarden Euro im letzten Jahrzehnt. Der Grund: In gefährdeten Regionen leben mehr Menschen, die dort gebauten Häuser und die Infrastruktur sind wertvoller als früher.

Allerdings: Im Verhältnis zur gesamten Wirtschaftsleistung sind die Schäden heute geringer. Während sie in den 1950er-Jahren noch eine große Belastung darstellten, liegt ihr Anteil inzwischen nur noch bei rund einem Drittel.

Was treibt die Schäden an?

Die Untersuchung nennt sechs Faktoren, die die Entwicklung der Hochwasserschäden in Europa seit 1950 geprägt haben:

  • Klimaveränderungen: Sie sorgen für heftigere Regenfälle und steigende Pegelstände. Das führte zu rund acht Prozent mehr Betroffenen und höheren wirtschaftlichen Verlusten.
  • Veränderung der Einzugsgebiete: Stauseen, Landnutzung und Wasserbauprojekte haben Folgen. Die Todesfälle stiegen dadurch um etwa sieben Prozent.
  • Bevölkerungswachstum: Mehr Menschen in Flutgebieten bedeuten mehr Risiko. Die Zahl der Betroffenen stieg um 22 Prozent.
  • Wirtschaftswachstum: Höherer Wohlstand und teurere Infrastruktur haben die Schäden fast vervierfacht.
  • Besserer Hochwasserschutz: Dämme, Becken und Notfallpläne reduzierten die Schäden insgesamt um bis zu 38 Prozent.
  • Sinkende Verwundbarkeit: Durch bessere Bauweisen, private Vorsorge und institutionellen Schutz gingen Todesfälle und Betroffene um bis zu 75 Prozent zurück.

Hochwasserschäden durch Klimawandel unterscheiden sich regional

Die Auswirkungen sind nicht überall gleich. In Nordwesteuropa – etwa in Großbritannien, Irland und Norwegen – haben Klimaveränderungen das Risiko besonders erhöht. In Südeuropa dagegen sanken die Gefahren mancherorts, weil die Niederschläge abnahmen.

Auch beim Hochwasserschutz zeigen sich Unterschiede. Während Westeuropa seine Schutzanlagen massiv ausgebaut hat, hinken Teile Osteuropas hinterher. Dort sind Schutzsysteme oft schwächer oder haben sich sogar verschlechtert.

Die Folgen lassen sich ablesen: In West- und Südeuropa fielen die Schäden trotz steigender Exposition geringer aus, während Osteuropa mitunter stärker betroffen blieb.

Hochwasserschutz kommt langsamer voran

Seit den 1980er-Jahren hat sich der Ausbau des Hochwasserschutzes verlangsamt. Technische Anlagen und bessere Warnsysteme helfen zwar, besonders Sturzfluten einzudämmen. Bei Küstenhochwassern oder sehr großen Flutereignissen reichen diese Maßnahmen aber oft nicht aus.

Die Studie zeigt: Zwar leben heute mehr Menschen in gefährdeten Regionen und die Gebäudewerte sind gestiegen, doch dank Schutzanlagen, Frühwarnungen und Katastrophenschutz gibt es deutlich weniger Tote und geringere Schäden. Ohne weitere Investitionen könnte sich dieser Vorteil jedoch schnell wieder verlieren.

Warum Schutzmaßnahmen trotz steigender Risiken Leben retten und Schäden begrenzen

Die Forscher rechnen damit, dass Extremniederschläge in vielen Regionen Europas zunehmen und die Meeresspiegel weiter steigen. Auch die Besiedlung gefährdeter Flächen wird vermutlich weitergehen. Das heißt: Die absoluten Schäden könnten steigen – selbst wenn die Zahl der Todesopfer weiter niedrig bleibt.

„Weitere Anstrengungen sind nötig, um Risiken zukünftig weiter zu mindern – beispielsweise durch Flutschutz, Reduktion der Anfälligkeit und Lenkung der Raumnutzung“, so die Autoren.

Um es greifbar zu machen:

  • Ohne bessere Schutzsysteme und Frühwarnungen wären die Flutopfer seit 1950 vermutlich fünfmal so hoch gewesen.
  • Ohne Anpassungen an Bauweisen und Notfallmanagement wären die ökonomischen Verluste noch deutlich größer ausgefallen.

Kurz zusammengefasst:

  • Seit 1950 sind die Hochwasserschäden in Europa gestiegen – mehr Menschen leben in Risikogebieten, die Infrastrukturwerte sind höher. Zusätzlich verschärft der Klimawandel die Gefahr.
  • Gleichzeitig ist die Zahl der Todesopfer um rund 80 Prozent gesunken – durch Deiche, Frühwarnsysteme, Katastrophenschutz und bessere Bauweisen.
  • Wirtschaftliche Verluste stiegen absolut stark an, machten relativ zur Wirtschaftsleistung aber weniger aus, da Anpassungsmaßnahmen die Folgen deutlich minderten.

Übrigens: Hitzeperioden bringen nicht nur Trockenheit – sie steigern auch das Risiko für extreme Regenfälle und plötzliche Sturzfluten. Warum vor allem Städte betroffen sind und wie sich die Gefahr künftig besser erkennen lässt – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Cavaliere grande via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0

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