Forscher lösen ein 30 Jahre altes Rätsel zu Meteoriteneinschlägen auf der Erde

Manche Meteoriten überstehen den Einschlag auf der Erde scheinbar spurlos: Forscher aus Japan sind dem Phänomen auf die Schliche gekommen.

Forscher lösen Rätsel um den spurlosen Einschlag von Meteoriten

Wie aus dem Nichts – ein glühender Bote aus dem All. Manche seiner Spuren verschwinden spurlos, weil heißes Gas sie beim Aufprall einfach davonfegt. © Vecteezy

Seit drei Jahrzehnten rätseln Forscher, warum manche Meteoriten bei ihrem Einschlag kaum Spuren von Schockveränderungen zeigen. Besonders kohlenstoffhaltige Meteoriten wirken oft unversehrt – ganz anders als ihre „gewöhnlichen“ Pendants. Ein Team der Kobe University hat nun ein Experiment durchgeführt, das dieses Rätsel lösen könnte.

Heiße Gase schleudern Spuren davon – und ins All

Ein Forscherteam um den Astrophysiker Kurosawa Kosuke hat gezielte Laborexperimente durchgeführt. Mit einer sogenannten Zwei-Stufen-Gasdruckkanone simulierten die Wissenschaftler Einschläge bei Geschwindigkeiten von bis zu 25.000 km/h. 

Das Ergebnis: Beim Aufprall auf kohlenstoffreiche Materialien entstehen explosionsartig Gase wie Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO2), die Temperaturen von über 2000 Grad Celsius erreichen können.

„Wir fanden heraus, dass der Impuls dieser Explosion ausreicht, um das stark geschockte Gestein in die Weiten des Alls zu schleudern“, erklärte Kurosawa. Seine Erkenntnisse veröffentlichte das Team in der Fachzeitschrift Nature Communications.

Die Zwei-Stufen-Gasdruckkanone ermöglicht es den Forschern, die Gase zu analysieren, die beim Einschlag auf eine Probe entstehen – ohne dass diese Analyse durch die Gase aus dem Kanonenschuss selbst verfälscht wird. © Planetary Exploration Research Center, Chiba Institute of Technology. (CC BY-ND-NC)
Die Zwei-Stufen-Gasdruckkanone ermöglicht es den Forschern, die Gase zu analysieren, die beim Einschlag auf eine Probe entstehen – ohne dass diese Analyse durch die Gase aus dem Kanonenschuss selbst verfälscht wird. © Planetary Exploration Research Center, Chiba Institute of Technology. (CC BY-ND-NC)

Experiment bringt Durchbruch in einer alten Theorie

Die Idee selbst ist nicht neu: Schon vor 20 Jahren hatte ein Forscher der Kobe University eine Theorie formuliert, nach der Wasserdampf aus erhitzten Mineralien die Schockspuren verwischen könnte. Doch diese Erklärung erwies sich als unzureichend.

„Ich fand die Idee brillant, aber sie hatte Schwächen“, so Kurosawa rückblickend. Der Unterschied: Die aktuelle Studie zeigt, dass nicht Wasserdampf, sondern heiße Kohlenstoffgase die eigentliche Ursache für das Verschwinden von Schockmerkmalen sein könnten.

Ceres als Zeuge kosmischer Kollisionen

Ceres ist der schwerste Himmelskörper im Asteroidengürtel und zugleich der einzige Zwergplanet im inneren Sonnensystem. Die Gravitation spielt bei der Verteilung des ausgeworfenen Materials eine zentrale Rolle. Während kleinere Asteroiden das heiße Gestein kaum halten können, bleibt es auf größeren Himmelskörpern wie dem Zwergplaneten Ceres erhalten.

„Unsere Ergebnisse sagen voraus, dass Ceres hochgeschocktes Material angesammelt haben sollte, das durch solche Einschläge entstand“, so Kurosawa. Genau dort könnten künftige Raumsonden Beweise für vergangene Kollisionen finden.

Wenn Meteoritengestein sich verändert

Im Fachjargon nennt man das Phänomen „shock metamorphism“ – die Veränderung von Gestein durch Einschläge. Das Besondere an den aktuellen Experimenten: Die Forscher konnten nachweisen, dass schon minimale Mengen organischer Bestandteile im Gestein die Bildung von heißen Gasen auslösen, die das Gestein regelrecht „sprengen“.

Entscheidend war dabei die Zusammensetzung der Testmaterialien. Die Forscher stellten Pellets mit und ohne Kohlenstoff her und verglichen deren Verhalten. Ergebnis: Die Proben mit Kohlenstoff produzierten bei Einschlägen bis zu hundertmal mehr Gas.

Zahlen und Modelle machen das Phänomen greifbar

Die Kobe University nutzte dabei nicht nur Labormessungen, sondern auch physikalische Modelle zur Berechnung der Gasmenge und der freigesetzten Energie. Diese Daten zeigen, dass das entstandene Gas ausreicht, um selbst größere Mengen geschockten Materials von einem Asteroiden mit 100 Kilometern Durchmesser ins All zu schleudern.

Kohlenstoffhaltige Meteoriten (links) legen nicht etwa eine sanftere Landung als kohlenstoffarme (rechts) hin. Die Beweise für den Einschlag werden lediglich ins Weltall geschleudert. © KUROSAWA Kosuke (CC BY-ND-NC)
Kohlenstoffhaltige Meteoriten (links) legen nicht etwa eine sanftere Landung als kohlenstoffarme (rechts) hin. Die Beweise für den Einschlag werden lediglich ins Weltall geschleudert. © KUROSAWA Kosuke (CC BY-ND-NC)

Das bedeutet: Viele der Schockmerkmale könnten schlicht verschwunden sein – nicht weil sie nie existierten, sondern weil sie durch eine Art kosmischen Dampfdruck weggeblasen wurden.

Unterstützt wurde das Forschungsprojekt vom Chiba Institute of Technology, dem Imperial College London sowie vom japanischen Raumfahrtinstitut JAXA und dem National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ), das seine Supercomputer zur Verfügung stellte.

Kurz zusammengefasst:

  • Kohlenstoffhaltige Meteoriten zeigen seltener Schockspuren, weil heiße Gase beim Einschlag das Material explosionsartig ins All schleudern.
  • Ein Forscherteam der Kobe University konnte das durch Laborexperimente mit Hochgeschwindigkeitsimpakten nachweisen.
  • Auf größeren Himmelskörpern wie dem Zwergplaneten Ceres bleibt dieses geschockte Material hingegen erhalten.

Bild: © Vecteezy

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