Aggressiv oder friedlich? – Der Charakter der Biene entscheidet, ob sie sticht oder nicht
Einzelne Bienen stechen konsequenter als andere – statt durch äußere Reize bedingt, ist ihr Stichverhalten eher Typsache.

Eine einzelne Biene auf der Hand – harmlos oder kurz vorm Stich? Studien zeigen: Rund 75 Prozent der Bienen verhalten sich dabei tendenziell gleich – sie stechen entweder regelmäßig oder gar nicht. © Unsplash
Ein Stich kann schmerzen, ein Schwarm kann gefährlich werden. Doch was treibt Bienen wirklich dazu, anzugreifen und zu stechen? Forscher der Universität Konstanz wollten genau das herausfinden – und stießen auf ein interessantes Verhaltens-Muster im Insektenreich.
Nicht alle Bienen reagieren gleich, wenn sie bedroht werden. Manche zögern nie, andere bleiben auch in Gefahrensituationen friedlich. Die Studie zeigt: Dieses Verhalten ist nicht zufällig, sondern stabil und vorhersehbar.
Manche Bienen sind von Natur aus aggressiv – andere nicht
Oft wird angenommen, Bienen können nur einmalig stechen, tatsächlich betrifft das aber nur Honigbienen. Ihr Stachel bleibt in der Haut stecken, reißt beim Wegfliegen heraus und führt meist zu tödlichen Verletzungen. Hummeln und viele andere Bienenarten können hingegen mehrfach zustechen, ohne dabei Schaden zu nehmen.
In einem sogenannten Konsistenz-Experiment untersuchte das Forschungsteam über zwei Jahre hinweg das Stichverhalten von rund 150 Bienen aus zehn Völkern. Die Tiere wurden viermal einzeln oder in Gruppen mit einem beweglichen Dummy konfrontiert – mit und ohne Alarmpheromon. Das Ergebnis: Einige Bienen stachen konsequent in allen Durchgängen zu. Andere griffen nie an. Und nur wenige wechselten zwischen aggressivem und friedlichem Verhalten. Die Wissenschaftler konnten beobachten: „Bienen sind erstaunlich stabil in ihrer Entscheidung in einem bestimmten Kontext zu stechen – oder nicht.“
Verhalten lässt sich vorhersagen
Besonders spannend: Wer einmal gestochen hatte, tat das meist auch beim nächsten Mal. 75 Prozent der Bienen verhielten sich bei späteren Versuchen genauso wie beim ersten Kontakt. Auch friedliche Bienen blieben sich treu – in fast 90 Prozent der Fälle. So entsteht ein verlässliches Muster. Wer mit Bienen arbeitet – ob in Forschung, Imkerei oder Landwirtschaft – kann sich künftig besser auf das Verhalten einzelner Tiere einstellen.
Öftere Alarmierung, schwächere Reaktion
Ein weiteres Experiment zeigte, dass das bekannte Alarmpheromon Iso-Amyl-Acetat (IAA) die Stichwahrscheinlichkeit erhöht. Doch dieser Effekt hielt nicht lange an: Je häufiger die Bienen dem Duft ausgesetzt waren, desto weniger reagierten sie darauf. In der Studie heißt es: „Die Reaktion ließ mit der Anzahl der Durchgänge nach.“
Für die Praxis bedeutet das: Auch bei wiederholter Gefahr sinkt die Angriffslust – ein möglicher Schutzmechanismus, um Überreaktionen im Schwarm zu vermeiden.
In Gesellschaft sind Bienen friedlicher
Wurde eine Biene gemeinsam mit einer anderen getestet, griff sie seltener an. Die bloße Anwesenheit eines Artgenossen senkte die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tier zustach – selbst wenn das Alarmpheromon vorhanden war. Die Forschergruppe erklärt: „In Gegenwart eines Artgenossen sank die Bereitschaft zum Stechen.“ Offenbar wirkt soziale Nähe dämpfend – ein Effekt, der bisher bei Insekten kaum untersucht war.
Im zweiten Teil der Studie mischten die Forscher aggressive und friedliche Bienen in kleinen Gruppen. Sie wollten wissen, ob das Verhalten der anderen die Entscheidung zum Stich beeinflusst. Doch das Ergebnis war eindeutig: Ob von Angreifern oder Friedfertigen umgeben – jede Biene blieb ihrer Linie treu. Die Gruppenstruktur veränderte das Verhalten nicht maßgeblich.
Bienen folgen ihrem Charakter
Wer sich fragt, ob Bienen eher durch äußere Reize oder durch ihre eigene Veranlagung zum Angriff getrieben werden, erhält hier eine klare Antwort: Die individuelle Neigung zählt mehr. Manche Tiere sind offenbar „stichfreudiger“ geboren als andere – und bleiben es auch.
Kurz zusammengefasst:
- Bienen zeigen ein stabiles, individuelles Stichverhalten – manche stechen eher zu, andere seltener, unabhängig von äußeren Reizen.
- Alarmpheromone wie Iso-Amyl-Acetat erhöhen die Stichwahrscheinlichkeit kurzfristig, verlieren aber mit der Zeit an Wirkung.
- Die Anwesenheit anderer Bienen senkt die Stichbereitschaft. Auch die Gruppenzusammensetzung ändert das Verhalten einzelner Tiere kaum.
Übrigens: Bienen sind vielen störenden, äußeren Reizen ausgesetzt. Künstliches Licht bringt ihren Tag-Nacht-Rhythmus durcheinander und schwächt die, für den Menschen essentielle, Bestäubungsleistung. Mehr dazu in unserem Artikel.
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