Eiszeit-Lektion: Pflanzen halfen einst der Artenvielfalt – jetzt beschleunigen sie ihr eigenes Ende

Einst retteten Pflanzen der Eiszeit die Artenvielfalt. Nun könnten sie durch die Erderwärmung ungewollt ihr eigenes Aussterben beschleunigen.

Schwimmende Bohrplattform entnimmt Sedimentkerne aus einem See in Alaska – wertvolle Einblicke in vergangene Klimaveränderungen. © Alfred-Wegener-Institut / Weihan Jia

Eine schwimmende Bohrplattform entnimmt Sedimentkerne aus einem See in Alaska – wertvolle Einblicke in vergangene Klimaveränderungen. © Alfred-Wegener-Institut / Weihan Jia

Die Erde heizt sich auf, und mit ihr verschwinden immer mehr Pflanzenarten. Seit 1750 sind bereits rund 600 Spezies ausgestorben – doppelt so viele wie bei den Tieren. Doch welche Arten sind besonders betroffen? Und was bedeutet das für die Zukunft? Forscher des Alfred-Wegener-Instituts haben eine Zeitreise unternommen und herausgefunden, wie Pflanzen auf die Erwärmung am Ende der letzten Eiszeit reagierten. Ihre Ergebnisse helfen, die heutigen Veränderungen besser zu verstehen.

Eiszeit-Retter – Alte Pflanzen-DNA liefert neue Einblicke in das Artensterben

„Jeder weiß, dass Mammuts ausgestorben sind, aber kaum jemand spricht über die Pflanzen, die am Ende der letzten Eiszeit verloren gingen“, sagt Prof. Ulrike Herzschuh vom Alfred-Wegener-Institut. Dabei ist ihr Verschwinden mindestens genauso folgenschwer. Doch bisher fehlten geeignete Methoden, um Pflanzensterben in der Vergangenheit genau zu analysieren.

Nun konnten Forscher erstmals alte DNA aus Sedimentkernen von Seen in Alaska und Sibirien auswerten. Diese Proben enthalten Pflanzenreste, die bis zu 30.000 Jahre alt sind. In Laboren wurde die DNA angereichert, sequenziert und mit Datenbanken abgeglichen. So ließ sich nachverfolgen, welche Pflanzen wann verschwanden und welche blieben.

Wie sich Pflanzen in warmen Zeiten bekämpfen

Die Ergebnisse sind beunruhigend: In kalten Perioden unterstützen sich Pflanzen oft gegenseitig. In warmen Zeiten jedoch konkurrieren sie verstärkt um Lebensraum und Nährstoffe. „Wir fanden viele Polsterpflanzen in der Kaltzeit, die wahrscheinlich anderen Arten Schutz boten“, erklärt Herzschuh.

Doch mit steigenden Temperaturen breiten sich verholzte Pflanzen wie Sträucher und Bäume aus – auf Kosten der Artenvielfalt. Das ist heute bereits in der Arktis zu beobachten. Pflanzen, die einst überlebenswichtigen Schutz boten, könnten nun ungewollt ihr eigenes Verschwinden beschleunigen.

Was das für die Arktis bedeutet

Die Arktis erwärmt sich schneller als jede andere Region der Erde. Dadurch können sich hier sogar Bäume und Sträucher halten, die früher keine Chance gehabt hätten. „Polsterpflanzen, die einst andere Arten schützten, könnten jetzt deren Einwanderung begünstigen – und damit ihr eigenes Aussterben einleiten“, warnt Herzschuh.

Die Folgen sind gravierend: Die Vegetation der Arktis könnte sich grundlegend verändern. Damit würde auch der Lebensraum zahlreicher Tiere verschwinden, die an diese einzigartige Umwelt angepasst sind.

Welche Pflanzen haben die geringste Überlebenschance?

Am Ende der letzten Eiszeit verschwanden ganze Vegetationszonen, darunter die weit verbreitete Mammutsteppe. Besonders gefährdet waren Gräser und Sträucher – eine alarmierende Erkenntnis, denn genau diese Arten sind auch heute stark bedroht.

Überraschend war die Entdeckung, dass das größte Artensterben nicht direkt mit der Erwärmung einsetzte. „Oft vergingen mehrere tausend Jahre, bis die Umweltveränderungen voll durchschlugen“, so Herzschuh. Die heutige Erderwärmung dürfte ihre gravierendsten Auswirkungen also erst in der Zukunft entfalten.

Alte DNA zeigt, welche Pflanzen wir jetzt schützen müssen

Diese Erkenntnisse sind nicht nur für Forscher relevant, sondern auch für den Naturschutz. Sie liefern eine wissenschaftlich fundierte Grundlage dafür, welche Pflanzenarten besonders schutzbedürftig sind und wie künftige Vegetationsveränderungen besser eingeschätzt werden können.

„Unsere Studien zeigen, wie wichtig es ist, Biodiversität und ökologische Interaktionen langfristig zu verstehen, um die Folgen des Klimawandels abschätzen zu können“, resümiert Herzschuh. Die Erforschung alter DNA liefert wertvolle Hinweise darauf, wie sich unser Planet in den kommenden Jahrhunderten verändern könnte.

Kurz zusammengefasst:

  • Pflanzen unterstützten sich in kalten Klimaperioden gegenseitig, doch mit steigenden Temperaturen dominieren verholzte Arten, was die Artenvielfalt verringert.
  • Besonders Gräser und Sträucher sind durch die Erderwärmung gefährdet, während Baum- und Straucharten sich ausbreiten und ganze Vegetationszonen verändern.
  • Forscher des Alfred-Wegener-Instituts fanden heraus, dass das größte Artensterben oft erst Jahrtausende nach den Klimaveränderungen eintrat – heutige Eingriffe könnten also langfristige Folgen haben.

Bild: © Alfred-Wegener-Institut / Weihan Jia

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