Dominoeffekt der Zerstörung: Wie Naturgewalten sich unaufhaltsam verstärken

Naturkatastrophen lösen meist eine Kettenreaktion aus: So steigt nach einem Waldbrand laut einer neuen Studie auch das Risiko für Erdrutsche.

Dominoeffekt: Wie sich Naturkatastrophen verstärken

Waldbrände auf Long Island im März 2025: Brandflächen erhöhen das Risiko für spätere Erdrutsche und Überschwemmungen erheblich. © Wikimedia

Ein Waldbrand zerstört ganze Landstriche – Wochen später führen heftige Regenfälle zu Schlammlawinen. Nach einem Hurrikan drohen Erdrutsche, Fluten oder der Ausfall wichtiger Infrastruktur. Solche Kettenreaktionen sind keine Ausnahme, sondern typisch für einen Dominoeffekt nach Naturkatastrophen: Ein einzelnes Extremereignis kann neue, oft schwer berechenbare Gefahren nach sich ziehen. Forscher der University of Michigan koordinieren aktuell ein groß angelegtes Projekt, das Gemeinden helfen soll, sich besser auf diese verketteten Katastrophen vorzubereiten.

Auf Waldbrände folgen oft weitere Katastrophen

Als Beispiel für solchen Dominoeffekt bei Naturkatastrophen nennt die Studie die massiven Waldbrände, die im Winter 2025 in Südkalifornien tobten: Einen Monat, nachdem die Flammen bezwungen wurden, führten starke Regenfälle zu schweren Schlammlawinen. Die Geröllmassen blockierten Straßen und erhöhten das Risiko für künftige Überschwemmungen. Die durch die Brände zerstörte Vegetation und verschobenen Erdschichten veränderten die Landschaft nachhaltig.

Ein einzelnes Ereignis kann daher eine ganze Kette weiterer Katastrophen auslösen. „Solche Gefahren existieren nicht als einzelne, isolierte Phänomene“, sagt Marin Clark. Sie ist Professorin für Erd- und Umweltwissenschaften an der University of Michigan. 

Dieser erste Vorfall löst eine Kettenreaktion gefährlicher, miteinander verbundener Ereignisse aus.

Clark
Waldbrände liefern eines der bekanntesten Beispiele für verkettete Naturgefahren: Nach einem Feuer fließen Wasser und Geröll leichter Hänge hinunter, da sie kaum noch von der Vegetation aufgehalten werden. Quelle: University of Michigan
Waldbrände liefern eines der bekanntesten Beispiele für verkettete Naturgefahren: Nach einem Feuer fließen Wasser und Geröll leichter Hänge hinunter, da sie kaum noch von der Vegetation aufgehalten werden. Quelle: University of Michigan

Projekt CLaSH verknüpft Forschung und Praxis

Um solche Kettenreaktionen besser zu verstehen und frühzeitig zu erkennen, entstand das Projekt CLaSH. Das „Center for Land Surface Hazards Catalyst“ wurde als Pilotzentrum der National Science Foundation gegründet. Die University of Michigan leitet das Vorhaben. Ziel ist es, Grundlagenforschung und anwendbare Lösungen zu verbinden – und Gemeinden konkret zu helfen. Besonders nach Extremereignissen wie Erdbeben, Hurrikanen oder Dammbrüchen ist klar geworden, wie wenig über die langfristigen Folgewirkungen bekannt ist. Laut Clark liegt der Fokus bisher zu sehr auf dem ersten Ereignis, nicht aber auf dem, was danach passiert. CLaSH entwickelt deshalb neue Werkzeuge und Frühwarnsysteme, um das gesamte Risikobild zu erfassen.

Ein Beispiel liefert der Hurrikan Helene. Noch bevor der Sturm auf Land traf, warnte Brian Yanites, Geowissenschaftler an der Indiana University, seine Kollegen: „Das wird schlimm für die südlichen Appalachen.“ Tatsächlich löste Helene zahlreiche Erdrutsche und Überflutungen aus. Doch genaue Vorhersagen über Orte und Ausmaß waren nicht möglich. „Wir wussten, dass es viele Erdrutsche geben wird“, so Yanites. „Aber wir hatten keine wissenschaftlichen Instrumente, um zu sagen, wie viele oder wo genau.“ CLaSH will genau solche Lücken schließen – damit Behörden gezielter reagieren können.

Technologische Fortschritte helfen bei der Vorhersage. Satellitenbilder, Drohnenflüge und moderne Sensoren liefern Daten in hoher Auflösung. Die Forscher können so heutzutage nicht nur Katastrophen dokumentieren, sondern auch erkennen, welche Bedingungen vorher geherrscht haben. „Was wir heute mit Drohnen und Satelliten sehen, war vor fünf Jahren noch unvorstellbar“, sagt Dimitrios Zekkos von der University of California Berkeley. Diese Daten fließen in neue Computermodelle ein, die komplexe Risikoszenarien für ganze Regionen abbilden können.

Wie hängen einzelne Naturkatastrophen miteinander zusammen? Dies herauszufinden, ist das Ziel CLaSH-Projekts. Quelle: University of Michigan
Wie hängen einzelne Naturkatastrophen miteinander zusammen? Dies herauszufinden, ist das Ziel CLaSH-Projekts. Quelle: University of Michigan

Eine Gemeinde schützt sich vor zerstörerischen Erdrutschen

In Alaska zeigt sich, wie wichtig diese Arbeit für konkrete Orte ist. Die Gemeinde Klukwan liegt an steilen Hängen im Südosten des Bundesstaats. Dort lösen sich regelmäßig Fels- und Geröllmassen, die bei starkem Regen ins Tal rutschen. „Diese Murgänge sind wie Überschwemmungen – nur mit Felsen, Bäumen und Erde“, erklärt Josh Roering von der University of Oregon.

Die indigene Bevölkerung lebt dort seit Generationen mit der Gefahr. Doch der Klimawandel macht die Lage schwieriger. Mehr Regen und tauender Permafrost destabilisieren die Hänge zusätzlich. Roerings Team arbeitet zusammen mit der Gemeinde an Frühwarnsystemen und Schutzbauten. „Wir tun schon einiges, aber mit CLaSH könnten wir das auf ein neues Niveau bringen“, sagt er.

CLaSH vereint Experten aus ganz unterschiedlichen Fachgebieten. Über 600 Wissenschaftler sind bislang beteiligt – von Geologie bis Datenanalyse. Josh West von der University of Southern California ist überzeugt: „Das Besondere ist, dass die Summe unserer Zusammenarbeit mehr bewirkt als jede Einzelinitiative.“ Die Hoffnung: gefährdete Regionen besser schützen und das Risiko verketteter Naturkatastrophen deutlich senken.

Diese Arbeit kann kein Einzelner leisten. Wir brauchen die Perspektiven vieler Fachrichtungen, um diese komplexen Herausforderungen zu bewältigen.

Clark

Kurz zusammengefasst:

  • Naturkatastrophen lösen oft weitere Gefahren aus – diesen Dominoeffekt nennt man „verkettete Naturgefahren“.
  • Das Forschungsprojekt CLaSH unter Leitung der University of Michigan entwickelt neue Werkzeuge, um solche Kaskadeneffekte frühzeitig zu erkennen.
  • Moderne Technologien wie Drohnen und Satelliten helfen dabei, gefährdete Regionen besser zu schützen und gezielte Frühwarnsysteme aufzubauen.

Übrigens: In Deutschland arbeitet derzeit ein Team vom Max-Planck-Institut an einer KI, die präzise Vorhersagen zu Extremwetterphänomenen liefern soll. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Air Force Major Steven Turner, Air National Guard via Wikimedia unter Public Domain

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