Deutsche Studie: Krebszellen aushungern statt vergiften – ohne gesunde Zellen zu schädigen

Ein internationales Forschungsteam stoppt durch den Entzug eines Schlüsselproteins den Stoffwechsel aggressiver Tumore.

Neue Therapie: Krebszellen aushungern und Tumore schrumpfen.

Tumorzellen verlieren ihren Antrieb: Ohne das regulierende Protein bricht der Energiestoffwechsel zusammen – die Krebszellen sterben langsam ab (Symbolbild). © Vecteezy

Tumore brauchen enorm viel Energie, um zu wachsen. Wenn die Therapie nicht mehr wirkt und der Krebs weiter expandiert, zählt jeder neue Ansatz. Genau einen solchen haben Forscher der Universität des Saarlands, dem Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und Arbeitsgruppen aus Korea, Kanada und den USA nun entdeckt. Die Forscher setzen dabei nicht direkt beim Tumor an, sondern greifen dort an, wo er am verwundbarsten ist: beim Energiebedarf. Im Mittelpunkt der Studie steht ein bislang wenig beachtetes Protein, das Krebszellen am Leben hält: das Enzym PLK1. Es regelt die Zellteilung, bei gesunden wie bei kranken Zellen. Doch in vielen Tumoren ist das Enzym überaktiv. Das Problem: Medikamente, die PLK1 direkt blockieren, helfen Patienten kaum weiter.

Krebszellen verlieren ihre Kontrolle über Wachstum

PLK1 sorgt nicht nur dafür, dass sich Tumorzellen schnell teilen. Es macht sie auch genetisch instabil. So entstehen Zelltypen, die gegen Medikamente resistent sind. Genau das macht viele Krebsarten so gefährlich. Jahrelang versuchten Forscher, es direkt auszuschalten, jedoch ohne durchschlagenden Erfolg.

Die Saarbrücker Forscher suchten deshalb nach einer Schwachstelle des Enzyms. Gemeinsam mit Partnern aus Kanada, den USA und Korea fanden sie ein zweites Protein, das eng mit PLK1 zusammenarbeitet. Wenn man dieses blockiert, wird das Tumorwachstum ausgebremst.

Ein Nebenakteur wird zur Schwachstelle des Tumors

Das neu identifizierte Zielprotein wirkt im Hintergrund. Es regelt, welche Signale innerhalb der Krebszelle weitergegeben werden – darunter auch solche, die das zentrale Enzym aktivieren. „Das Protein ist ein Tumor-Unterstützer“, sagt Professor Martin Empting. „Hemmen wir es, wächst der Tumor langsamer. Er hört auf zu mutieren.“

In mehreren Versuchsreihen zeigten die Forscher: Wird das Zielprotein blockiert, bricht das gesamte System zusammen – es wird inaktiv. Der Tumor verliert seinen Antrieb und das ohne gesunde Zellen anzugreifen.

Alexandra K. Kiemer, Simon Both (Mitte) und Martin Empting (r.) kamen einer Schwachstelle von Tumoren auf die Spur: einem Protein, über das die Energieversorgung der Krebszellen angegriffen werden kann. © UdS/Ehrlich
Alexandra K. Kiemer, Simon Both (Mitte) und Martin Empting (r.) kamen einer Schwachstelle von Tumoren auf die Spur: einem Protein, über das die Energieversorgung der Krebszellen angegriffen werden kann. © UdS/Ehrlich

Wenn den Krebszellen der Treibstoff genommen wird

Krebszellen brauchen Energie, so wie gesunde Zellen. Dafür nutzen sie die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle. Das nun ins Visier genommene Protein steuert, dass diese Kraftwerke funktionieren. Wird es ausgeschaltet, bricht der Energiestoffwechsel der Krebszellen zusammen.

„Ohne das Protein bekommen die Tumorzellen keinen Treibstoff mehr“, erklärt Doktorand Simon Both, der an den Versuchen beteiligt war. Die Tumorzellen sterben langsam ab, nicht durch Gift, sondern durch Energieentzug. Ein Effekt, der für gesunde Körperzellen kaum spürbar ist.

Therapie trifft den Tumor genau dort, wo er verwundbar ist

Das besagte Protein entpuppte sich in der Studie als Achillesferse der Krebszelle. „Wir haben ein Ziel gefunden, das genau dort ansetzt, wo der Tumor besonders empfindlich ist“, sagt Alexandra K. Kiemer, Professorin für Pharmazeutische Biologie an der Universität des Saarlands und Mitautorin der Studie. Statt den Tumor direkt zu vergiften, nehmen die Forscher ihm das, was er zum Überleben braucht.

Gerade für Patienten mit aggressiven oder schlecht behandelbaren Krebsarten könnte das ein neuer Ausweg sein, auch wenn es bis zur klinischen Anwendung noch dauern wird.

Neue Medikamente treffen nur die gefährlichen Zellen

Die Forscher testeten auch Substanzen, die das Zielprotein gezielt blockieren. Das Ergebnis: Nur Tumorzellen mit hoher PLK1-Aktivität wurden geschädigt. Gesunde Zellen blieben intakt. Das macht den Ansatz so vielversprechend. „Das Ziel ist es, die Krebszellen selektiv zu treffen und gesunde Zellen zu schonen“, erklärt Empting. Eine Strategie, die gerade in der Krebstherapie enorm wichtig ist – und Hoffnung für viele bringt, die bisher kaum Behandlungsoptionen hatten.

Kurz zusammengefasst:

  • Viele aggressive Tumoren überproduzieren das Enzym PLK1, das Zellteilung und genetische Instabilität fördert. Eine direkte Hemmung des Enzyms zeigte in klinischen Studien jedoch nur geringe Wirksamkeit.
  • Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Universität des Saarlandes und des HIPS identifizierte ein zweites Protein, das PLK1 reguliert. Wird dieses gezielt blockiert, wird auch PLK1 abgeschaltet und der Energiestoffwechsel der Krebszellen bricht zusammen.
  • In Laborversuchen hemmte dieser indirekte Ansatz das Tumorwachstum deutlich, ohne gesunde Zellen zu schädigen. Der Angriff auf die „Kraftwerke“ der Krebszellen könnte eine neue Therapierichtung ermöglichen.

Übrigens: Neben neuen Therapieansätzen schreitet die Forschung auch in der Prävention von Krebs voran. Wer sich nachhaltig ernährt, kann das Risiko einer Erkrankung demnach deutlich senken. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Vecteezy

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert