Südlicher Ozean widerspricht allen Prognosen – Süßwasser hält das CO2 in der Tiefe fest
Neue Daten zeigen: Der Südliche Ozean bleibt eine starke CO2-Senke, obwohl Klimamodelle das Gegenteil erwartet hatten.

Trotz Klimawandel bleibt CO2 im Südlichen Ozean gebunden – doch die Barriere wird instabil. © Unsplash
Der Südliche Ozean rund um die Antarktis ist die größte CO2-Senke der Weltmeere – und damit ein entscheidender Puffer gegen die Erderwärmung. Kein anderes Meer speichert so viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Ohne diesen gewaltigen Klimahelfer wäre die globale Temperatur heute deutlich höher.
Doch genau dieser Mechanismus gibt Rätsel auf: Nach gängigen Klimamodellen müsste die Aufnahmefähigkeit des Südpolarmeers längst nachlassen. Steigende Temperaturen und stärkere Westwinde sollten dafür sorgen, dass CO2-reiches Tiefenwasser an die Oberfläche gelangt – und so die Speicherleistung des Meeres schwächt.
Trotzdem zeigen Langzeitmessungen das Gegenteil: Der Südliche Ozean nimmt weiter große Mengen CO2 auf. Warum, war bislang unklar. Eine neue Studie des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) liefert nun eine mögliche Erklärung – und deutet an, dass diese Stabilität nicht von Dauer sein könnte.
Wie eine unsichtbare Schutzschicht das CO2 bremst
Weltweit nehmen die Ozeane etwa ein Viertel der vom Menschen ausgestoßenen CO2-Mengen auf. Der Südliche Ozean allein schluckt rund 40 Prozent davon. Damit ist er ein zentraler Puffer im globalen Klimasystem.
Eigentlich müssten stärkere Westwinde – eine Folge des Klimawandels – CO2-reiches Tiefenwasser nach oben drücken. Das würde die Aufnahme von neuem CO2 aus der Atmosphäre bremsen. Doch dieser Effekt bleibt bislang aus.
Laut AWI-Studie liegt das an Veränderungen der oberen Meeresschicht: Regen und Schmelzwasser haben sie seit den 1990er-Jahren kälter und weniger salzig gemacht. Diese leichtere Schicht wirkt wie ein Deckel auf dem schwereren Tiefenwasser.
Studienleiterin Dr. Léa Olivier erklärt: „Das Tiefenwasser im Südlichen Ozean liegt normalerweise unterhalb von 200 Metern. Es ist salzhaltig, nährstoffreich und deutlich wärmer als das Wasser an der Oberfläche.“
CO2 reichert sich in neuen Tiefen an
Das Team wertete Daten von mehr als 1.100 Schiffsexpeditionen zwischen 1972 und 2021 aus. Ergebnis: Die obere Grenze des CO2-reichen Wassers liegt heute rund 40 Meter höher als noch in den 1990er-Jahren. Zwischen 100 und 200 Metern Tiefe stieg der CO2-Druck im Schnitt um 10 Mikroatmosphären, regional sogar um 17. Das CO2 kommt damit näher an die Oberfläche – bleibt aber bisher unter der salzarmen Schutzschicht eingeschlossen.
Diese stabile Schichtung hält nur, solange die Dichteunterschiede bestehen. Doch stärkere Winde könnten sie aufbrechen. Dann käme das angestaute CO2 an die Oberfläche – und in die Atmosphäre. „Das könnte sich jedoch wieder umkehren, wenn sich die Schichtung abschwächt“, warnt Olivier.

Warnzeichen mehren sich
Laut AWI gibt es Anzeichen dafür, dass CO2-reiches Tiefenwasser bereits nach oben gelangt. In dem Fall sinkt nicht nur die Aufnahmefähigkeit des Ozeans für neues CO2. Gleichzeitig würde auch altes, gespeichertes CO2 freigesetzt – ein doppelter Klimaeffekt.
„Was mich am meisten überrascht hat, war, dass wir die Antwort auf unsere Frage tatsächlich unter der Oberfläche gefunden haben“, sagt Olivier. „Wir dürfen uns nicht nur auf die Meeresoberfläche konzentrieren, weil wir sonst einen wichtigen Teil der Geschichte übersehen könnten.“
Neue Messungen sollen Klarheit bringen
Die Forscher vermuten, dass der Klimawandel bereits die Eigenschaften der Wasserschichten verändert. Besonders im Winter könnte es zu mehr Durchmischung kommen. Wenn der Südliche Ozean seine Rolle als CO2-Senke verliert, trifft das nicht nur die Antarktis. Die Folgen wären weltweit spürbar:
- Mehr CO2 in der Atmosphäre könnte die globale Erwärmung beschleunigen
- Der Meeresspiegel könnte schneller steigen
- Wetterextreme wie Stürme oder Hitzewellen könnten zunehmen
- Klimamodelle müssten neu berechnet werden
„Um nachzuweisen, ob in den letzten Jahren mehr CO2 aus der Tiefe entwichen ist, brauchen wir weitere Messungen – vor allem im Winter, wenn sich die Wassermassen besonders stark vermischen“, erklärt Prof. Alexander Haumann, Mitautor der Studie.
Daher plant das AWI neue Untersuchungen im Rahmen des Projekts Antarctica InSync, um die Entwicklung genau zu verfolgen.
Kurz zusammengefasst:
- Der Südliche Ozean ist eine zentrale CO2-Senke der Erde – er speichert große Mengen Kohlendioxid in der Tiefe und bremst damit die globale Erwärmung.
- Diese natürliche Barriere funktioniert nur, solange das salzarme Oberflächenwasser stabil bleibt; wird sie durch stärkere Winde oder Erwärmung geschwächt, kann das gespeicherte CO2 in die Atmosphäre entweichen.
- Kippt dieses Gleichgewicht, verliert der Ozean seine Schutzfunktion – mit Folgen für Temperaturen, Wetter und Meeresspiegel weltweit.
Übrigens: Die CO2-Senke im Südlichen Ozean ist nicht die einzige, die wankt. Auch im hohen Norden geraten die natürlichen Speicher aus dem Takt – mit globalen Folgen. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Unsplash