Antarktisches Bodenwasser als Klimaregler: So trug die Tiefsee zum Ende der letzten Eiszeit bei
Sedimentkerne zeigen: Als die Antarktis wärmer wurde, breitete sich Bodenwasser aus, lockerte die Schichtung – CO₂ stieg.
Während der letzten großen Erwärmungsphase vor rund 12.000 Jahren breitete sich das Antarktische Bodenwasser stark aus, verdrängte kohlenstoffreiches Tiefenwasser im Atlantik und setzte große Mengen CO₂ frei. © Vivek Mehra, OceanImageBank
Der Ozean ist der größte Kohlenstoffspeicher der Erde – und die Antarktis entscheidet mit, wie dicht dieser Speicher verschlossen bleibt. In der Tiefsee rund um den Südkontinent laufen Prozesse ab, die das Klima des gesamten Planeten schon einmal mit verändert haben. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das antarktische Bodenwasser: Es verteilt Sauerstoff in der Tiefe und prägt, wie stark der Ozean Kohlendioxid langfristig bindet.
Eine neue Studie in Nature Geoscience mit Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel rekonstruiert anhand von Sedimentkernen und Neodym-Spuren, wie sich dieses Bodenwasser in den letzten 32.000 Jahren verhalten hat. Das Ergebnis: Als die Antarktis am Ende der Eiszeit wärmer wurde, dehnte sich das Bodenwasser aus und veränderte die Schichtung des Südpolarmeers – zeitgleich mit markanten CO₂-Anstiegen in der Atmosphäre.
Das Meer unter dem Eis treibt das Klima an
Antarktisches Bodenwasser ist die kälteste und dichteste Wassermasse der Erde. Es entsteht, wenn sehr kaltes, salzreiches Wasser an den Küsten der Antarktis absinkt und in die Tiefe strömt. Von dort breitet es sich in andere Ozeanbecken aus und trägt dazu bei, die Tiefsee mit Sauerstoff zu versorgen.
Damit beeinflusst diese Strömung auch den Kohlenstoffhaushalt der Ozeane. Vereinfacht gesagt: Sie bestimmt mit, wie gut Kohlendioxid in der Tiefe „festgehalten“ bleibt – oder wie leicht Kohlenstoff aus dem Ozean wieder Richtung Oberfläche gelangt. Die Studie deutet darauf hin, dass dieser Mechanismus am Ende der letzten Eiszeit eine wichtige Rolle spielte.
32.000 Jahre Tiefseegeschichte entschlüsselt
Das Team um Huang Huang vom Laoshan Laboratory in Qingdao untersuchte neun Sedimentkerne aus dem atlantischen und indischen Sektor des Südlichen Ozeans. Die Proben stammen aus Tiefen zwischen 2.200 und 5.000 Metern. Aus ihnen lässt sich ablesen, welche Wassermassen früher über dem Meeresboden lagen.
Entscheidend war dabei das Element Neodym, das zu den Metallen der seltenen Erden gehört. „Gelöstes Neodym und sein isotopischer Fingerabdruck im Meerwasser sind ein sehr guter Indikator für die Herkunft einer Wassermasse in der Tiefsee“, erklärt Marcus Gutjahr vom GEOMAR.
Die Auswertung zeigt: In der Phase des Abschmelzens der Eisschilde vor etwa 18.000 bis 10.000 Jahren dehnte sich das antarktische Bodenwasser in zwei Schritten aus – und beide Schritte fielen mit Erwärmungsphasen in der Antarktis zusammen.

CO₂ aus der Tiefe: Warum die Strömung das Klima mitprägte
Während der letzten Eiszeit war das antarktische Bodenwasser stark zurückgedrängt. Große Teile des tiefen Südpolarmeers füllte stattdessen eine andere Wassermasse, das zirkumpolare Tiefenwasser. Nach Darstellung der Studie stammte ein erheblicher Anteil damals aus dem Pazifik und war besonders kohlenstoffreich, weil das Wasser lange relativ isoliert in der Tiefe zirkulierte und wenig Austausch mit der Oberfläche hatte.
Als die Antarktis wärmer wurde, veränderte sich die Struktur der Wassersäule. Das neu gebildete Bodenwasser hatte eine geringere Dichte, unter anderem weil Schmelzwasser den Salzgehalt senkte. Dadurch konnte es sich weiter ausbreiten und die Schichtung des Südpolarmeers schwächen.
In der Studie wird dieser Übergang mit Phasen verbunden, in denen der CO₂-Gehalt der Atmosphäre deutlich anstieg. Die Autoren formulieren den Zusammenhang vorsichtig: Die Umwälzung in der Tiefe könnte dazu beigetragen haben, dass Kohlenstoff aus dem Ozean leichter in Richtung Atmosphäre gelangte.
Was daran heute besonders interessant ist
In den vergangenen 50 Jahren hat sich das Südpolarmeer unterhalb von etwa 1.000 Metern Tiefe stärker erwärmt als andere Bereiche des globalen Ozeans. Zugleich gelangt durch die Eisschmelze mehr Süßwasser ins Meer. Beides verändert Dichte und Stabilität der Wasserschichten – also genau die Stellschrauben, die auch in der Rekonstruktion der Eiszeit eine Rolle spielen.
Gutjahr sagt: „Wenn wir wissen, wie der Ozean früher auf Erwärmung reagiert hat, verstehen wir besser, was heute passiert, wenn das Schelfeis der Antarktis weiter schmilzt.“ Die Studie verschiebt den Blick weg vom Nordatlantik und rückt die Tiefsee rund um die Antarktis als zentralen Taktgeber im Kohlenstoffkreislauf stärker in den Fokus.
Kurz zusammengefasst:
- Eine Studie liest neun Sedimentkerne wie ein Archiv und nutzt Neodym-Spuren als chemischen Herkunftsstempel, der zeigt, welche Tiefenwassermasse wo dominierte.
- Zwischen etwa 18.000 und 10.000 Jahren vor heute breitete sich antarktisches Bodenwasser in zwei Schüben aus, lockerte die Schichtung im Südpolarmeer und fiel mit deutlichen CO₂-Anstiegen in der Luft zusammen.
- Der Nordatlantik hatte dabei weniger Einfluss als oft vermutet; die Tiefsee rund um die Antarktis wirkte als wichtiger Regler dafür, ob Kohlenstoff im Ozean bleibt oder leichter entweicht.
Übrigens: Vor etwa 9.000 Jahren sorgte nicht sehr kaltes, sondern warmes Tiefenwasser dafür, dass antarktische Eisschelfe von unten schmolzen und eine große Schmelzphase in Gang kam. Forscher sehen heute ähnliche Signale wieder – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Vivek Mehra, OceanImageBank
