Angst vor Montag – Studie beweist erstmals Risiko, das selbst Rentner trifft
Ältere Menschen mit Montagsangst haben laut einer neuen Studie deutlich erhöhte Werte bei Stresshormonen – selbst Jahre nach dem Berufsende.

Montagsangst hinterlässt Spuren: Die Cortisolwerte steigen messbar und belasten langfristig Herz und Kreislauf. © Pexels
Montage haben keinen guten Ruf – und das nicht ohne Grund. Sie bedeuten nicht nur den Start in eine neue Arbeitswoche, sondern offenbar auch eine messbare Belastung für Herz und Kreislauf. Forscher der Universität Hongkong konnten jetzt in einer Studie zeigen: Wer Angst vor Montag hat, zeigt im Körper deutliche Stressspuren, die noch Monate später messbar sind. Das betrifft nicht nur Berufstätige, sondern auch Rentner – und könnte erklären, warum an diesem Tag so viele Herzinfarkte auftreten.
Der Montag als biologischer Stressverstärker
Seit Jahren belegen Statistiken: Montags häufen sich Herzinfarkte, plötzliche Herztode und sogar Unfälle. Die neue Analyse geht noch einen Schritt weiter. Sie untersucht, ob es einen klar nachweisbaren biologischen Mechanismus gibt, der den Wochenauftakt so besonders belastend macht.
Die Forscher werteten Daten von über 3500 Menschen ab 50 Jahren aus. Zunächst wurden sie gefragt, wie ängstlich oder gestresst sie sich am Vortag gefühlt hatten. Zusätzlich mussten sie angeben, welcher Wochentag das war.
Zwei Monate später folgte eine Haarprobe, um den Cortisolwert zu messen – ein Hormon, das zeigt, wie aktiv die HPA-Achse war, also das körpereigene Stress-Steuerungssystem aus Gehirn und Nebennieren, das bei Belastung Alarmhormone ausschüttet.
Das Ergebnis der Untersuchung:
- Wer montags Angst verspürte, wies rund 23 Prozent mehr Cortisol im Körper auf als Menschen, die an anderen Tagen Angst hatten.
- Dieser Unterschied zeigte sich sowohl bei Berufstätigen als auch bei Rentnern.
Haarproben zeigen Langzeiteffekte
Ein Vorteil der Haaranalyse: Sie erfasst nicht nur den Stress eines einzelnen Tages, sondern einen längeren Zeitraum. Da Haare etwa einen Zentimeter pro Monat wachsen, spiegelten die 2 bis 3 Zentimeter langen Proben in dieser Studie die Cortisolbelastung der letzten zwei bis drei Monate wider. Damit ließ sich zeigen, dass die Wirkung eines einzelnen, besonders belastenden Montags noch Wochen später nachweisbar ist.
Die Laboranalysen erfolgten an der Technischen Universität Dresden mit präzisen Hochleistungsmethoden. Die Messungen wurden in zwei Phasen (2015 und 2018) durchgeführt und gelten als verlässlich.
Angst vor Montag bleibt auch im Ruhestand bestehen
Der wohl überraschendste Befund: Die erhöhte Stressreaktion verschwand nicht nach dem Renteneintritt. Selbst wer keinen Arbeitsstress mehr hat, reagiert bei entsprechender Veranlagung weiter empfindlich auf den Wochenbeginn.
„Für manche ältere Erwachsene löst der Übergang in die neue Woche eine biologische Kaskade aus, die Monate anhält“, sagt Studienleiter Tarani Chandola. Diese Reaktion habe nichts allein mit Arbeit zu tun, sondern sei tief in der Stressphysiologie verankert.
Wenn das Stresssystem überdreht
Das Hormon Cortisol hilft kurzfristig, Stress zu bewältigen. Bleibt es jedoch über längere Zeit zu hoch, kann es krank machen und das Risiko erhöhen für:
- Bluthochdruck
- Übergewicht und Bauchfett
- Diabetes
- Fettstoffwechselstörungen
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Diese Fehlregulation findet man auch bei Depressionen oder anderen chronischen Stresszuständen. Der Montagseffekt könnte also langfristig zu einer erhöhten Krankheitslast beitragen.
Montag löst eigene Stressreaktion aus – weit mehr als nur häufiger Angst geschuldet
Das Team wollte wissen, ob die erhöhte Cortisolbelastung nur daher kommt, dass Menschen montags häufiger Angst empfinden – oder ob der Montag selbst die Reaktion verstärkt.
Mit einer statistischen Zerlegung des Effekts fanden sie heraus: Nur etwa ein Viertel des Cortisolanstiegs am Montag lässt sich damit erklären, dass an diesem Tag mehr Menschen Angst empfinden. Die restlichen drei Viertel bleiben bestehen, selbst wenn dieser Faktor herausgerechnet wird – was darauf hindeutet, dass der Montag selbst bei empfindlichen Personen eine stärkere körperliche Stressreaktion auslöst.
„Montage wirken wie ein kultureller Verstärker für Stress“, so Chandola. Offenbar ist der Beginn der Woche so tief im Lebensrhythmus verankert, dass er selbst ohne Jobverpflichtungen messbare Spuren hinterlässt.
Was das für die Gesundheit bedeutet
Die bekannten Spitzen von Herzinfarkten am Montag – in früheren Analysen rund 19 Prozent höher als an anderen Tagen – könnten teilweise auf diesen Stressmechanismus zurückgehen. Wer empfindlich reagiert, startet jede Woche mit einem biologischen „Stressschub“. Auf Dauer kann das Herz und Kreislauf belasten.
Mediziner sehen darin einen wichtigen Ansatzpunkt:
- Kliniken könnten montags mit einer höheren Zahl von Notfällen rechnen.
- Präventionsprogramme könnten gezielt auf die Stressreduktion am Wochenstart setzen.
Zwar kann die Beobachtungsstudie der Universität Hongkong keine eindeutige Ursache belegen, und auch unbekannte Einflüsse wie persönliche Krisen oder Krankheiten könnten die Ergebnisse mitbestimmen. Doch die Untersuchung stützt sich auf viele Teilnehmer aus unterschiedlichen Lebenssituationen – vom Berufstätigen bis zum Ruheständler – und erfasst deren Stressbelastung über mehrere Monate hinweg.
Der Montag dürfte damit für viele mehr als nur ein ungeliebter Wochentag sein – er wirkt wie ein stiller, wiederkehrender Belastungstest für den Körper
Kurz zusammengefasst:
- Menschen mit Angst vor Montag haben laut einer neuen Studie im Schnitt 23 Prozent höhere Cortisolwerte – ein Zeichen für chronischen Stress.
- Dieser Effekt bleibt auch im Ruhestand bestehen und betrifft damit Berufstätige und Rentner gleichermaßen.
- Dauerhaft erhöhte Cortisolwerte steigern das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes und Stoffwechselstörungen.
Übrigens: Immer mehr Menschen aus der Generation X rechnen damit, im Ruhestand weiterarbeiten zu müssen – und orientieren sich dabei an der Gen Z. Warum Nebenjobs im Alter längst mehr sind als nur ein Notnagel, mehr dazu in unserem Artikel.
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