WLAN erkennt den Puls – kontaktlos, unsichtbar und präziser als viele Smartwatches

WLAN-Signale können den Herzschlag erkennen – ganz ohne Sensor am Körper. Die Technik funktioniert selbst durch Wände hindurch.

WLAN misst den Puls – präziser als viele Smartwatches

Puls messen wie seit Jahrhunderten – mit den Fingern am Handgelenk. Doch künftig könnte das WLAN im Raum übernehmen. © DALL-E

Puls messen steht in Pflegeheimen, Kliniken, aber auch in vielen Privathaushalten an der Tagesordnung. Doch meist sind dafür Geräte nötig, die am Körper getragen werden müssen. Eine neue Methode nutzt stattdessen das ohnehin vorhandene WLAN – und misst den Puls kontaktlos, unauffällig und erstaunlich präzise.

Die Forscher der University of California, Santa Cruz entwickelten dafür ein System, das minimale Veränderungen im WLAN-Signal erkennt – ausgelöst durch die Bewegung des Brustkorbs beim Herzschlag. Ein lernfähiger Algorithmus filtert diese feinen Schwankungen aus der Vielzahl anderer Signalstörungen heraus.

Herzfrequenz erkennen, ohne den Körper zu berühren

Das Prinzip klingt technisch, beruht aber auf einer klaren physikalischen Grundlage: Wenn WLAN-Signale einen Raum durchqueren, verändern sie sich, sobald sie auf Objekte treffen – auch auf Menschen. Selbst minimale Bewegungen wie der Pulsschlag erzeugen messbare Veränderungen im Funksignal.

Diese Veränderungen lassen sich mit der richtigen Software auswerten. Die Forscher trainierten dafür ein neuronales Netz, das aus all den Störungen und Nebengeräuschen genau jene winzigen Signale erkennt, die vom Herzschlag stammen.

„Die Herausforderung war, aus all dem Rauschen im Signal genau das zu isolieren, was der Puls ist“, erklärte Nayan Bhatia, einer der Entwickler.

Puls messen mit WLAN – selbst durch Wände

Die Methode funktionierte in Tests unter verschiedenen Bedingungen. 118 Personen wurden in verschiedenen Positionen gemessen – stehend, liegend, gehend. Der Abstand zwischen Person und Gerät betrug teils bis zu drei Meter. Auch Türen, Möbel oder Wände beeinträchtigten die Erkennung kaum.

Besonders wichtig: Die Position im Raum spielte keine Rolle. Das System reagierte zuverlässig auf den Herzschlag – selbst wenn sich die Person bewegte oder nicht direkt in Sichtlinie zum Gerät stand.

WLAN-Signale verändern sich bei jedem Herzschlag – eine neue Methode macht diese feinen Schwankungen für die medizinische Diagnostik nutzbar. © Erika Cardema/UC Santa Cruz
WLAN-Signale verändern sich bei jedem Herzschlag – eine neue Methode macht diese feinen Schwankungen für die medizinische Diagnostik nutzbar. © Erika Cardema/UC Santa Cruz

Günstige Technik, vielfältige Anwendungsmöglichkeiten

Technisch gesehen benötigt das System nur einfache WLAN-Hardware wie das ESP32-Modul (etwa 10 Euro) oder einen Raspberry Pi (etwa 30 Euro). Damit ist es deutlich günstiger als viele kommerzielle Gesundheitsgeräte – bei vergleichbarer oder sogar höherer Genauigkeit.

Die möglichen Einsatzgebiete sind breit gefächert. Besonders relevant ist die Methode für:

  • Pflegeeinrichtungen: Vitaldaten können kontinuierlich erfasst werden – ohne zusätzliche Belastung für Pflegekräfte.
  • Ambulante Versorgung: Chronisch erkrankte oder ältere Menschen müssen keine Geräte mehr tragen.
  • Schlafdiagnostik: Auch in der Nacht kann die Herzfrequenz diskret überwacht werden.

Keine Kameras, keine Sensoren – mehr Privatsphäre

Im Unterschied zu Überwachung per Kamera oder Mikrofon bleibt bei der WLAN-Messung die Privatsphäre vollständig gewahrt. Es werden keine Bilder oder Töne aufgezeichnet – nur die Veränderungen des Funksignals analysiert.

Das macht die Methode besonders geeignet für sensible Umgebungen wie Pflegeheime oder Wohnräume. Die Datenverarbeitung erfolgt lokal und ist technisch anonymisierbar – ein Vorteil gegenüber vielen bestehenden Systemen.

„Wir wollten zeigen, dass die Methode alltagstauglich ist – unabhängig davon, wie jemand wohnt oder sich bewegt“, sagte der beteiligte Forscher Pranay Kocheta.

Nächster Schritt: Auch Atemfrequenz soll messbar werden

Das Forschungsteam arbeitet bereits daran, die Technik weiter auszubauen. In Zukunft soll nicht nur die Herzfrequenz, sondern auch die Atmung überwacht werden – etwa zur Erkennung von Schlafapnoe oder Atemstillständen in der Nacht.

Um das System zu entwickeln, mussten die Forscher eigene Datensätze erheben. In einer Universitätsbibliothek installierten sie WLAN-Sensoren und verglichen deren Daten mit klassischen Pulsoximetern. So lernte das System, welche Signalveränderungen mit welchem Pulswert übereinstimmen.

Zusätzlich nutzten sie ein Datenset aus Brasilien, das mit einem Raspberry Pi erstellt wurde – bislang das umfangreichste bekannte WLAN-basierte Herzmonitoring-Datenset. Die Kalifornier konnten damit zeigen, dass ihre Technik auch unter anderen Bedingungen funktioniert.

Kurz zusammengefasst:

  • WLAN-Signale lassen sich nutzen, um den Puls präzise zu erfassen – ohne direkten Körperkontakt.
  • Die Technik funktioniert mit günstiger Hardware, durch Wände und bei Bewegung – getestet an 118 Personen.
  • Einsatzmöglichkeiten bestehen in Pflege, Schlafdiagnostik und ambulanter Überwachung – mit deutlich mehr Privatsphäre als bei Kamerasystemen.

Übrigens: Nicht nur WLAN-Signale können Herzaktivität erkennen – auch ein KI-Stethoskop liefert in Sekunden Hinweise auf ernste Herzkrankheiten. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

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