Wie eine einfache Straßenbeschichtung Städte um mehrere Grad abkühlen kann
In Philadelphia senkte eine spezielle Straßenbeschichtung die Asphalttemperatur um rund fünf Grad – ein Modell für hitzegeplagte Städte.

In Philadelphia erproben Studenten eine neue Straßenbeschichtung, die Asphaltflächen spürbar abkühlen soll. © University of Pennsylvania
Extreme Hitze ist längst kein Thema mehr nur für Wüstenregionen. Auch deutsche Städte wie Frankfurt, Köln oder Berlin kämpfen zunehmend mit gefährlichen Hitzetagen. Beton, Asphalt und Pflaster speichern Sonnenenergie, erhitzen sich tagsüber auf über 60 Grad und geben die Wärme nachts wieder ab.
Die Folge: Städte kühlen kaum noch ab. Für viele Menschen ist das lebensbedrohlich – vor allem für ältere, kranke oder sozial benachteiligte Gruppen, die in schlecht gedämmten Wohnungen leben.
In Philadelphia erprobt ein Team von Ingenieurstudenten nun eine Straßenbeschichtung gegen Hitze, die Stadtviertel spürbar abkühlen kann – ein Ansatz, der auch für Deutschland interessant ist.
Studenten testen reflektierende Straßenbeschichtung gegen Hitze
Unter Leitung der University of Pennsylvania testeten die Ingenieurstudentinnen Nafisa Bangura und Angelica Dadda eine spezielle Straßenbeschichtung namens „CoolSeal“. Sie reflektiert Sonnenlicht, statt es wie herkömmlicher Asphalt zu speichern. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung von Philadelphia trugen sie das Material im Stadtteil Hunting Park auf – einem Viertel, das besonders stark von Hitze betroffen ist.
Im Sommer 2024 besuchte das Team mehrmals den Standort und verglich die Temperaturunterschiede zwischen beschichteten und unbeschichteten Straßenabschnitten. Dabei maßen sie Oberflächen-, Luft- und Strahlungstemperaturen sowie Wind und Luftfeuchtigkeit zu verschiedenen Tageszeiten. Das Ergebnis war deutlich: Die beschichteten Flächen waren im Durchschnitt rund 9,2 Grad Fahrenheit (etwa 5 Grad Celsius) kühler als der unbehandelte Asphalt.
Diese Differenz kann im städtischen Mikroklima einen spürbaren Unterschied machen. Schon ein paar Grad weniger können darüber entscheiden, ob Menschen im Sommer noch schlafen können, ob Asphalt weich wird oder ob sich Feinstaub und Ozon verstärkt bilden.
Erste Nachweise auch für feuchte Klimazonen
Bislang gab es vergleichbare Tests nur aus Wüstenregionen wie Phoenix, Arizona. Dort zeigte CoolSeal ebenfalls messbare Temperaturvorteile. Der Versuch in Philadelphia ist jedoch der erste, der die Wirksamkeit in einem feuchten, gemäßigten Klima nachweist – also unter Bedingungen, die auch in Mitteleuropa herrschen.
„Wir haben die größten Temperaturunterschiede während einer Hitzewelle gemessen“, sagt Bangura. Das deutet darauf hin, dass CoolSeal vor allem dann effektiv ist, wenn es besonders heiß wird – also genau dann, wenn Städte am stärksten entlastet werden müssen.
Ihr Kommilitone Dylan York ergänzte das Projekt um Laboruntersuchungen. Dabei entwickelte er Methoden, um die Zusammensetzung der Beschichtung zu verbessern und deren Haltbarkeit zu erhöhen.
Härtetest für Frost und Feuchtigkeit
In der nächsten Phase prüfen die Forscher, wie widerstandsfähig die Beschichtung bei Regen, Frost und Temperaturschwankungen bleibt. In sogenannten „Freeze-Thaw“-Zyklen simulieren sie typische Winterbedingungen Philadelphias. Nur wenn die Beschichtung solchen Belastungen standhält, kann sie langfristig in Städten eingesetzt werden, die von Temperaturschwankungen und hoher Luftfeuchtigkeit geprägt sind.
Professor Russell Composto, der das Projekt wissenschaftlich begleitet, ist der Meinung, durch ein besseres Verständnis der Wirksamkeit solcher Beschichtungen könne die Stadt viel Geld sparen.
Die Ergebnisse sollen in die Stadtplanung einfließen. Philadelphia prüft bereits, ob sich CoolSeal für breitere Straßenabschnitte eignet und ob eine zweite Schicht, wie vom Hersteller empfohlen, die Wirkung verstärkt.
Modell für Städte weltweit
Das Projekt hat auch politische Bedeutung. Denn viele Kommunen suchen derzeit nach kostengünstigen Wegen, um die Folgen der Klimaerwärmung abzufedern. Anders als teure Begrünungsmaßnahmen oder großflächige Umbauten lassen sich reflektierende Beschichtungen vergleichsweise schnell aufbringen – etwa bei Sanierungen oder Neubelägen.
Dadda sieht in der Methode eine flexible Lösung: „Je nach Ziel – ob man die Oberflächentemperatur senken oder den thermischen Komfort für Fußgänger erhöhen will – könnten Städte individuell entscheiden, ob CoolSeal sinnvoll ist.“
Warum das auch für Deutschland wichtig ist
In Deutschland hat die Zahl der Hitzetage seit den 1950er-Jahren stark zugenommen. Laut Umweltbundesamt sterben inzwischen jedes Jahr Tausende Menschen an den Folgen extremer Hitze. Besonders betroffen sind dicht bebaute Stadtviertel mit wenig Grünflächen.
Reflektierende Straßen könnten Teil eines umfassenden Anpassungspakets sein – neben mehr Bäumen, begrünten Dächern und offenen Wasserflächen. Das Beispiel Philadelphia zeigt, dass selbst studentische Projekte einen Beitrag leisten können, wenn Wissenschaft und Stadtverwaltung zusammenarbeiten.
Kurz zusammengefasst:
- Eine reflektierende Straßenbeschichtung wie CoolSeal kann Asphaltflächen in Städten um etwa 5 Grad Celsius abkühlen und so Hitze mindern.
- Die Tests in Philadelphia zeigen erstmals, dass das Verfahren auch in feuchten Klimazonen funktioniert – also unter Bedingungen ähnlich wie in Deutschland.
- Solche Beschichtungen könnten künftig ein kostengünstiger Baustein kommunaler Strategien gegen urbane Überhitzung und hitzebedingte Gesundheitsrisiken werden.
Übrigens: Auch in der Bauindustrie entstehen neue Wege gegen Hitze. Ein innovativer Beton reflektiert fast das gesamte Sonnenlicht und hält Gebäude dadurch um mehr als fünf Grad kühler – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © University of Pennsylvania