Laserfusion liefert mehr Energie als je zuvor – US-Forscher erzielen neuen Rekord bei der Kernfusion
US-Forscher erzielen bei einem Laserexperiment einen neuen Rekord: 8,6 Megajoule Energie durch kontrollierte Kernfusion.

Die Vorverstärker der National Ignition Facility sorgen dafür, dass die Laserstrahlen genug Energie erhalten, bevor sie das Ziel treffen. © Wikimedia
Die National Ignition Facility (NIF) in Kalifornien hat einen neuen Rekord bei der kontrollierten Kernfusion erreicht. In einem aktuellen Versuch erzeugten die Forscher 8,6 Megajoule Energie – ein neuer Rekord für das einzige Experiment weltweit, das unter Laborbedingungen einen Netto-Energiegewinn erzielt hat.
Bereits im Februar hatte das Team 5,2 Megajoule gemessen, bei einer Eingangsleistung von 2,2 Megajoule. Damit wurde mehr als doppelt so viel Energie gewonnen, wie direkt in den Brennstoff eingebracht wurde. Die neuen Werte übertreffen auch das erste erfolgreiche Experiment vom Dezember 2022 deutlich, bei dem 3,15 Megajoule erzielt wurden.
Rekord bei Kernfusion – Forscher steigern Energieausbeute deutlich
Zum Einsatz kommt ein sogenanntes Trägheitsfusionsexperiment. Dabei wird eine winzige Kugel aus den Wasserstoff-Isotopen Deuterium und Tritium verwendet – zwei schwere Varianten des Wasserstoffs, die sich besonders gut für Fusionsreaktionen eignen. Diese Kugel ist nur wenige Millimeter groß, hat eine diamantähnliche Hülle und liegt in einem goldbeschichteten Zylinder, dem sogenannten Hohlraum.
In einem zehn Meter großen Vakuumraum feuern 192 Hochleistungslaser gleichzeitig auf das Ziel. Die gebündelte Energie bringt die Hülle zum Platzen und komprimiert den Brennstoff im Inneren auf extrem hohe Dichte und Temperatur – so lange, bis die Atomkerne miteinander verschmelzen. Dabei entsteht Helium, und es wird enorme Hitze freigesetzt.
Der Begriff Trägheitsfusion erklärt sich dabei durch folgendes Prinzip: Die winzige Brennstoffkapsel bleibt durch ihre eigene Masseträgheit – also durch das kurzzeitige Verharren in der komprimierten Form – stabil genug, damit die Fusionsreaktion einsetzen kann. Alles geschieht innerhalb weniger Billionstel Sekunden. Anders als bei magnetischer Fusion, die auf lang anhaltende Kontrolle setzt, basiert Trägheitsfusion auf ultrakurzen, hochenergetischen Impulsen – die sich beliebig oft wiederholen lassen.
Laser trifft Brennstoff – Reaktion startet in Sekunden
Die Versuche zeigen, dass die sogenannte „netto-positive Fusion“ mehrfach gelingt. Das bedeutet: Die direkt auf den Brennstoff übertragene Energie ist geringer als die Energie, die bei der Fusion freigesetzt wird. Die erste erfolgreiche Reaktion im Jahr 2022 war ein weltweites Novum. Seitdem steigert das Team systematisch die Ausbeute.
Wichtig zu wissen: Die gesamte NIF-Anlage benötigt ein Vielfaches der erzeugten Energie. Allein die Lasersysteme verbrauchen rund 300 Megajoule. Bis sich die Technik also für die Stromerzeugung eignet, sind noch große technische Herausforderungen zu bewältigen.
Rekord bei Kernfusion bleibt ein Forschungserfolg
Trotz des enormen Aufwands wächst das Interesse an der Trägheitsfusion. Neben staatlichen Einrichtungen arbeiten inzwischen auch Start-ups wie Xcimer Energy oder Focused Energy an ähnlichen Konzepten. Im Vergleich dazu haben Experimente mit magnetischer Fusion – etwa in Tokamaks – bisher keinen Netto-Energiegewinn erzielt.
Ein Forscher mit Kenntnis der Experimente sagte gegenüber TechCrunch: „Das zeigt, dass kontrollierte Kernfusion kein hypothetisches Konzept mehr ist.“ Die wiederholten Erfolge könnten langfristig den Weg zu einer CO2-freien Energieversorgung ebnen – wenn auch nicht sofort.
Fortschritte wecken Hoffnung – alltagstauglich ist die Technik noch nicht
Die National Ignition Facility hat innerhalb weniger Jahre gleich mehrere Rekorde aufgestellt – und dabei gezeigt, dass kontrollierte Kernfusion tatsächlich mehr Energie freisetzen kann, als direkt in den Brennstoff eingebracht wird.
Kernfusion – Die wichtigsten Meilensteine zum aktuellen Rekord:
- 5. Dezember 2022:
Eingesetzte Laserenergie: 2,05 Megajoule
Fusionsenergie: 3,15 Megajoule
→ Erster Netto-Energiegewinn weltweit - 30. Juli 2023:
Eingesetzte Laserenergie: 2,05 Megajoule
Fusionsenergie: 3,88 Megajoule
→ Bis dahin höchste Ausbeute - Februar 2024:
Eingesetzte Laserenergie: 2,2 Megajoule
Fusionsenergie: 5,2 Megajoule
→ Deutlich gesteigerte Ausbeute - Mai 2025:
Eingesetzte Laserenergie: nicht veröffentlicht
Fusionsenergie: 8,6 Megajoule
→ Aktueller Rekordwert
Zum Vergleich: 1 Megajoule entspricht etwa der Energiemenge, die benötigt wird, um 1 Liter Wasser um 240 °C zu erhitzen. Die Temperatur im Fusionsbrennstoff liegt bei über 120 Millionen Grad Celsius – weit höher als im Sonneninneren.
Nächtlicher Anruf, kleiner Stern: So sah der Durchbruch wirklich aus
Was bei der ersten Zündung im Dezember 2022 genau geschah, schildert Dave Schlossberg vom Lawrence Livermore National Laboratory nun in einem Interview mit Innovations Newsnetwork. Der Experimentalphysiker war direkt beteiligt – als Forscher und als Beobachter in einer ganz besonderen Nacht.
„Ich habe die Person, die das Experiment leitete, angerufen und gesagt, dass ich schlafen gehe – sie solle mich anrufen, falls etwas Interessantes passiert“, erzählt Schlossberg. Um 2 Uhr früh klingelte das Telefon. Wenig später blickte er auf erste Daten, die zeigten, dass die Zündung gelungen war.
Mini-Stern im Labor – und eine neue Generation von Fusionsplänen
Seitdem hat sein Team die Zündung mehrfach wiederholt – zum Teil mit weniger Energieeinsatz und höherem Ertrag. Das Verhältnis von eingesetzter zu gewonnener Energie liegt laut Schlossberg inzwischen bei über vier.
Die Ziele sind ehrgeizig: Noch effizientere Implosionen, neue Laseranlagen mit mehr Leistung, besserer Schutz vor Neutronenschäden. Parallel läuft die Entwicklung eines erweiterten Systems, das künftig mehr Energie in die Reaktion einspeisen soll – ein Schritt hin zur kommerziellen Nutzung.
Für Schlossberg ist das alles mehr als nur Forschung: „Ich leite ein Team, das mit einem der energiereichsten Lasersysteme der Welt experimentiert, eine kleine Sonne für 100 Billionstel Sekunden erzeugt – und dabei herausfindet, wie unser Universum funktioniert.“
Kurz zusammengefasst:
- Die National Ignition Facility in den USA hat bei einem Laserfusionsexperiment erstmals 8,6 Megajoule Energie freigesetzt – mehr als doppelt so viel wie in den Brennstoff eingebracht wurde.
- Grundlage ist die Trägheitsfusion: Eine winzige Brennstoffkapsel aus Deuterium und Tritium wird durch 192 Laser auf über 120 Millionen Grad erhitzt und komprimiert, bis Kernfusion einsetzt.
- Seit dem ersten Netto-Energiegewinn 2022 steigern die Forscher regelmäßig die Ausbeute – bis zur Stromproduktion im Alltag ist es aber noch ein weiter Weg.
Übrigens: Während Forscher in den USA Mini-Sterne zünden, wollen Kollegen am KIT das Gewicht von „Geisterteilchen“ bestimmen – mit der präzisesten Waage der Welt. Wie winzige Neutrinos helfen könnten, die größten Rätsel des Universums zu lösen – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Lawrence Livermore National Laboratory via Wikimedia unter CC BY-SA 3.0