Fenster putzen war gestern – Selbstreinigendes Glas setzt auf Strom statt Schwamm
Fenster, die sich selbst reinigen: Ein neues Glas entfernt Schmutz mit Strom – ganz ohne Wasser, Wischen oder chemische Reiniger.

Nie wieder schrubben oder nachpolieren: Selbstreinigendes Glas entfernt Staub in Sekunden und schützt dauerhaft vor neuer Verschmutzung. © DALL-E
Fenster putzen, Solarpanels reinigen, Windschutzscheiben säubern – Glasflächen im Alltag sauber zu halten, ist mühsam, teuer und oft alles andere als nachhaltig. Vor allem in heißen, staubigen Regionen führt selbst eine dünne Schmutzschicht dazu, dass Photovoltaikanlagen deutlich weniger Strom erzeugen. Ein Forschungsteam der Zhejiang University hat nun eine Lösung vorgestellt, die ohne Wasser, ohne Chemie und ohne Putzaufwand auskommt: selbstreinigendes Glas, das Staub mit elektrischer Spannung entfernt – laut Studie in nur wenigen Sekunden.
Selbstreinigendes Glas: Schmutz springt durch Strom von der Scheibe
Im Glas sitzen durchsichtige Elektroden, die bei Stromzufuhr ein elektrisches Feld erzeugen. Dieses Feld bringt Staubpartikel in Bewegung. Die Teilchen lösen sich von der Oberfläche, stoßen sich ab oder springen sogar in die Luft. Der Effekt ist so stark, dass sich fast die gesamte Verschmutzung entfernt.
Die Forscher sprechen von einer „doppelten Rolle der Coulomb-Kraft“ – sie treibt die Teilchen an und wirkt zugleich als Widerstand. Je nach Lage und Größe der Partikel ergibt sich ein Bewegungsmuster, das an Tanz erinnert: mal gleiten die Teilchen, mal hüpfen sie.
Die Selbstreinigung nutzt mehrere physikalische Effekte:
- Coulomb-Kraft: zieht oder stößt geladene Teilchen ab
- Dielektrophorese: bewegt Teilchen in inhomogenen Feldern
- Zusätzliche Kräfte: Reibung, Luftwiderstand, Gravitation, Van-der-Waals-Kräfte
Die Teilchen bewegen sich zunächst entlang der Oberfläche, kehren dann ihre Richtung um oder springen plötzlich ab. Je nach Feldstärke entstehen verschiedene Bewegungsmuster – von sanftem Gleiten bis zum vollständigen Absprung.
Reinigung in Sekunden – Wirkung bleibt erhalten
Tests zeigen: Auf stark verschmutzten Flächen entfernt das Glas in vier Sekunden rund 98 Prozent des Schmutzes. Auf Solarmodulen mit 100 Gramm Staub pro Quadratmeter stieg der Wirkungsgrad nach der Reinigung um 88 Prozent – nahezu auf den Ausgangswert.
Auch die Lichtdurchlässigkeit bleibt fast unverändert. Die transparenten ITO-Elektroden verringern den Lichteinfall nur um 1,3 Prozent, die PET-Schutzfolie um weitere 1,6 Prozent – vor allem im infraroten Bereich. Sichtbares Licht, das für Solarstrom entscheidend ist, gelangt nahezu ungehindert durch.
Elektrofeld hält neue Verschmutzung fern
Ein aktives Feld verhindert nicht nur Ablagerungen – es schützt auch vor neuer Verschmutzung. Laut Studie setzen sich bis zu 90 Prozent weniger Staubpartikel ab, wenn das Feld dauerhaft eingeschaltet bleibt. Die Partikel ändern bereits in der Luft ihre Flugbahn.
Die Studienautoren versichern:
Die selbstreinigende Glasabdeckung kann auf beliebige Oberflächen aufgebracht werden, ohne deren Funktion zu beeinträchtigen.
Geeignet ist sie daher nicht nur für Solaranlagen, sondern auch für Fensterflächen, Windschutzscheiben oder Glasdächer.
Standardmaterialien ermöglichen Serienfertigung
Das Glas besteht aus Quarz, beschichtet mit transparentem Indium-Zinn-Oxid. Eine dünne PET-Folie schützt vor elektrischem Durchschlag. Die Elektroden sind zwei Millimeter breit und liegen ebenfalls zwei Millimeter auseinander. Die Herstellung erfolgt durch Laserätzen und das Aufbringen der Folie – gängige Verfahren, die sich für die Massenproduktion eignen. Die eingesetzten Materialien gelten als kostengünstig und bereits industriell etabliert.
Die Methode kommt ohne Wasser, ohne Chemikalien und mit minimalem Energieverbrauch aus. Der Wartungsaufwand sinkt deutlich, der Energieertrag etwa von Solaranlagen steigt.
Kurz zusammengefasst:
- Selbstreinigendes Glas entfernt bis zu 98 Prozent des Staubs in wenigen Sekunden mithilfe elektrischer Felder – ganz ohne Wasser oder Chemikalien.
- Die Technik bewahrt die Lichtdurchlässigkeit fast vollständig und schützt Oberflächen dauerhaft vor neuer Verschmutzung.
- Hergestellt aus kostengünstigen Standardmaterialien lässt sich das Glas industriell produzieren und auf Fenster, Solarpanels oder Fahrzeugverglasung anwenden.
Übrigens: In trockenen Sommern wächst unter Solaranlagen oft mehr Gras als daneben – dank Schatten und besserer Bodenfeuchte. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © DALL-E