Winzige Moleküle könnten das Netz verändern – erster Schritt zum echten Quanteninternet gelingt

Forscher koppeln erstmals molekulare Qubits mit Licht aus Glasfasern – ein wichtiger Schritt hin zu sicherem Quanteninternet.

Molekulare Qubits bringen das Quanteninternet ins Glasfasernetz

Erbium-Moleküle funken auf Glasfaserfrequenzen – Forscher sehen darin den Schlüssel zum Quanteninternet (Symbolbild). © Midjourney

Ein winziges Molekül könnte verändern, wie wir in Zukunft kommunizieren. Forscher der University of Chicago und der University of California in Berkeley haben erstmals gezeigt, dass Quantenbits – also die kleinsten Informationseinheiten in Quantencomputern – mit denselben Lichtfrequenzen arbeiten können, die in heutigen Glasfasernetzen verwendet werden.

Damit rückt ein Ziel näher, an dem Wissenschaft und Technologie seit Jahren arbeiten: ein globales Quanteninternet, das abhörsichere Kommunikation und blitzschnelle Datenübertragung ermöglicht – auf Basis der Infrastruktur, die schon existiert.

Bislang war das größte Hindernis für den Aufbau solcher Netze die fehlende Verbindung zwischen Quantenbits und den Frequenzen, die für Telekommunikation genutzt werden. Denn Quanteninformation wird meist in magnetischen Zuständen gespeichert, während Internetdaten in Lichtwellen übertragen werden. Das neue Konzept schließt diese Lücke – mit Molekülen, die beide Welten verbinden.

Molekulare Qubits bauen Brücke zum Quanteninternet

Im Zentrum der Entwicklung steht ein Molekül, das das seltene Element Erbium enthält. Es kann sowohl Licht sehr präzise aufnehmen und abgeben als auch auf Magnetfelder reagieren. Dadurch lassen sich Informationen in einem magnetischen Zustand speichern und über Lichtimpulse auslesen – und zwar genau in dem Frequenzbereich, der in Glasfasernetzen zum Einsatz kommt.

„Diese Moleküle können als nanoskopische Brücke zwischen der Welt des Magnetismus und der Welt des Lichts dienen“, sagt Leah Weiss von der University of Chicago. Damit sei es möglich, Quanteninformation direkt mit den bestehenden Telekommunikationssystemen zu verknüpfen – ein entscheidender Schritt hin zu skalierbaren Quantennetzwerken.

Was das Quanteninternet vom heutigen Netz unterscheidet

Das klassische Internet überträgt Daten in Form von elektrischen oder optischen Signalen – also Bits, die nur zwei Zustände kennen: 0 oder 1. Diese Signale werden über Glasfaserkabel, Router und Server weitergeleitet. Das Quanteninternet hingegen nutzt Quantenbits (Qubits), die auf den Gesetzen der Quantenphysik beruhen.

Diese Qubits können durch Superposition gleichzeitig 0 und 1 darstellen. Dadurch lassen sich Informationen parallel verarbeiten, was komplexe Berechnungen erheblich beschleunigen kann. Ein weiteres zentrales Prinzip ist die Verschränkung: Zwei Teilchen bleiben auch über große Entfernungen miteinander verbunden. Wird eines verändert, reagiert das andere sofort – ganz ohne klassischen Signalweg.

Das bringt entscheidende Vorteile:

  • Abhörsicherheit: Jeder Versuch, ein Quantensignal zu messen, verändert es und wird sofort erkannt.
  • Schnellere Quantenberechnungen: Verbundene Quantencomputer können Informationen direkt austauschen, ohne lange Übertragungswege.
  • Neue Präzision in der Sensorik: Quantenzustände reagieren empfindlich auf kleinste Veränderungen, etwa in Magnetfeldern oder Temperaturen.

Das Quanteninternet wird also nicht einfach schneller als das heutige Internet – es funktioniert nach einem völlig anderen Prinzip. Es überträgt keine Datenpakete, sondern physikalische Zustände, die sich in Echtzeit gegenseitig beeinflussen.

Leah Weiss (links)und Grant Smith arbeiten im Labor von Professor David Awschalom in Chicago, wo sie molekulare Qubits entwickeln, die Licht und Magnetismus verbinden – ein möglicher Baustein für das Quanteninternet. © John Zich
Leah Weiss (links)und Grant Smith arbeiten im Labor von Professor David Awschalom in Chicago, wo sie molekulare Qubits entwickeln, die Licht und Magnetismus verbinden – ein möglicher Baustein für das Quanteninternet. © John Zich

Zwei Wege zum Quanteninternet – Grundlagen aus den USA, Anwendung in Europa

Während die neuen molekularen Qubits aus den USA die physikalische Grundlage für das Quanteninternet schaffen, zeigen aktuelle Experimente in Europa, wie sich Quantenkommunikation schon heute praktisch umsetzen lässt. Zwischen Frankfurt am Main und Kehl gelang es erstmals, verschränkte Quantensignale über eine bestehende Glasfaserverbindung von mehr als 250 Kilometern zu übertragen.

Der Unterschied liegt im Ansatz: Die US-Forscher entwickeln Bausteine, mit denen Quanteninformationen künftig direkt in Glasfasern eingespeist werden können. Das europäische Experiment demonstriert hingegen, dass eine abhörsichere Datenübertragung mit heutigen Leitungen bereits funktioniert.

Von der Grundlagenforschung zum praktischen Nutzen

Die Studie ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit von Physikern und Chemikern. Die Gruppe um den Chemiker Jeffrey Long an der University of California in Berkeley entwarf das Molekül so, dass es die elektronischen Eigenschaften des Erbiums optimal nutzt.

„Unsere Arbeit zeigt, dass sich Quantenmaterialien gezielt auf molekularer Ebene gestalten lassen“, erklärt Long. Damit lasse sich kontrollieren, wie Quanteninformationen entstehen, übertragen und ausgelesen werden – ein Ansatz, der völlig neue Wege in der Entwicklung von Kommunikations- und Sensortechnik eröffnet.

Auch David Awschalom, Professor für Molekulartechnik und Physik an der University of Chicago, sieht darin einen entscheidenden Fortschritt: „Wir machen einen weiteren Schritt in Richtung skalierbarer Quantennetzwerke, die direkt an heutige optische Systeme angeschlossen werden können.“

Integration in bestehende Chips möglich

Ein weiterer Vorteil: Die molekularen Qubits sind kompatibel mit Silizium-Photonik, also jener Technologie, die auch in klassischen Datenchips verwendet wird. Damit könnten sie künftig direkt in Mikrochips eingebaut werden – eine Voraussetzung für kompakte, energieeffiziente und vielseitige Quantenbauteile.

„Wir wollen die Vielfalt an Quantenmaterialien erweitern, die wir kontrollieren und nutzen können. Auf diese Weise lassen sich völlig neue Anwendungen denken – von Quantenkommunikation bis zu Sensoren in biologischen Systemen“, so Grant Smith, Mitautor der Studie.

Kurz zusammengefasst:

  • Molekulare Qubits verbinden erstmals Magnetismus und Licht in einem System, das mit heutigen Glasfasern kompatibel ist – ein Schlüssel zum Quanteninternet.
  • Das Quanteninternet unterscheidet sich vom herkömmlichen Netz, weil es Quantenphänomene wie Superposition und Verschränkung nutzt und dadurch abhörsicher und präziser ist.
  • Die neue Technik könnte künftig Quantencomputer, Sensoren und Kommunikationssysteme direkt vernetzen – ohne neue Infrastruktur aufbauen zu müssen.

Übrigens: Während Erbium-Moleküle die Quantenkommunikation mit Glasfasern ermöglichen, rückt ein anderes Material den Bau stabiler Quantencomputer näher. Uran-Ditellurid erfüllt erstmals alle Voraussetzungen für langlebige Quantenbits – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Midjourney

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