Forscher nutzen LinkedIn-Algorithmus, um Medikamente schneller zu verbessern

Ein KI-Modell aus Spanien nutzt den LinkedIn-Algorithmus, um neue Einsatzgebiete für Medikamente zu finden – schneller und günstiger.

LinkedIn-Algorithmus soll Medikamente schneller verbessern

Forscher werten mithilfe künstlicher Intelligenz komplexe Netzwerke aus – auf der Suche nach neuen Wirkstoffen in bekannten Medikamenten. © Vecteezy

Ein Medikament neu zu entwickeln kostet viel Zeit und Geld – und oft scheitert es am Ende doch. Deshalb setzen Forscher zunehmend auf eine andere Strategie: Sie suchen neue Einsatzmöglichkeiten für bereits zugelassene Medikamente. Dabei hilft jetzt ein Algorithmus, der ursprünglich für soziale Netzwerke wie LinkedIn entwickelt wurde.

Das Prinzip dahinter: Verbindungen erkennen, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind. Genauso wie LinkedIn überraschende Kontaktvorschläge macht, kann die gleiche Technologie in der Medizin zeigen, welches bekannte Medikament auch gegen andere Krankheiten helfen könnte, berichten die Forscher.

So findet der LinkedIn-Algorithmus neue Wirkstoffe für bekannte Medikamente

Im Zentrum steht eine Technologie namens „Graph Neural Network“. Sie nutzt ein Netzwerk aus Knoten und Verbindungen – zum Beispiel zwischen Nutzern auf LinkedIn. In der Medizin übernehmen Medikamente und Zielproteine diese Rolle. Die Verbindungen dazwischen beruhen auf bekannten Wechselwirkungen.

Besonders hilfreich ist die Fähigkeit dieser Algorithmen, auch indirekte Beziehungen zu erkennen. Wenn etwa zwei Medikamente ähnliche Zielproteine beeinflussen, könnte eines davon auch bei einer anderen Erkrankung wirken.

Diese Methode nennt sich „Drug Repurposing“ – und sie hat Vorteile:

  • Sie spart Zeit: Der langwierige Prozess der Wirkstoffentwicklung entfällt.
  • Sie senkt die Kosten: Daten zu Sicherheit und Nebenwirkungen liegen bereits vor.
  • Sie beschleunigt Innovation: Viele Medikamente sind vielseitiger als gedacht.

Neues Modell testet 23.000 Kombinationen pro Minute

Ein spanisches Forschungsteam der Universität Navarra hat nun ein spezielles Modell namens GeNNius entwickelt. Es analysiert mithilfe der LinkedIn-Technologie riesige Datenmengen – und das in Rekordzeit. In nur einer Minute kann GeNNius rund 23.000 potenzielle Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und Proteinen untersuchen.

Die wichtigsten Zahlen im Überblick:

  • 2006 enthielt die Datenbank DrugBank: 841 Medikamente
  • 2024 sind es bereits: 2.751 Medikamente
  • GeNNius prüft pro Minute: etwa 23.000 Interaktionen

„Die Entdeckung neuer Medikamente ist teuer und komplex – deshalb wird die Wiederverwendung bestehender Medikamente zunehmend genutzt“, erklärt Studienautor Mikel Hernaez. Das Modell kombiniert Informationen über die Struktur und chemischen Eigenschaften von Wirkstoffen mit biochemischen Merkmalen von Proteinen.

GeNNius erkennt Muster – und behält biologische Informationen

Ein zentrales Merkmal von GeNNius ist seine Fähigkeit zur Verallgemeinerung. Das System wurde auf einem großen Datensatz trainiert und anschließend erfolgreich auf kleinere, völlig andere Datensätze angewendet. Selbst dabei blieb die Trefferquote hoch. Das ist entscheidend, wenn man neue Medikamente für seltene Krankheiten oder personalisierte Therapien sucht.

Gleichzeitig zeigt die Analyse, dass das System auch biologische Informationen bewahrt. „Unser Modell kann sogar Proteinfamilien im Datenraum voneinander unterscheiden“, so Hernaez. Der Algorithmus verbreitet relevante Informationen gezielt durch das Netzwerk und verbessert dadurch die Vorhersagekraft.

LinkedIn-Algorithmus optimiert Medikamente: Was das Modell leisten kann – und was nicht

Trotz aller Stärken hat auch GeNNius Grenzen. Bei besonders kleinen Datensätzen oder sehr seltenen Proteinen kann die Genauigkeit abnehmen. Zudem hängt die Leistung stark davon ab, wie gut das Trainingsmaterial aufbereitet ist.

Doch der Fortschritt ist beachtlich: In Benchmark-Tests übertraf GeNNius alle bisherigen Modelle – bei der Genauigkeit ebenso wie bei der Geschwindigkeit. Während andere Programme teils Stunden für eine Analyse brauchten, war GeNNius in unter einer Minute fertig.

Für Forscher ist das ein echter Quantensprung. Und für Patienten könnte es künftig bedeuten: bekannte Medikamente – aber neu gedacht, schneller verfügbar, gezielter wirksam.

Kurz zusammengefasst:

  • Ein spanisches Forschungsteam hat mit GeNNius ein KI-Modell entwickelt, das auf dem LinkedIn-Algorithmus basiert und neue Einsatzmöglichkeiten für bekannte Medikamente aufdeckt.
  • GeNNius analysiert zehntausende mögliche Wechselwirkungen in nur einer Minute – deutlich schneller und genauer als bisherige Methoden.
  • Das System erkennt sogar versteckte biologische Muster und kann Erkenntnisse aus großen Datensätzen auf neue Krankheitsbilder übertragen.

Übrigens: Nicht nur in der Medizin verändert künstliche Intelligenz gerade die Regeln – auch in der Pflanzenforschung macht sie möglich, was früher undenkbar war: Forscher können jetzt gezielt im Erbgut nach Genen für Trockenresistenz, Ertrag oder Blühverhalten suchen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Vecteezy

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