KI-Stethoskop erkennt drei Herzkrankheiten in nur 15 Sekunden – schneller als jeder Arzt

Ein neues KI-Stethoskop erkennt Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und Klappenerkrankungen in 15 Sekunden – noch vor der ärztlichen Diagnose.

Sieht aus wie früher – könnte aber das klassische Stethoskop bald ablösen: Die smarte Version erkennt Herzkrankheiten in Sekunden.

Sieht aus wie früher – könnte aber das klassische Stethoskop bald ablösen: Die smarte Version erkennt Herzkrankheiten in Sekunden. © Pexels

Ein kleiner Aufsatz auf der Brust, kaum größer als eine Spielkarte – mehr braucht es nicht, um drei gefährliche Herzerkrankungen zu erkennen. Und das in weniger als 15 Sekunden. Die neue Technik, die klassische Stethoskope digital aufrüstet, könnte in Zukunft Tausenden Patienten frühzeitig die richtige Diagnose bringen. Noch bevor ein Arzt Verdacht schöpft.

Viele Herzkrankheiten werden zu spät erkannt – das ist eines der größten Probleme in der hausärztlichen Versorgung. Dabei sind erste Symptome wie Müdigkeit, Atemnot oder geschwollene Beine oft da. Doch sie gelten als unspezifisch und führen nicht selten in die Irre. Besonders bei Herzinsuffizienz ist das ein Risiko. Diese Herzschwäche gehört zu den häufigsten Gründen für Notfalleinweisungen – und wird in über 70 Prozent der Fälle erst im Krankenhaus festgestellt.

KI hört früher, als Ärzte es können

Ein Team des Imperial College London und des Imperial College Healthcare NHS Trust hat ein digitales Diagnosesystem entwickelt, das auf künstlicher Intelligenz basiert. Es wird wie ein normales Stethoskop auf der Brust angesetzt – doch statt nur auf Geräusche zu achten, nimmt es gleichzeitig ein EKG auf. Die Daten landen verschlüsselt in der Cloud. Innerhalb von Sekunden analysiert ein Algorithmus die Signale und sendet eine Risikobewertung zurück – direkt auf das Smartphone der Arztpraxis.

Erkennt das System Auffälligkeiten, können weiterführende Untersuchungen eingeleitet werden. Das System soll Hausärzten helfen, bereits beim ersten Verdacht gezielter zu handeln.

Die Ergebnisse der Technologie präsentierte die British Heart Foundation auf dem Jahreskongress der European Society of Cardiology in Madrid. Die zugrunde liegende Studie – mit dem Projektnamen „TRICORDER“ – fand in 200 Hausarztpraxen im britischen Gesundheitsdienst NHS statt. Insgesamt nahmen mehr als 12.000 Patienten teil.

Drei Erkrankungen – ein System

Die KI-Technologie erkennt drei häufige und potenziell lebensbedrohliche Herzleiden:

  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Vorhofflimmern
  • Herzklappenerkrankungen

Alle drei Erkrankungen sind behandelbar – aber nur, wenn sie rechtzeitig erkannt werden. Die künstliche Intelligenz reagiert auf winzige Abweichungen im Herzschlag und bei der Durchblutung, die für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar sind.

Laut Studienleitung hatten Patienten, die mit dem neuen Gerät untersucht wurden, eine mehr als doppelt so hohe Chance, bei Verdacht auf Herzinsuffizienz richtig diagnostiziert zu werden. Das Erkennen von Vorhofflimmern lag 3,45-mal höher, Klappenerkrankungen wurden fast doppelt so oft festgestellt.

Das KI-gestützte Stethoskop, entwickelt vom Imperial College London in Zusammenarbeit mit Eko Health. © Imperial College London
Das KI-gestützte Stethoskop, entwickelt vom Imperial College London in Zusammenarbeit mit Eko Health. © Imperial College London

Neue Technik – alte Probleme bei der Umsetzung

So vielversprechend die Resultate auch sind: In der Praxis nutzten rund 70 Prozent der teilnehmenden Arztpraxen das Gerät nach einem Jahr kaum noch. Der Grund: Die Integration in den Praxisalltag stellte sich als schwieriger heraus als gedacht. Viele Praxen beklagten fehlende Zeit, unklare Abläufe oder Unsicherheit bei der Interpretation der Ergebnisse.

Die Forscher fordern deshalb klarere Vorgaben, bessere Schulungen – und einen gezielten Einsatz bei symptomatischen Patienten. Denn auch wenn die KI häufig ins Schwarze trifft, liegt sie nicht immer richtig. Zwei Drittel der Verdachtsfälle auf Herzinsuffizienz bestätigten sich später nicht. Für Betroffene bedeutet das zusätzliche Tests – aber eben auch: mehr Sicherheit, dass kritische Fälle nicht übersehen werden.

Erkrankungen früher erkennen – das kann das KI-Stethoskop leisten

Das Potenzial ist groß: In Regionen mit knappen Kardiologen-Terminen oder in ländlichen Gebieten könnte die Technik eine wichtige Lücke schließen. Für viele Patienten bedeutet sie:

  • frühere Klarheit, bevor Beschwerden eskalieren
  • gezielte Weiterleitung an Spezialisten statt langes Abwarten
  • bessere Behandlungsoptionen, wenn früher reagiert wird

Die Geräte sind in Großbritannien bereits zugelassen. Hersteller ist das US-Unternehmen Eko Health. Die Software gilt als Medizinprodukt der Klasse IIa. Auch in Deutschland wäre ein Einsatz grundsätzlich denkbar – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen.

Ein Gerät, das hören kann, was andere überhören

Die Entwickler vergleichen das neue System mit einem hochsensiblen Ohr – verbunden mit digitalem Verstand. Es kann helfen, Erkrankungen zu erkennen, die bislang erst im Krankenhaus auffielen. Oder gar nicht.

„Herzinsuffizienz ist tödlicher als häufige schwere Krebsarten“, sagen die Forscher. Genau deshalb dürfe man nicht warten, bis es zu spät ist. Wenn das Herz ruft – muss jemand zuhören. Und genau dafür könnte dieses kleine Gerät künftig unverzichtbar werden.

Kurz zusammengefasst:

  • Ein KI-basiertes Stethoskop erkennt drei weit verbreitete Herzkrankheiten – Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und Klappenerkrankungen – in nur 15 Sekunden.
  • In einer Studie wurde gezeigt, dass Patienten damit deutlich häufiger und früher korrekt diagnostiziert werden als mit herkömmlichen Methoden.
  • Die Technik ist zugelassen, aber noch wenig verbreitet – weil Praxen mehr Unterstützung bei der Anwendung und Integration in den Alltag benötigen.

Übrigens: Während ein KI-Stethoskop schon beim Hausarzt Herzerkrankungen in Sekunden erkennt, geht die nächste KI-Generation noch weiter – und entwirft im Labor gleich ganze Medikamente. Große Sprachmodelle analysieren Genomdaten, kombinieren Wirkstoffe und warnen vor Nebenwirkungen, lange bevor erste Studien beginnen – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild © Pexels

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