KI als Komponist – So klingt Musik, wenn keine Note von einem Menschen stammt
Forscher in Kalifornien lassen Maschinen Musik komponieren – ganz ohne Noten.

Ein Forschungsteam in Kalifornien hat eine Methode entwickelt, mit der KI grafische Symbole in Musik übersetzt und eigenständig Klangstücke komponiert. © Unsplash
Seit dem Mittelalter hat sich das Komponieren von Musik stark verändert. Früher gaben Musiker ihr Wissen mündlich weiter, später notierten sie es als Partitur. Werke wie Beethovens Fünfte oder Mozarts Requiem gelten heute als unsterblich. Doch eine neue Ära hat begonnen – und sie bringt eine überraschende Frage mit sich: Kann KI Musik schaffen, die Emotionen auslöst, obwohl sie selbst keine Gefühle kennt? Ein Forscherteam aus Kalifornien bringt genau das voran und lässt künstliche Intelligenz eigene Musik schreiben.
An der University of California in San Diego entwickeln Musiker und Informatiker gemeinsam neue Wege, wie KI nicht nur Musik nachahmt, sondern selbst kreativ wird. Der Leiter der Forschungsgruppe, Professor Shlomo Dubnov, bringt es auf den Punkt: „Wir erforschen Wege, Künstliche Intelligenz kreativ zu machen, über Text-zu-Musik-Prompts hinauszugehen, um die Grenzen dessen zu verschieben, wie KI mit nicht-traditionellen Partituren umgeht.“
KI komponiert – und das ganz ohne Noten
Statt klassische Noten zu verwenden, arbeitet das Team mit grafischen Symbolen. Diese werden in Text umgewandelt, den ein spezieller KI-Algorithmus versteht. Die Technik heißt MusicLDM – ein sogenanntes Latent Diffusion Model. Kombiniert mit ChatGPT 4.0 entsteht daraus Musik, die niemand je komponiert hat.
Ein Beispiel: Die KI interpretiert das Werk Treatise von Cornelius Cardew. Dieses besteht nicht aus Noten, sondern aus Linien, Kreisen und anderen Formen. Die KI übersetzt diese abstrakten Zeichen in Musik – und erschafft so neue Klangwelten.
KI wird also inzwischen nicht nur programmiert, sondern auch trainiert, selbstständig neue Ideen zu entwickeln. Professor Dubnov beschreibt es so: „Wir nutzten ChatGPT, um die abstrakten visuellen Elemente von Treatise zu interpretieren und grafische Bilder in beschreibende Text-Prompts für MusicLDM umzuwandeln.“
Elf Minuten Musik – komplett von KI erzeugt
So entstand ein elf Minuten langes Improvisationsstück – komplett von der KI entwickelt. Es wurde im Rahmen des Projekts OuchAI beim Improtech Festival 2023 in Paris uraufgeführt. Die Reaktionen waren durchweg positiv. Beim AI Music Generation Workshop der IEEE-Konferenz 2024 gewann das Projekt sogar den zweiten Platz.
Zachary Novack, Doktorand im Team, erklärt, warum das Zusammenspiel von Mensch und Maschine so wichtig ist: „Wir müssen Musiker und Künstler in den Entwicklungsprozess einbeziehen, um nützliche kreative Werkzeuge zu entwerfen.“ KI soll nicht alles übernehmen, sondern Musikschaffende unterstützen.
Menschen bleiben Teil des kreativen Prozesses
Die Forscher sehen die KI nicht als Ersatz für Künstler, sondern als musikalischen Partner. Die Maschine liefert Vorschläge – die Interpretation bleibt beim Menschen. Diese Zusammenarbeit soll kreative Prozesse erleichtern, nicht ersetzen.
Auch Anna Huang vom MIT vergleicht die Arbeit mit KI mit dem Bauen eines Puzzles. Einzelteile ergeben erst dann ein Ganzes, wenn ein Mensch sie sinnvoll zusammensetzt. Die Technik kann helfen – aber sie entscheidet nicht allein.
Dirigieren per Roboter – Zukunftsmusik wird Realität
Die Forschungsgruppe testet sogar, wie Roboter als Dirigenten eingesetzt werden können. Die Bewegungen der Maschine passen sich dabei live dem Spiel der Musiker an. Möglich macht das eine Kombination aus Sensoren, KI-Modellen und präziser Steuerung.
Ziel ist es, den kreativen Prozess zwischen Mensch und Technik weiterzuentwickeln. Dabei geht es auch um sogenanntes „stilles Wissen“ – also Dinge, die Musiker intuitiv tun, etwa das Anpassen an Mitspieler. Die KI soll genau dieses Feingefühl lernen.
Zwischen Gefühl und Code: Wie KI unser Musikverständnis neu formt
Die Grenze zwischen Technik und Kunst verschwimmt weiter. Doch eines bleibt sicher: Die Kombination aus menschlichem Feingefühl und technischer Rechenleistung eröffnet neue Möglichkeiten, Musik zu erleben – und sie vielleicht ganz neu zu denken.
Kurz zusammengefasst:
- KI kann heute eigenständig Musik komponieren, indem sie grafische Symbole statt klassischer Noten verarbeitet.
- Die Zusammenarbeit zwischen Musikern, Technikern und KI ist entscheidend, um kreative Werkzeuge zu entwickeln, die Künstlern wirklich helfen, anstatt sie zu ersetzen.
- Ein Beispiel: Das elfminütige Musikstück OuchAI wurde komplett von KI erstellt und öffentlich aufgeführt.
Übrigens: Künstliche Intelligenz soll jetzt auch helfen, an passende Wohnungsangebote zu kommen. Mehr dazu in unserem Artikel.
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