Neue KI warnt vor Diabetes – noch bevor der Blutzucker auffällig wird
Ein KI-Modell erkennt Glukosespitzen und warnt früh vor Diabetes – selbst wenn der Blutzucker im Labor noch unauffällig erscheint.

Digitale Helfer wie Glukosesensoren liefern kontinuierlich Daten – eine KI kann daraus frühzeitig ein erhöhtes Diabetesrisiko ableiten. © Pexels
Die meisten gängigen Bluttests erkennen Diabetes erst, wenn die Krankheit schon fortgeschritten ist. Doch der Körper sendet viel früher subtile Signale – etwa in Form von stark schwankenden Blutzuckerwerten nach dem Essen. Genau diese Glukosespitzen hat ein Forschungsteam des Scripps Research Institute nun mithilfe künstlicher Intelligenz analysiert, um das individuelle Diabetesrisiko besser und früher sichtbar zu machen.
Glukosespitzen im Alltag zeigen das wahre Diabetesrisiko
Die Studie umfasste 1.137 Erwachsene aus den USA. Teilnehmer waren sowohl Menschen mit einer Diagnose von Prädiabetes oder Diabetes als auch gesunde Personen. Alle Beteiligten führten die Erhebung eigenständig von zuhause aus durch. Sie trugen Glukosesensoren, dokumentierten ihre Ernährung, sammelten Blut-, Speichel- und Stuhlproben und trugen Fitness-Tracker.
Auf Basis dieser Daten analysierten die Forscher, wie stark der Blutzucker nach dem Essen anstieg und wie schnell er sich wieder normalisierte. Genau dieses Verhalten – die Höhe, Häufigkeit und Dauer der Glukosespitzen – erwies sich als besonders aussagekräftig für das individuelle Erkrankungsrisiko.
Zentrale Beobachtungen im Überblick:
- Personen mit Typ-2-Diabetes benötigten nach Glukosespitzen oft über 100 Minuten, bis sich der Blutzucker normalisierte.
- Nächtliche Unterzuckerungen oder dauerhaft erhöhte Werte traten in dieser Gruppe besonders häufig auf.
- Ungünstige Verläufe zeigten sich vor allem bei höherem Alter, Bewegungsmangel und erhöhtem Ruhepuls.
- Regelmäßige Bewegung und eine vielfältige Darmflora hatten einen positiven Einfluss auf den Zuckerstoffwechsel.
Warum der HbA1c-Wert oft nicht ausreicht
Zur Diagnose von Typ-2-Diabetes wird in der Regel der HbA1c-Wert herangezogen. Dieser zeigt, wie hoch der Blutzucker im Durchschnitt der vergangenen zwei bis drei Monate lag. Doch der Durchschnitt sagt wenig über das tägliche Auf und Ab des Blutzuckers aus. Zwei Menschen mit identischem HbA1c-Wert können völlig unterschiedliche Verläufe haben – einer mit stabilen Werten, der andere mit starken Ausschlägen.
Das neue KI-Modell berücksichtigt deshalb sechs spezifische Messgrößen. Dazu gehören etwa die Höhe und Dauer der Glukosespitzen sowie die Zeit, in der der Blutzucker über 150 mg/dl lag. Damit lässt sich das persönliche Risiko deutlich besser abschätzen als mit einem einzelnen Laborwert.
Künstliche Intelligenz erkennt individuelle Risikoprofile
Die KI analysierte alle gesammelten Daten und konnte mit hoher Genauigkeit zwischen gesunden, prädiabetischen und bereits erkrankten Personen unterscheiden – auch bei gleichem HbA1c-Wert.
„Wir konnten zeigen, dass zwei Personen mit gleichem HbA1c-Wert sehr unterschiedliche Risikoprofile haben“, erklärt das Forschungsteam. Diese Erkenntnis verschiebt den Fokus: Nicht mehr nur Laborwerte zählen, sondern die alltäglichen Abläufe im Körper.
Frühzeitige Prävention: Was sich für Betroffene ändert
Wer erkennt, dass sein Blutzucker nach bestimmten Mahlzeiten stark ansteigt oder nur langsam sinkt, kann gezielt eingreifen. Schon kleine Anpassungen bei Bewegung, Ernährung oder Schlaf können helfen, Glukosewerte zu stabilisieren – und langfristig das Diabetesrisiko senken.
Co-Autor Giorgio Quer, Leiter für KI und digitale Medizin bei Scripps Research, erklärt:
Diabetes tritt nicht einfach so auf – er entwickelt sich langsam. Und wir haben jetzt die Mittel, ihn früher zu erkennen und gezielter einzugreifen.
Technologie soll im Alltag ankommen
Langfristig soll das KI-Modell in bestehende digitale Gesundheitslösungen integriert werden – etwa in Apps oder bereits verfügbare Blutzuckersensoren. Das Ziel ist es, indirekte Ursachen der Diabetesprogression zu erkennen und frühzeitig im Alltag medizinisch zu reagieren.
Kurz zusammengefasst:
- Der HbA1c-Wert zeigt nur den Durchschnitt des Blutzuckers, lässt jedoch gefährliche Schwankungen im Alltag unberücksichtigt – genau dort beginnt oft die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes.
- Glukosespitzen geben früh Aufschluss über das individuelle Diabetesrisiko, denn wer sie langsamer abbaut oder nachts instabile Werte zeigt, hat oft ein höheres Erkrankungsrisiko.
- Ein KI-Modell des Scripps Research Institute nutzt Daten zu Ernährung, Bewegung, Genetik und Darmflora, um Risikoprofile deutlich präziser zu bestimmen als herkömmliche Bluttests.
Übrigens: Nicht immer reicht ein einzelnes defektes Gen aus, um krank zu werden. Eine neue KI zeigt nun, welche Genkombinationen gemeinsam das Diabetesrisiko, Krebs oder Asthma fördern – oft lange bevor Symptome auftreten. Mehr dazu in unserem Artikel.
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