HydroSKIN: Wissenschaftler aus Stuttgart tüfteln an revolutionärer Schwamm-Fassade
HydroSKIN verwandelt Gebäude in Schwämme: Fassaden speichern Regenwasser, kühlen bei Hitze und entlasten die Kanalisation.
Wissenschaftler aus Stuttgart haben eine vielversprechende Technologie entwickelt, die eine Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels bieten könnte. Diese Innovation, bekannt als HydroSKIN, verwandelt Gebäude in regelrechte Schwämme, die Regenwasser speichern und bei Bedarf verdunsten lassen. Dadurch wird die Temperatur sowohl im HydroSKIN-Gebäude als auch seiner Umgebung effektiv gesenkt.
Diese Methode entlastet nicht nur die Kanalisation, sondern könnte auch das Stadtklima insgesamt verbessern. Gegenüber Smart Up News sagte die Erfinderin des Systems, Christina Eisenbarth:
Die Ergebnisse sind vielversprechend. Etwa 50 bis 100 Quadratmeter weisen die gleichwertige Verdunstungskühlwirkung einer 50 Jahre alten Eiche auf.
Christina Eisenbarth
Die Technologie könnte, wenn sie in der Umsetzung klappt, Städte besser gegen Extremwetter schützen.
HydroSKIN kann Gebäude effektiv kühlen
HydroSKIN besteht aus einer leichten, textilen Hülle, die Regenwasser aufnimmt, das schräg auf die Gebäudefassade trifft. Dadurch wird das Wasser, das normalerweise in die Kanalisation fließen würde, in den Fassadenelementen aufgenommen. Von dort wird unmittelbar in einen Speicher weitergeleitet, der sich im oder außerhalb des Gebäudes befindet. Das gesammelte Wasser steht dann zur Verwendung für die Toilette, den Betrieb von Waschmaschinen oder die Bewässerung von Pflanzen bereit, was eine Senkung des Frischwasserverbrauchs um bis zu 45 Prozent bedeutet. Bei Hitzeperioden wird das Wasser in die HydroSKIN-Hülle zurückgeführt, wo es durch Verdunstung die Temperatur der Gebäude und des Stadtraums effektiv senkt. Die Technologie aus Stuttgart kann auch bei bestehenden Gebäuden nachgerüstet werden.
Hochhäuser als ideale Testobjekte für HydroSKIN
Derzeit wird HydroSKIN in einem Freiluftversuch auf dem Campus der Universität Stuttgart getestet. Auf einer Höhe von bis zu 36 Metern wird untersucht, ob die Fassade den hohen Erwartungen der Wissenschaftler standhält. Besonders für Hochhäuser könnte diese Technologie von großem Nutzen sein, da in höheren Lagen mehr Regenwasser über die Fassade aufgenommen wird.
„Die Regenwasseraufnahme in der Fassade übersteigt ab 29 Meter Gebäudehöhe aufgrund der höheren Windeinwirkungen auf die Fassade sogar die quadratmeterbezogenen Niederschlagserträge auf horizontale Dach- oder Bodenflächen. Und an einem Tag mit heftigem Starkregen wie dem 01.August, hat 1 Quadratmeter HydroSKIN mehr als 24 Liter pro Quadratmeter innerhalb von weniger als einer halben Stunde aufnehmen können“, sagte die Stuttgarter Architektin Eisenbarth.
Ein wichtiges Detail ist die wasserdurchlässige Membran an der Außenseite des Systems, die fast alle Regentropfen aufnimmt. Diese werden dann über eine Folie an der Innenseite des Systems nach unten geleitet, wo das Wasser entweder gespeichert oder ins Gebäudeinnere geleitet wird.
Ökologischer Nutzen und Wirtschaftlichkeit
HydroSKIN könnte ein wichtiger Baustein im Kampf gegen die zunehmende Versiegelung von städtischen Flächen sein. Eisenbarth betont, dass versiegelte Flächen die natürliche Verdunstung stören und so zur Entstehung von Hitzeinseln in Städten führen. Das Konzept der Schwammstadt, auf dem HydroSKIN basiert, könnte hier Abhilfe schaffen.
Bauwirtschaft bewertet HydroSKIN positiv
„Ein Fassadenvorsatz ist mit Kosten verbunden“, erklärt Steffen Reuter vom Verband Bauwirtschaft Baden-Württemberg. „Dadurch ist die Technik nicht für jedes Gebäude geeignet.“ Trotzdem zeigt sich die Bauwirtschaft interessiert, insbesondere im öffentlichen Gebäudebau und der Wirtschaftsindustrie. „Gerade im Kontext der Nachhaltigkeitszertifizierung könnte ein solcher Fassadenvorsatz positiv bewertet werden,“ sagte Reuter dem SWR. Zudem sei die Bauindustrie an allen Technologien interessiert, die helfen, Wasserschäden zu vermeiden und Hitze zu reduzieren.
Nach Angaben der Stuttgarter Forscher soll ein Quadratmeter mehrere Hundert Euro kosten. Die Kühlleistung ist beeindruckend: 5,7 Quadratmeter HydroSKIN kühlen laut den Entwicklern so stark wie eine Klimaanlage mit 2.500 Watt.
HydroSKIN aus recyceltem Material
Das Material von HydroSKIN besteht derzeit aus wiederverwendbarem Polyester und soll in Zukunft auch aus recycelten PET-Flaschen hergestellt werden. Zusätzlich kann man das Material bedrucken, wodurch Gebäude ein individuelles Design erhalten können. Ein Quadratmeter HydroSKIN wiegt in trockenem Zustand nur 1,2 Kilogramm. Selbst mit zusätzlicher Wasserlast dürfte die Schwammschicht keine statischen Probleme für die Gebäude verursachen.
Was du dir merken solltest:
- HydroSKIN speichert Regenwasser in Fassaden, kühlt Gebäude bei Hitze und entlastet die Kanalisation, was besonders für Städte von Nutzen sein könnte.
- Die Technologie ist vielseitig einsetzbar und wäre im öffentlichen Bau sowie in der Industrie für Nachhaltigkeitszertifizierungen von positivem Nutzen.
- HydroSKIN besteht aus leichtem, wiederverwendbarem Material, das in Zukunft auch aus recycelten PET-Flaschen hergestellt werden soll und individuell gestaltbar ist.
Übrigens: Wusstest du, dass Zickzack-Wände Gebäude um bis zu 3°C kühlen können, indem sie Strahlungskühlung nutzen? Diese innovative Bauweise könnte die Energiekosten deutlich senken – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Sven Cichowicz
HydroSKIN kann viel, so wie es dargestellt wird. Man kann damit sogar das Hausinnere mit Wasser versorgen. Aber wer möchte schon in einem Haus ohne Fenster wohnen?