Geothermie statt Atomkraft: Japan gewinnt Strom aus heißen Quellen
Nach der Fukushima-Katastrophe musste Japan umdenken. Jetzt setzen einige Onsen auf Geothermie, um die Kraft der heißen Quellen für nachhaltige Energie zu nutzen.
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Japans Thermalquellen liefern nicht nur Entspannung, sondern jetzt auch Energie. © Unsplash
Heiße Quellen sind in Japan mehr als nur ein natürlicher Luxus – sie sind tief in der Kultur verankert. Millionen von Menschen besuchen jedes Jahr traditionelle Onsen, um sich in den heißen, mineralhaltigen Bädern zu entspannen. Doch die heißen Quellen bieten mehr als nur Erholung: Sie können eine nachhaltige Energiequelle sein. Die Stadt Tsuchiyu Onsen zeigt, dass es möglich ist, die Wärme aus den Tiefen der Erde nicht nur für Bäder, sondern auch für die Stromversorgung zu nutzen.
Heiße Quellen als Energiequelle – ein ungenutztes Potenzial
Tsuchiyu Onsen liegt in der Präfektur Fukushima und ist seit über 1.400 Jahren für seine heißen Heilquellen bekannt. Die Thermalquellen ziehen Touristen aus dem ganzen Land an und sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region. Normalerweise dienen die heißen Quellen nur dem Badebetrieb – in Tsuchiyu Onsen entschied man sich jedoch für einen neuen Ansatz.
Seit 2015 betreibt die Stadt eine geothermische Anlage, die die natürliche Wärme der Erde nutzt, um Strom zu erzeugen. Laut der Washington Post leiten solche Anlagen heißen Dampf aus der Erde, um Turbinen anzutreiben. Diese Turbinen erzeugen Strom, der dann in das lokale Netz eingespeist wird. Japan gehört weltweit zu den Ländern mit den größten Geothermie-Potenzialen. Trotzdem nutzt das Land diese Energiequelle kaum, weil viele Betreiber von Onsen befürchten, dass geothermische Bohrungen die Temperatur oder Menge des Quellwassers verändern könnten.
Fukushima-Katastrophe als Wendepunkt
Warum entschied sich ausgerechnet Tsuchiyu Onsen für diesen mutigen Schritt? Die Antwort liegt in der Fukushima-Katastrophe von 2011. Damals traf ein schweres Erdbeben die Küste Japans und löste einen Tsunami aus, der zur Kernschmelze im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi führte. Die Katastrophe zwang mehr als 150.000 Menschen zur Flucht und führte dazu, dass Japan alle seine Atomkraftwerke vorübergehend stilllegte.
Vor dem Unglück deckte die Kernenergie fast ein Drittel des japanischen Strombedarfs. Nach Fukushima musste das Land jedoch auf andere Energiequellen umsteigen. Die Regierung setzte verstärkt auf erneuerbare Energien wie Solar, Wind und Geothermie. Trotzdem macht die geothermische Energie derzeit nur 0,3 Prozent der japanischen Stromproduktion aus. Die Regierung plant, diesen Anteil zu verdreifachen.
Geothermie und Onsen: Ein sensibles Gleichgewicht
Während viele Onsen-Betreiber skeptisch bleiben, fand Tsuchiyu Onsen eine Lösung, die Tradition und Fortschritt verbindet. Die lokale Gemeinschaft gründete das Unternehmen Genki Up Tsuchiyu, das die geothermische Anlage mit eigenem Kapital finanzierte. Anstatt neue Bohrungen durchzuführen, nutzt die Anlage das bereits vorhandene Wassersystem. So bleibt die Wassertemperatur stabil, und die Onsen können weiter betrieben werden.
Rio Watanabe, der Besitzer eines der traditionellen Gasthäuser, erklärt gegenüber der Washington Post:
Es ist wichtig, die Kultur der Onsen zu bewahren. Aber wir müssen auch erneuerbare Energien fördern.
Rio Watanabe
Die Stadt zeigt, dass es möglich ist, eine nachhaltige Stromquelle zu erschließen, ohne die Lebensgrundlage der Onsen zu gefährden.
Kann Tsuchiyu Onsen ein Vorbild für andere Städte sein?
Der Erfolg in Tsuchiyu Onsen könnte Modellcharakter für andere Städte haben. Experten zufolge können kleine geothermische Anlagen eine größere Rolle spielen als bisher gedacht. Allerdings bleibt der Widerstand groß, da viele Betreiber negative Folgen für ihre Thermalquellen befürchten.
Ein Beispiel für diese Sorgen ist das Takanoyu Onsen, das nach der Eröffnung einer geothermischen Anlage in der Nähe einen Temperaturabfall des Wassers verzeichnete. Zwar gibt es keine eindeutigen Beweise für einen Zusammenhang, doch das Ereignis verstärkte die Skepsis in der Branche.
Eine nachhaltige Zukunft für Japans Energieversorgung?
Seit 2011 wurden in Japan über 70 kleine geothermische Anlagen gebaut, ähnlich der in Tsuchiyu Onsen. Die Anlage versorgt etwa 800 Haushalte mit Strom und liefert zusätzlich warmes Wasser für eine nahegelegene Garnelenzucht. Der Schlüssel zum Erfolg lag in der engen Zusammenarbeit zwischen der Stadt und den Onsen-Betreibern.
Japan verfügt über enorme geothermische Ressourcen, doch der Konflikt zwischen Tradition und erneuerbarer Energie bleibt bestehen. Tsuchiyu Onsen zeigt, dass es möglich ist, beide Interessen zu vereinen. Ob andere Städte nachziehen, wird davon abhängen, ob sie ähnlich innovative Lösungen finden.
Kurz zusammengefasst:
- Tsuchiyu Onsen nutzt seine heißen Quellen nicht nur für den Tourismus, sondern auch zur Stromerzeugung durch eine geothermische Anlage, die ohne neue Bohrungen arbeitet und die Wasserqualität erhält.
- Die Fukushima-Katastrophe von 2011 führte in Japan zu einem Umdenken in der Energiepolitik, wodurch der Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere Geothermie, stärker gefördert wurde.
- Tsuchiyu Onsen zeigt, dass Onsen-Betrieb und Geothermie koexistieren können, doch viele Onsen-Betreiber in Japan befürchten weiterhin, dass Bohrungen die Temperatur und Qualität ihres Thermalwassers beeinträchtigen könnten.
Bild: © Unsplash