Forscher machen Beton zum Stromspeicher – er könnte bald ganze Städte mit Energie versorgen
Am MIT entsteht ein Baustoff mit Zukunft: Beton, der selbst Strom speichert – und so Häuser, Straßen und Städte zu Energiequellen machen könnte.

Ein Bogen aus leitfähigem Beton trägt Last und liefert zugleich Strom – das Flackern der Lampe zeigt, wie der Baustoff seinen Zustand selbst überwacht. © MIT EC³ Hub
Beton steckt in Häusern, Straßen und Brücken – und wird künftig selbst zur Batterie. In einer neuen Studie haben Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) einen Baustoff vorgestellt, der Strom speichern kann. Damit könnte Beton eines Tages helfen, eines der größten Probleme der Energiewende zu lösen: Wie lässt sich überschüssige Energie aus Sonne und Wind langfristig speichern, ohne teure oder seltene Rohstoffe zu verwenden?
Das neue Material namens ec³ verbindet Stabilität mit Speicherfähigkeit. Es besteht aus Zement, Wasser, feinem Kohlenstoff und einem Elektrolyten. Im Inneren entsteht ein dichtes, leitfähiges Netzwerk, das elektrische Energie aufnehmen und wieder abgeben kann – ähnlich wie ein Superkondensator. Aus einem jahrtausendealten Baustoff wird so ein moderner Energiespeicher.
Beton wird zur Batterie
Beton ist der am häufigsten verwendete Baustoff der Welt – aber auch einer der klimaschädlichsten. Seine Herstellung verursacht fast acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Die neue Entwicklung könnte das Verhältnis zwischen Bau und Energie grundlegend verändern: Gebäude, Straßen oder Brücken könnten künftig Strom speichern und so Teil eines dezentralen Energiesystems werden.
Laut den Entwicklern hat das Material in nur zwei Jahren enorme Fortschritte gemacht. Die Speicherkapazität hat sich verzehnfacht. 2023 wären noch rund 45 Kubikmeter nötig gewesen, um den täglichen Strombedarf eines durchschnittlichen Haushalts zu decken – das entspricht dem Volumen eines kompletten Kellers. Heute reichen rund fünf Kubikmeter, also etwa so viel Beton wie in einer Kellerwand steckt. Mit dieser Menge ließe sich ein Haushalt einen Tag lang mit Energie versorgen – allein durch gespeicherte Energie im Beton selbst.
„Mit diesen höheren Energiedichten und einer breiteren Anwendbarkeit haben wir jetzt ein leistungsfähiges Werkzeug, das helfen kann, viele Energieprobleme zu lösen“, sagt Studienautor Damian Stefaniuk.
Wie die Beton-Batterie funktioniert
Der leitfähige Beton speichert Strom nicht chemisch wie klassische Batterien, sondern physikalisch – durch Ladungstrennung an den Grenzflächen seiner Nanostruktur. Winzige Kohlenstoffpartikel bilden ein feines, leitfähiges Netz im Zement. Dieses Netzwerk ermöglicht es, elektrische Energie rasch aufzunehmen und wieder abzugeben, ohne dass sich die Struktur verändert.
Mit einer speziellen 3D-Mikroskopie – der sogenannten FIB-SEM-Tomografie – konnten die Forscher erstmals zeigen, wie dieses Netzwerk aufgebaut ist. Es ähnelt einem feinen Geflecht, das sich durch die Poren des Materials zieht. Diese Struktur sorgt dafür, dass der Elektrolyt jede Ecke erreicht und der Strom gleichmäßig fließt.
Herstellung wird einfacher und effizienter
Auch die Produktionsweise hat sich verbessert. Statt den Beton nachträglich in Elektrolyt zu tränken, gaben die Forscher die leitfähige Flüssigkeit direkt ins Anmischwasser. Das spart Zeit und ermöglicht dickere, stabilere und besser leitende Module. Besonders effektiv war eine Kombination aus quartären Ammoniumsalzen und Acetonitril, einer in der Industrie gängigen Flüssigkeit. Damit erreichte das Material seine bislang höchste Energiedichte.
„Wir haben eine Vielzahl von Elektrolyten getestet“, erklärt Stefaniuk. „Sogar Meerwasser ist ein möglicher Kandidat – das wäre ideal für Küstenregionen oder für Offshore-Windparks.“
Beton-Batterie erkennt Belastung selbst
In einem Versuch fertigte das Team einen Betonbogen, der neun Volt Spannung erzeugte – genug, um eine LED-Lampe zu betreiben. Der Bogen trug dabei nicht nur sein eigenes Gewicht, sondern auch zusätzliche Last. Als die Belastung zunahm, begann das Licht zu flackern.
„Das könnte eine eingebaute Selbstüberwachung sein“, sagt Projektleiter Admir Masic. Das Material reagiert auf Druck oder Verformung, wodurch sich künftig Bauwerke entwickeln ließen, die ihren Zustand selbst melden – etwa bei Wind, Erschütterungen oder Materialermüdung.
Energie aus Häusern, Straßen und Brücken
Das Potenzial des neuen Baustoffs ist groß. Denkbar sind viele Anwendungen:
- Gebäude, die Strom in ihren Wänden speichern
- Straßen, die Elektroautos während der Fahrt aufladen
- Brücken, die Belastungen selbst überwachen und Energie speichern
In Japan werden bereits erste Gehwegplatten aus leitfähigem Beton getestet, die Schnee schmelzen können – eine umweltfreundliche Alternative zu Streusalz.
Nachhaltiger und langlebiger als klassische Batterien
Im Gegensatz zu herkömmlichen Energiespeichern kommt das neue Material ohne seltene Metalle wie Lithium oder Kobalt aus. Es ist ungiftig, langlebig und lässt sich direkt in Bauprozesse integrieren.
„Bisher bedeutete Energiespeicherung fast immer zusätzliche Infrastruktur. Jetzt kann sie Teil der bestehenden Bausubstanz werden“, erklärt der aus Deutschland stammende Professor Franz-Josef Ulm.
Wenn Beton mehr kann als nur tragen
Langfristig könnten ganze Städte zu Energiespeichern werden. Häuser und Straßen würden Strom aus Wind- und Solaranlagen aufnehmen, speichern und bei Bedarf wieder abgeben. So ließe sich das Stromnetz stabilisieren – ohne große Batteriefarmen oder neue Anlagen.
„Was uns am meisten begeistert, ist, dass wir ein uraltes Material neu denken“, sagt James Weaver, Mitautor der Studie. „Wenn wir moderne Nanowissenschaft mit dem Baustoff der Antike verbinden, entstehen Strukturen, die nicht nur tragen, sondern uns auch mit Energie versorgen.“
Beton, der Energie speichert, sich selbst überwacht und womöglich eines Tages CO2 bindet – das wäre ein Baustoff, der unsere Städte grundlegend verändert. Ein Material, das nicht nur die Welt zusammenhält, sondern sie auch mit Strom versorgt.
Kurz zusammengefasst:
- Forscher am MIT haben eine neuartige Beton-Batterie entwickelt, die Strom speichern kann – der Baustoff wird damit selbst zum Energiespeicher.
- Das Material besteht aus Zement, Wasser, Kohlenstoff und Elektrolyt und kann elektrische Energie ähnlich wie ein Superkondensator aufnehmen und abgeben.
- Mit nur fünf Kubikmetern dieses Betons lässt sich bereits der Tagesbedarf eines Haushalts decken – ein möglicher Schlüssel für nachhaltige Gebäude und Straßen der Zukunft.
Übrigens: Auch in Europa arbeiten Forscher an Baustoffen der Zukunft. In den Niederlanden testet ein deutsches Team an der TU Delft selbstheilenden Beton, der Risse eigenständig schließt und damit CO2 spart sowie die Lebensdauer von Bauwerken verlängert – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © MIT EC³ Hub