Wie Kaugummi – Deutsche Forscher entwickeln dehnbare Elektronik für Sensoren direkt auf der Haut
Dehnbare Elektronik für die Haut: Ein neues Material bleibt bis zu 160 Prozent dehnbar und leitfähig – dank einem Produkt aus der Hautpflege.

Weichmacher aus der Trägerfolie machen das leitfähige Material dehnbar und verbessern den Stromfluss – das zeigt das Team vom Max-Planck-Institut. © MPI-P
Elektronik, die sich wie ein Pflaster trägt und jede Bewegung mitmacht – das haben Forscher am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz nun entwickelt. Möglich macht das ein Material namens PEDOT:PSS, das weich, elastisch und gleichzeitig leitfähig ist. Diese dehnbare Elektronik könnte Sensoren ermöglichen, die direkt auf der Haut liegen – ohne zu drücken, zu reißen oder die Bewegungsfreiheit einzuschränken. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Advanced Science veröffentlicht.
Dehnbare Elektronik dank Glycerin
Wer chronische Krankheiten hat, weiß: Regelmäßige Kontrollen sind oft lästig – Blutzucker messen, Puls überwachen, Arzttermine wahrnehmen. Dafür könnte die neue Technik eine Lösung bieten. Das Material kann direkt auf die Haut aufgebracht werden und wichtige Körperwerte laufend erfassen. Ganz ohne Kabel, Pieks oder Einschränkung im Alltag.
Die Grundlage dafür ist ein leitfähiger Kunststoff, der bisher allerdings zu spröde war. Der Durchbruch gelang den Forschern durch einen einfachen, aber effektiven Trick: Sie verwendeten Glycerin – eine zähe, farblose Flüssigkeit, die auch in Hautcremes vorkommt.
Glycerin macht Trägerstoff elastischer
Das Glycerin wird in eine weiche Trägerfolie eingearbeitet. Von dort wandert es langsam in das leitfähige Material – und verändert dessen innere Struktur. Die Folge:
- Der Stoff wird weich und elastisch
- Er reißt nicht, selbst wenn man ihn stark dehnt
- Und er leitet Strom sogar besser als vorher
Messdaten zeigen klare Effekte
Die Forscher haben verschiedene Glycerin-Konzentrationen getestet. Das beste Ergebnis erzielten sie mit einem Anteil von 55 Prozent:
- Bei 55 Prozent Glycerin war das Material bis zu 160 Prozent dehnbar, ohne Risse zu bilden.
- Zum Vergleich: Ohne Glycerin riss das Material bereits bei 2 Prozent Dehnung.
- Gleichzeitig sank der elektrische Widerstand beim Dehnen auf ein Fünftel des Ausgangswerts.
- Auch bei zyklischer Dehnung blieben die elektrischen Eigenschaften stabil.
Kurz gesagt: Ein Sensor, der sich dehnt wie Kaugummi – aber funktioniert wie ein Draht.
Vielseitig einsetzbar – von der Pflege bis zum Profisport
Ob Pflege, Medizin oder Sport – die neue dehnbare Elektronik könnte in vielen Bereichen zum Einsatz kommen. Sie ist dünn, flexibel und fühlt sich an wie ein zweiter Hautfilm:
- In der Medizin ließen sich Blutzucker, Stresshormone oder Herzfrequenz laufend überwachen
- In der Pflege könnten Warnsignale bei Flüssigkeitsmangel oder Kreislaufproblemen helfen
- Im Sport wären Muskelbelastung oder Übertraining in Echtzeit messbar
Unsere Methode verbessert gleichzeitig die Dehnbarkeit und elektrische Leitfähigkeit von PEDOT:PSS – ein wichtiger Schritt hin zu hautnah tragbaren Biosensoren.
Studienautorin Ulrike Kraft
Funktioniert auch bei Bewegung
Getestet wurde das Material mit verschiedenen Analyseverfahren – von Mikroskopen bis zu elektrischen Messungen. Das Ergebnis: Selbst bei starker Dehnung bleibt es leistungsfähig. Und das macht es zu einem echten Kandidaten für den Alltag.
Kurz zusammengefasst:
- Forscher des Max-Planck-Instituts haben ein leitfähiges Material entwickelt, das sich durch Glycerin-Zugabe bis zu 160 Prozent dehnen lässt, ohne Risse zu bilden.
- Diese dehnbare Elektronik bleibt auch bei starker Bewegung leitfähig und eignet sich für tragbare Sensoren direkt auf der Haut – etwa zur Messung von Blutzucker oder Muskelbelastung.
- Glycerin aus der Trägerfolie verändert die Struktur des leitfähigen Kunststoffs so, dass er elastisch wird und Strom sogar besser leitet als zuvor.
Übrigens: Während in Mainz dehnbare Elektronik für tragbare Sensoren entsteht, zeigen britische Forscher, wie sich Halbleiter in Nanoröhren live verformen – fast wie Zahnpasta. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © MPI-P