Auf der Suche nach Plastikersatz: Bakterien liefern jetzt das passende Material

Ein neu entwickeltes Material aus Bakterien ist reißfest, biologisch abbaubar und könnte Kunststoff in vielen Alltagsprodukten ersetzen.

Bakterien liefern Material, das Plastik ersetzen könnte

Bakterien erzeugen ein stabiles, kompostierbares Material – vielseitig einsetzbar und mit dem Potenzial, Plastik zu ersetzen. © Wikimedia

Plastikmüll ist eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit. Im Jahr 2024 fielen weltweit rund 219 Milliarden Kilogramm an – Tendenz steigend. Ein großer Teil davon landet in Böden, Flüssen oder Ozeanen und bleibt dort über Jahrhunderte bestehen. Die Suche nach umweltfreundlichen Alternativen läuft weltweit auf Hochtouren. Ein Forscherteam aus Texas hat nun eine Methode entwickelt, wie sich mithilfe von Bakterien ein Material herstellen lässt, das nicht nur biologisch abbaubar, sondern auch extrem stabil und vielseitig einsetzbar ist.

Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht und beschreibt einen neuartigen Ansatz zur kontrollierten Herstellung solcher Materialien.

Bakterien-Material entsteht in rotierender Röhre

Das Team nutzt bakterielle Zellulose – ein Biopolymer, das bestimmte Bakterienarten wie Novacetimonas hansenii beim Wachstum bilden. Diese Bakterien produzieren extrem feine Fäden, die sich zu einem stabilen Netz verbinden. Die einzelnen Fasern sind nur wenige Nanometer dick, aber mechanisch sehr belastbar. Die Zugfestigkeit kann bis zu 436 Megapascal betragen – das entspricht etwa dem Wert von Aluminium.

Normalerweise wachsen die Fasern jedoch ungeordnet. Um sie gezielt auszurichten, setzten die Forscher ein rotierendes Kultivierungsgerät ein. Der Zylinder wird bei genau 60 Umdrehungen pro Minute gedreht. So entsteht eine Strömung, die die Bewegungen der Bakterien lenkt – und damit auch die Ausrichtung der Fasern im entstehenden Material.

Bakterien stellen Material her, das stärker ist als viele Kunststoffe

„Wir berichten über eine einfache, einstufige und skalierbare Methode zur Biosynthese robuster bakterieller Zellulosefolien mit ausgerichteten Nanofibrillen“, erklärt Studienleiter Maksud Rahman. Die so hergestellten Folien sind nicht nur reißfest, sondern auch flexibel, transparent und formbar.

Maksud Rahman entwickelt aus bakterieller Zellulose ein vielseitiges, abbaubares Material – als mögliche Alternative zu Plastik. © University of Houston
Maksud Rahman entwickelt aus bakterieller Zellulose ein vielseitiges, abbaubares Material – als mögliche Alternative zu Plastik. © University of Houston

Besonders eindrucksvoll: Die mechanische Stabilität bleibt langfristig erhalten. Wird zusätzlich Boron-Nitrid in den Nährboden eingebracht, steigt die Zugfestigkeit sogar auf bis zu 553 Megapascal. Außerdem verbessert sich die Wärmeleitfähigkeit – sie liegt beim Hybridmaterial etwa dreimal höher als bei herkömmlicher bakterieller Zellulose.

Bakterien als Baumeister: Zellulose-Produktion auf Knopfdruck

Der gesamte Herstellungsprozess dauert rund zehn Tage. Am Ende steht eine transparente, stabile Folie, durch die man sogar Logos hindurch erkennen kann. Die Herstellung ist laut Rahman nicht nur effizient, sondern auch vielseitig anpassbar. „Wir steuern die Bewegung der Bakterien gezielt, sodass sie Zellulose in organisierter Form erzeugen.“

Das eingesetzte Gerät besteht aus fünf Bauteilen: einer drehbaren Welle, einem Sauerstoff-durchlässigen Schlauch aus PDMS, einem Motor, einem Deckel und einem Sockel. Durch die Sauerstoffzufuhr bleibt das bakterielle Wachstum konstant.

Anwendungsmöglichkeiten reichen von Verpackung bis Elektronik

Das Material aus Bakterien könnte in vielen Bereichen zum Einsatz kommen:

  • Verpackungen: biologisch abbaubar und stabil
  • Textilien: flexibel und hautfreundlich
  • Medizinprodukte: z. B. als transparente Wundauflage
  • Elektronik und Energiespeicher: durch hohe Wärmeleitfähigkeit und mechanische Festigkeit geeignet für moderne Anwendungen

„Diese starken, multifunktionalen und umweltfreundlichen Zellulosefolien könnten in vielen Branchen Plastik ersetzen“, sagt Rahman. „Sie tragen dazu bei, Umweltschäden zu reduzieren.“

Forschung vereint Biologie und Nano-Engineering

Die neue Herstellungsmethode bringt gleich mehrere Vorteile: Sie ist einfach, skalierbar und verbindet biologische Prozesse mit gezielter technischer Steuerung. Das Verfahren ermöglicht es erstmals, Bakterien zu „lenken“, sodass sie ein Material erzeugen, das sowohl strukturell als auch funktional hohen Ansprüchen genügt.

„Das ist ein Paradebeispiel für interdisziplinäre Forschung an der Schnittstelle zwischen Materialwissenschaft, Biologie und Nanoengineering“, betont Rahman. Die Kombination aus natürlichen Ressourcen und technischer Präzision könnte helfen, Plastik langfristig zu ersetzen – mit einem Material, das biologisch abbaubar und leistungsfähig zugleich ist.

Kurz zusammengefasst:

  • Ein Forscherteam hat ein neues Material aus bakterieller Zellulose entwickelt, das stabil, flexibel, transparent und vollständig biologisch abbaubar ist.
  • Die Herstellung erfolgt in einem rotierenden Kultivierungsgerät, das die Fasern gezielt ausrichtet und so die mechanischen Eigenschaften deutlich verbessert.
  • Durch die Beimischung von Boron-Nitrid wird das Material noch reißfester und leitet Wärme dreimal so gut – ideal für Verpackungen, Elektronik oder Textilien.

Übrigens: Während Forscher daran arbeiten, Plastik durch nachhaltige Materialien zu ersetzen, zeigt eine neue Studie, wie tief Nanoplastik bereits in unsere Umwelt vorgedrungen ist. Im Nordatlantik treiben laut Messungen mehr winzige Kunststoffpartikel als Makro- und Mikroplastik zusammen – mit Folgen bis in die menschliche Blutbahn. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Falken via Wikimedia unter CC BY-SA 2.5

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert