IAA-Sensation: Dieses Auto kann hören – und erkennt Stimmen, Sirenen und sogar Stress

In München können Besucher der IAA Mobility 2025 bald ein Auto erleben, das nicht nur sieht, sondern auch zuhört.

Autonomes Fahren: Deutsches Auto kann jetzt auch hören

Bisher verlassen sich Autos auf Kameras, Lidar und Radar. Diese Technik funktioniert auch zuverlässig – zumindest, solange die Sicht frei ist. Aus diesem Grund verleihen Ingenieure des Fraunhofer-Instituts ihrem neuen Wagen auch ein Gehör. © Fraunhofer IDMT/Leona Hofmann

Ingenieure des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT haben ein Auto gebaut, das nicht nur sehen, sondern auch hören kann. Diese Neuheit wird auf der IAA MOBILITY 2025 in München präsentiert und stellt laut der Fraunhofer-Gesellschaft den nächsten Schritt in Richtung autonomes Fahren dar.

Das Ziel der Forscher: Fahrzeuge sollen Gefahrensignale wie Sirenen, Stimmen oder spielende Kinder erkennen, noch bevor sie ins Blickfeld geraten. Für Autofahrer und für den Straßenverkehr insgesamt bedeutet das mehr Sicherheit und kürzere Reaktionszeiten. Von alleine fahren kann das Fahrzeug nicht, die akustischen Sensoren liefern allerdings einen wichtigen Schritt in diese Richtung.

Autonomes Fahren wird nach dem SAE-Standard J3016 in fünf Level eingeteilt:

  • Stufe 0 – Keine Fahrautomatisierung: Das Fahrzeug besitzt keinerlei helfende Systeme oder Automatisierung
  • Stufe 1 – Fahrassistenz: Hierzu zählen viele übliche Funktionen wie ein Tempomat oder Antiblockiersystem (ABS), die von alleine eingreifen
  • Stufe 2 – Teilautomatisierung: Das Auto besitzt automatisierte Systeme, die Teilaufgaben übernehmen können (zum Beispiel einen Spurenwechselassistent)
  • Stufe 3 – Bedingte Automatisierung: Das Auto kann streckenweise selbstständig beschleunigen, bremsen und lenken, fordert bei Bedarf aber den Fahrer dazu auf, die Kontrolle zu übernehmen
  • Stufe 4 – Hohe Automatisierung: Im Normalbetrieb fährt das Auto völlig autonom, der Fahrer kann aber eingreifen und die Kontrolle übernehmen.
  • Stufe 5 – Volle Automatisierung: Das Auto fährt völlig autonom, ohne dass der Fahrer eingreifen kann (oder muss)

Autos hören Geräusche wie Sirenen und Kinderstimmen frühzeitig

Bisher verlassen sich Autos auf Kameras, Lidar und Radar. Diese Technik funktioniert zuverlässig, solange die Sicht frei ist. Sobald eine Kurve, eine Hecke oder dichter Nebel die Sicht verdecken, bleibt das Auto blind. Hier setzt die Akustik an: Sie macht hörbar, was noch nicht sichtbar ist. Projektleiter Moritz Brandes erklärt: „Um das Verkehrsgeschehen rundum aufmerksam zu beobachten, ist es entscheidend, Außengeräusche wahrzunehmen und richtig einzuordnen. Viele Situationen im Straßenverkehr kündigen sich nämlich akustisch an, wie beispielsweise ein herannahendes Einsatzfahrzeug, das mit seiner Sirene auf sich aufmerksam macht.“

Am Institutsteil für Hör-, Sprach- und Audiotechnologie in Oldenburg arbeitet ein Team mit Autoherstellern und Zulieferern an dieser Technik. Herzstück ist ein spezielles Messsystem, das das Fahrzeug zur rollenden Plattform für Testfahrten macht. So sammeln die Forscher Trainingsdaten für eine präzise Erkennung.

Das System reagiert nicht nur auf Martinshörner, sondern auch auf menschliche Stimmen oder Kinder, die hinter einer Mauer spielen. In bestimmten Situationen überträgt das Auto Außengeräusche gezielt über die Kopfstütze in den Innenraum. Der Fahrer wird dadurch frühzeitig gewarnt und kann entsprechend reagieren.

Sprachbefehle erlauben sogar Kommunikation mit dem Fahrzeug

Dank Sprachbedienung lässt sich mit Befehlen wie „Hey Auto, öffne die Heckklappe“ zum Beispiel bequem der Kofferraum öffnen. Eine Funktion zur Sprecherverifikation erhöht die Sicherheit, indem nur autorisierte Personen auf diese Art und Weise mit ihrem Fahrzeug interagieren können. So sollen Komfort und Sicherheit im Gleichgewicht bleiben.

Parallel arbeiten die Entwickler an der Signalverarbeitung, indem sie etwa die Positionierung der Mikrofone und das Unterdrücken von Störgeräuschen verbessern. Zusätzlich entwickeln sie Algorithmen für eine zuverlässige Erkennung. Erst das Zusammenspiel dieser Komponenten ermöglicht ein wirklich hörendes Auto, schreibt die Fraunhofer-Gesellschaft.

Mikrofone bestehen Härtetests selbst in Extremklima

Damit sie straßentauglich ist, muss die Hardware natürlich auch unter realen Bedingungen wie vorgesehen funktionieren. Dazu wurden aufwendige Tests durchgeführt – von Portugal bis zum Polarkreis.

  • Mikrofone sitzen in der Fahrzeughülle und sind mit dem Bordnetz verbunden 
  • Gehäuse und Abschirmungen schützen sie vor Wind und Wetter und minimieren zudem störende Fahrtwindgeräusche

Unser Team hat Lösungen entwickelt, die sowohl wind- als auch wetterfest sind und unter extremen Temperaturen funktionieren. […] Die Ergebnisse sind vielversprechend und zeigen das Potenzial unserer Entwicklungen für die Zukunft des autonomen Fahrens.

Moritz Brandes

Innenraumtechnik für mehr Sicherheit und Komfort

Die Entwickler denken aber nicht nur ans äußere, sondern auch ans Innere. So misst ein Kurzstreckenradar Vitaldaten wie Herzschlag, Atmung und Bewegungen der Gliedmaßen. All das geschieht kontaktlos und ohne zusätzliche Geräte. Dazu kommt ein mobiles EEG-System, das Gehirnströme erfasst und Veränderungen der Aufmerksamkeit erkennt.

Eine Stimmanalyse ergänzt das Ganze: Sie erkennt Stress oder Nervosität und spielt diese Informationen an die Passagiere zurück. Nach Einschätzung der Fraunhofer-Gesellschaft erhöht diese Technik die Sicherheit im Alltag erheblich. Neben Sicherheit zählt aber auch Komfort. Mit „YourSound“ können Nutzer die Audiowiedergabe von Infotainment-Systemen im Auto nach ihren Wünschen einstellen. Das System passt Musik und Sprache automatisch an persönliche Hörgewohnheiten an.

Auf der IAA MOBILITY 2025 vom 9. bis 12. September in München können Besucher die Technik direkt erleben. In Halle A2 am Stand C10 steht das Demofahrzeug „The Hearing Car“.

Kurz zusammengefasst:

  • Autos sollen künftig nicht nur sehen, sondern auch hören: Akustische Sensoren erkennen Sirenen, Stimmen und spielende Kinder frühzeitig und erhöhen so die Sicherheit.
  • Die Fraunhofer-Gesellschaft entwickelte dafür robuste Mikrofone und Systeme, die sogar bei Extremtests von Portugal bis zum Polarkreis zuverlässig arbeiteten.
  • Zusätzlich erfassen Radar, EEG und Stimmanalyse die Aufmerksamkeit und den Gesundheitszustand im Innenraum, während „YourSound“ für individuell angepassten Klang sorgt.

Übrigens: Noch mehr Innovation made in Germany: Deutsche Forscher haben einen Weg gefunden, aus CO2 ein Fett für Cremes und Shampoos zu gewinnen – ganz ohne klimaschädliches Palmöl. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Fraunhofer IDMT/Leona Hofmann

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