Wohnen treibt Millionen Menschen in Armut – Wer besonders betroffen ist
Wohnen treibt immer mehr Menschen in die Armut: 17,5 Millionen kämpfen mit hohen Kosten – besonders Senioren, Alleinerziehende und Junge.
Hohe Mieten und Nebenkosten machen das Wohnen teuer und führen immer mehr Menschen in die Armut – und zwar viel stärker als bisher angenommen. Laut einer Sonderauswertung des Paritätischen Gesamtverbands werden durch die Berücksichtigung der Wohnkosten 5,4 Millionen bislang unsichtbare Armutsbetroffene sichtbar. Insgesamt gelten damit 17,5 Millionen Menschen – das entspricht 21,2 Prozent der Bevölkerung – als arm. Diese Menschen verfügen nach Abzug von Miete und Nebenkosten über weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens. Jede fünfte Person ist direkt von Armut betroffen, was die wachsende soziale Belastung durch steigende Wohnkosten verdeutlicht.
„Wohnen entwickelt sich mehr und mehr zum Armutstreiber“, warnt Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Die neue Berechnungsmethode zeigt, dass der finanzielle Spielraum vieler Menschen drastisch schrumpft, wenn die Wohnkosten einkalkuliert werden. Besonders betroffen sind Rentner, Alleinerziehende, Erwerbslose und junge Erwachsene.
Alleinerziehende und Ältere stark betroffen
Die Armutsquote unter Alleinerziehenden beträgt alarmierende 36 Prozent. Noch höher ist sie bei alleinlebenden Senioren: Hier gilt fast jeder Zweite – genauer: 41,7 Prozent – als arm. Auch Erwerbslose sind besonders gefährdet, von Armut betroffen zu sein, mit einer Quote von 61,3 Prozent.
Ein Beispiel verdeutlicht, wie dramatisch sich die Wohnkosten auswirken können: Eine Rentnerin mit einer Standardrente von 1.770 Euro und einer Miete von 450 Euro liegt über der Armutsgrenze. Zieht sie jedoch in eine teurere, barrierefreie Wohnung mit einer Miete von 900 Euro, fällt sie unter die Armutsgrenze. Der Paritätische spricht von einer immer stärkeren Diskrepanz zwischen Einkommen und real verfügbaren Mitteln.
Regionale Unterschiede verschärfen die Lage
Regional betrachtet sind die Unterschiede deutlich: In Bremen, Sachsen-Anhalt und Hamburg ist Wohnarmut am weitesten verbreitet, während Bayern und Baden-Württemberg besser abschneiden. Besonders auffällig ist Hamburg, wo die um Wohnkosten bereinigte Armutsquote deutlich höher liegt als die herkömmliche Berechnung.
„Eine zielgerichtete Politik zur Vermeidung von Armut in Deutschland braucht gute Löhne, bessere soziale Absicherung und eine Wohnungspolitik, die Mieten bezahlbar hält“, fordert Rock. Der Verband betont, dass soziale Ungleichheit durch eine Ausweitung von sozial gebundenem Wohnraum und faire Mieten abgemildert werden müsse.
Das könnte dich auch interessieren:
- Zerfall der Mittelschicht – Immer mehr Deutsche bangen um ihren Lebensstandard
- Vom Zinsertrag leben: Realität oder nur Wunschdenken?
- Wie Haushaltsgeräte das Leben verändern: Kühlschränke als Symbol für Wohlstand
Junge Erwachsene und Alleinlebende sind besonders betroffen
Junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren haben mit einer Armutsquote von 31 Prozent ebenfalls ein besonders hohes Risiko. Viele Studierende und Auszubildende können sich Wohnungen kaum leisten. Zudem trifft es Alleinlebende überproportional hart: Sie zahlen im Schnitt höhere Wohnkosten pro Kopf als Menschen, die in Haushalten mit mehreren Personen leben.
Die Analyse des Paritätischen Gesamtverbands stellt klar, dass allein die Betrachtung von Einkommen nicht ausreicht, um Armut realistisch abzubilden. Entscheidend ist, wie viel Geld nach Abzug der Wohnkosten tatsächlich übrigbleibt. Der Verband fordert, die Berechnung der Armutsstatistik künftig an diese Realität anzupassen, um die politischen Maßnahmen zielgerichteter gestalten zu können.
Was du dir merken solltest:
- Hohe Wohnkosten treiben 17,5 Millionen Menschen in Deutschland in die Armut, darunter besonders Alleinerziehende, Senioren und junge Erwachsene.
- Wohnarmut betrifft 21,2 Prozent der Bevölkerung und ist in Bremen, Sachsen-Anhalt und Hamburg am weitesten verbreitet.
- Die Armutsstatistik muss Wohnkosten stärker berücksichtigen, um politische Maßnahmen gegen Armut besser zu steuern.
Bild: © Lienhard Schulz via Wikimedia unter CC BY-SA 3.0