Nach US-Hilfsstopp: „Über Nacht ist alles weg“ – Afrika steuert auf Aids-Katastrophe zu

Nachdem die USA ihre Aids-Hilfe gestoppt haben, drohen in Afrika Millionen zusätzliche Tote. Medikamente fehlen, Kliniken schließen.

USA stoppen Aidshilfe: Afrika steuert auf Aids-Katastrophe zu

Das Weiße Haus 2021 mit roter Schleife zum Welt-Aids-Tag – ein starkes Symbol der Solidarität, die heute schmerzlich fehlt. © Wikimedia

Mitten im weltweiten Kampf gegen HIV und Aids trifft eine politische Entscheidung viele der Schwächsten besonders hart: Die USA stoppen große Teile ihrer internationalen Hilfe, darunter auch die Aids-Hilfe für Afrika. Damit steht nicht nur ein zentrales Finanzierungsprogramm – PEPFAR – vor dem Aus, sondern auch die medizinische Versorgung für Millionen Menschen weltweit. Beim Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress (DÖAK) in Wien warnten Fachleute eindringlich vor einer drohenden Katastrophe.

Bisher stemmten die USA fast drei Viertel der weltweiten HIV-Hilfe – über 5,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023. Doch seit Januar 2025 wurden alle Auslandshilfen für mindestens 90 Tage eingefroren. Betroffen ist vor allem das PEPFAR-Programm, das seit 2003 mehr als 100 Milliarden Dollar in die Aids-Bekämpfung investierte.

Folgen schon jetzt spürbar

Die Folgen spüren Gesundheitssysteme schon jetzt: In Kenia verloren laut PBS News 550 Fachkräfte ihren Job, in Äthiopien wurden tausende Verträge gekündigt. In mehreren Ländern gehen lebenswichtige HIV-Medikamente aus. Auch bei Präventionsmitteln wie Kondomen, Schutztherapien oder Testkits droht ein Kollaps. „Plötzliche Kürzungen töten“, warnt UNAIDS-Chefin Winnie Byanyima. „Wir riskieren eine Rückkehr zu den Zuständen der 1990er, als Millionen starben.“

Dass HIV heute behandelbar ist, ist dem weltweiten Zugang zu modernen Therapien zu verdanken. Doch wenn dieser Zugang verloren geht, steigt die Ansteckungsgefahr sprunghaft. „Therapieentzug ist ein Menschenrechtsverstoß. Epidemien kennen keine Grenzen“, sagt Prof. Stefan Esser von der Deutschen AIDS-Gesellschaft.

Millionen gefährdet – besonders marginalisierte Gruppen leiden

UNAIDS warnt vor dramatischen Zahlen: Ohne neue Gelder könnte es bis 2029 rund 8,7 Millionen neue HIV-Infektionen geben. Gleichzeitig rechnen Experten mit über sechs Millionen zusätzlichen Aids-Toten und mehr als drei Millionen Aids-Waisen. Schon jetzt könnten über 20.000 Menschen wegen fehlender Medikamente gestorben sein. Besonders betroffen sind ohnehin benachteiligte Gruppen: junge Frauen in Afrika, Menschen in Haft, Sexarbeiterinnen, trans Personen oder Drogenkonsumenten.

„Die HIV-Therapie mit stabilem Behandlungserfolg ist entscheidend“, betont Prof. Alexander Zoufaly vom DÖAK. Sie senkt nicht nur die Sterblichkeit, sondern verhindert auch neue Infektionen. Voraussetzung sei aber eine verlässliche Versorgung, weltweit.

Deutsche Aidshilfe: Rückschritte wären ein Desaster

„Menschen ihren Schutz zu entziehen, endet in einem humanitären Desaster“, sagt Stefan Miller von der Deutschen Aidshilfe. Um die Erfolge der letzten Jahrzehnte zu sichern, brauche es eine neue Struktur globaler Gesundheitsfinanzierung – und vor allem politischen Willen. Dr. Roger Vogelmann von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä) fordert, dass Europa jetzt Führungsverantwortung übernimmt. „Wir können nicht zusehen, wie wieder Millionen sterben.“

Auch Andrea Brunner von der Aids Hilfe Wien appelliert eindringlich: „Es war schon ein Skandal, dass immer noch über 600.000 Menschen jährlich an Aids sterben. Wenn jetzt erneut Millionen sterben müssen, ist das unverzeihlich.“

Africa CDC warnt: „Über Nacht ist alles weg“

Auch die Afrikanische Seuchenschutzbehörde schlägt Alarm. Laut Dr. Jean Kaseya, Direktor des Africa CDC, könnten durch die drastischen Hilfskürzungen der USA und anderer Geber jährlich bis zu vier Millionen zusätzliche Menschen auf dem afrikanischen Kontinent sterben. „Über Nacht ist alles weg“, sagte Kaseya laut Health Policy Watch. Viele afrikanische Länder finanzieren ihre HIV- und Malaria-Programme zu über 80 Prozent aus externer Hilfe. Fällt diese Unterstützung weg, bricht das gesamte Versorgungssystem zusammen. Nach Angaben der WHO könnten Länder wie Kenia, Nigeria oder Burkina Faso bald keine HIV-Medikamente mehr vorrätig haben.

Gesundheitssysteme stehen vor dem Kollaps – Millionen rutschen in Armut

Doch es geht um mehr als Medikamente: Transportwege für Laborproben sind zusammengebrochen, selbst Kliniknetzwerke brechen ein. Africa CDC erwartet durch die Kürzungen 39 Millionen zusätzliche Menschen in Armut. Schnelles Handeln ist nun geboten, damit nicht noch mehr Menschen leiden müssen.

Kurz zusammengefasst:

  • Die USA haben große Teile ihrer internationalen Aids-Hilfe gestoppt – betroffen sind Programme, die bislang Millionen Menschen weltweit mit HIV-Medikamenten versorgten.
  • Organisationen wie UNAIDS und Africa CDC warnen: Ohne neue Finanzierung drohen bis 2029 mehrere Millionen zusätzliche Todesfälle, Neuinfektionen und Aids-Waisen, vor allem in Afrika.
  • Experten fordern jetzt ein schnelles, koordiniertes Handeln Europas – sonst droht ein Rückfall in Zustände wie in den 1990er-Jahren.

Bild: © White House via Wikimedia unter Public Domain

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