Pressefreiheit in Gefahr: Zahl der Angriffe auf Journalisten verdoppelt sich

Die Zahl der Übergriffe auf Medienschaffende hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt. Viele Betroffene berichten von körperlicher Gewalt im Einsatz.

RSF-Report: Die Pressefreiheit in Deutschland ist gefährdet

Journalisten geraten bei ihrer Arbeit zunehmend in Gefahr. © Pexels

In Deutschland dürfen Journalisten frei berichten – eigentlich. Doch 2024 wurden viele von ihnen beleidigt, bedroht oder sogar körperlich angegriffen. Laut der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) kam es im vergangenen Jahr zu 89 dokumentierten Angriffen auf Medienschaffende. Die Zahl hat sich damit mehr als verdoppelt. Was genau steckt hinter dieser Entwicklung? Der neue Bericht Nahaufnahme 2025 zeigt, wo die Probleme liegen – und warum Pressefreiheit in Deutschland längst nicht mehr selbstverständlich ist.

Entwicklung der Angriffe auf Reporter und Medien. © Prisca Martaguet/RSF
Entwicklung der Angriffe auf Reporter und Medien. © Prisca Martaguet/RSF

Zahl der Gewalttaten steigt deutlich

Die Angriffe trafen Reporter nicht nur verbal. In 75 der 89 Fälle kam es zu körperlicher Gewalt: Die Betroffenen wurden getreten, geschlagen oder mit Flaschen beworfen. Besonders häufig kam es zu Übergriffen in Berlin. Dort zählte Reporter ohne Grenzen 49 Angriffe – mehr als die Hälfte aller gemeldeten Fälle.

Von 89 verifizierten Angriffen fanden 49 in Berlin statt. © Prisca Martaguet/RSF
Von 89 verifizierten Angriffen fanden 49 in Berlin statt. © Prisca Martaguet/RSF

Viele dieser Attacken ereigneten sich bei Demonstrationen zur Lage im Nahen Osten. Zwei Reporter waren dabei besonders oft Zielscheibe. Die Organisation dokumentierte mehrere wiederholte Übergriffe auf dieselben Personen.

Feindbild Journalismus breitet sich aus

Auch in anderen Teilen Deutschlands kam es zu gefährlichen Situationen – vor allem bei Kundgebungen rechtsextremer Gruppen oder sogenannter Querdenker. Dabei handelt es sich um Personen, die staatliche Maßnahmen grundsätzlich ablehnen, etwa während der Corona-Pandemie. 2024 gab es bei solchen Veranstaltungen mindestens 21 Angriffe auf Medienschaffende.

Art der Angriffe auf Journalisten und Medienhäuser. © Prisca Martaguet/RSF
Art der Angriffe auf Journalisten und Medienhäuser. © Prisca Martaguet/RSF

Laut RSF ist die Dunkelziffer noch deutlich höher. Viele Betroffene melden Übergriffe nicht, aus Angst oder weil sie wenig Vertrauen in Behörden haben.

Redaktionen geraten bei Nahost-Themen unter Druck

Doch nicht nur körperliche Angriffe machen Journalisten das Leben schwer. Auch innerhalb von Redaktionen erleben viele Druck. Besonders betroffen war 2024 die Berichterstattung zum Krieg im Nahen Osten. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 verschärfte sich laut RSF der Ton in den Medienhäusern.

Einige Reporter berichteten, dass kritische Artikel über die israelische Kriegsführung kaum noch gedruckt wurden. Aussagen palästinensischer Quellen oder internationaler Menschenrechtsorganisationen seien seltener berücksichtigt worden. Gleichzeitig hätten viele Medienschaffende Angst gehabt, öffentlich an den Pranger gestellt zu werden – etwa durch andere Medien oder in sozialen Netzwerken.

Lokale Medien verschwinden – es braucht mehr Förderung

Auch wirtschaftlich steht der Journalismus in Deutschland unter Druck. Die Vielfalt der Medienangebote schrumpft. Vor allem im ländlichen Raum gibt es immer weniger unabhängige Lokalzeitungen. Laut RSF gibt es in fast der Hälfte aller deutschen Landkreise nur noch ein einziges Lokalblatt.

Reporter ohne Grenzen fordert deshalb eine stärkere finanzielle Unterstützung für gemeinnützigen Journalismus. Die Organisation schlägt unter anderem vor, Medienangebote unabhängig von großen Plattformen zu fördern – also nicht nur bei Facebook, Google oder TikTok sichtbar zu machen, sondern direkt bei den Redaktionen anzusetzen.

Gesetzeslücken schützen Täter – nicht Betroffene

Neben finanziellen Mitteln geht es auch um Gesetze. RSF kritisiert, dass viele medienpolitische Vorhaben in Deutschland nur schleppend umgesetzt werden. Dazu gehört etwa der Digital Services Act, mit dem große Internetplattformen verpflichtet werden sollen, gegen Hass und Falschinformationen vorzugehen.

Auch ein geplantes Gesetz gegen digitale Gewalt, das Betroffene besser schützen soll, wurde bisher nicht verabschiedet. Reporter ohne Grenzen fordert die neue Bundesregierung auf, hier dringend nachzubessern.

Exilreporter schützen, digitale Überwachung stoppen

Ein weiteres Problem: Viele Journalisten im Exil sind in Deutschland nicht sicher. Sie wurden in ihren Heimatländern verfolgt, leben nun hier – und sind trotzdem Drohungen ausgesetzt. RSF fordert deshalb besseren Schutz und gezielte Förderung für diesen Teil der Medienlandschaft.

Auch neue Technologien gefährden die Pressefreiheit. Etwa durch staatliche Überwachung, Spionagesoftware oder das Knacken verschlüsselter Kommunikation. So geraten vertrauliche Quellen in Gefahr – und damit auch die Grundlage für unabhängige Recherchen.

RSF fordert Transparenzgesetz

Zudem macht sich RSF für ein echtes Transparenzgesetz stark. Bislang regelt das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz den Zugang zu amtlichen Informationen. Es sichert Bürgern – und insbesondere Journalisten – das Recht zu, Einsicht in Unterlagen von Bundesbehörden und anderen Bundesorganen zu erhalten. Dieses Gesetz soll Transparenz schaffen und es ermöglichen, staatliches Handeln besser nachzuvollziehen. Doch in der Praxis bleibt der Zugang oft schwierig. Reporter ohne Grenzen fordert deshalb, das Gesetz zu einem bundesweiten Transparenzgesetz weiterzuentwickeln, das Recherchen erleichtert und weniger Hürden für Informationsanfragen aufbaut.

Auf der internationalen Rangliste der Pressefreiheit belegt Deutschland aktuell Platz 10 von 180 Staaten. Die neue Liste erscheint am 3. Mai 2025. Sie basiert auf Erhebungen von Reporter ohne Grenzen und gibt Auskunft darüber, wie frei Journalisten weltweit arbeiten können.

Kurz zusammengefasst:

  • Im Jahr 2024 wurden in Deutschland 89 Angriffe auf Journalisten dokumentiert – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr, viele davon mit körperlicher Gewalt.
  • Reporter ohne Grenzen warnt vor wachsender Pressefeindlichkeit, redaktionellem Druck bei politisch sensiblen Themen und einer gefährdeten Medienvielfalt, besonders im Lokalen.
  • Die Organisation fordert ein stärkeres Engagement der Politik, darunter ein Transparenzgesetz, besseren Schutz vor digitaler Gewalt und gezielte Förderung unabhängiger Berichterstattung.

Übrigens: In der Vergangenheit löste ein Google-Test scharfe Kritik aus, weil journalistische Inhalte aus der Suche verschwunden sind. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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