Frankreichs Atommüll-Endlager an deutscher Grenze: Bau verzögert sich, Kosten explodieren

Der Atommüll ist schon da, das Endlager in Lothringen noch nicht – und die Kosten steigen auf bis zu 37,5 Milliarden Euro.

Atommüll-Endlager in Lothringen wird immer teurer

Das Atommüll-Endlager in Lothringen soll 500 Meter tief liegen – doch Bau und Kosten laufen aus dem Ruder. © Wikimedia

Eines der drängendsten Probleme der Atomkraft betrifft nicht nur Deutschland, sondern auch Frankreich: Wohin mit hochradioaktivem Müll, der über Hunderttausende Jahre gefährlich bleibt? Deutschland hat im April 2023 den letzten Reaktor abgeschaltet – der Atomausstieg ist vollzogen. In Frankreich hingegen laufen 57 Reaktoren weiter, neue Anlagen sind bereits in Planung. Direkt an der deutschen Grenze in Lothringen soll nun ein gigantisches Atommüll-Endlager entstehen.

Ein Großteil des vorgesehenen Atommülls ist bereits produziert – doch die geschätzten Kosten für das Lager explodieren schon jetzt. Die französische Atommüllbehörde ANDRA hat ihre Prognosen überarbeitet. Demnach wird das Atommüll-Endlager in Lothringen zwischen 26,1 und 37,5 Milliarden Euro kosten – statt der ursprünglich veranschlagten 25 Milliarden. Die Schätzung bezieht sich auf den Zeitraum von 2016 bis 2170 und rechnet mit Preisen von 2012, um frühere Zahlen vergleichbar zu halten.

Kosten steigen wegen Steuern und Bauanpassungen

Laut der französischen Behörde gehen zwei Drittel der Mehrkosten auf höhere Steuern zurück. Der Rest ergibt sich aus Anpassungen beim Bau und dem geplanten Betrieb, wie Le Monde berichtet. „Der Gesamtkostenrahmen des Projekts bleibt unter Kontrolle: Wir befinden uns immer noch im gleichen Kostenbereich wie vor zehn Jahren“, beruhigt die kommissarische Chefin der ANDRA Gaëlle Saquet die französische Öffentlichkeit. Trotzdem: Die teuerste Variante liegt 50 Prozent über dem alten Plan.

Auch bei der Bauzeit gibt es Veränderungen. Statt wie ursprünglich geplant ab 2035, soll das Lager nun erst 2050 in Betrieb gehen. Allein der Bau der oberirdischen und unterirdischen Anlagen wird rund 20 Jahre dauern. Danach ist eine Betriebszeit von etwa 100 Jahren vorgesehen. Das endgültige Versiegeln ist für etwa 2170 geplant.

Atommüll-Endlager in Lothringen soll 250 Kilometer Stollen bekommen

Das Lager entsteht in einer 150 Meter dicken Tonschicht, rund 500 Meter unter der Erde. Dort sollen rund 250 Kilometer an Stollen und Lagerkammern gegraben werden – schrittweise über Jahrzehnte hinweg. Der radioaktive Müll stammt aus den 57 französischen Reaktoren, unter anderem auch vom neuen EPR-Reaktor in Flamanville.

Bisher gibt es im lothringischen Bure nur ein unterirdisches Forschungslabor. Die endgültige Genehmigung steht noch aus. ANDRA hat im Januar 2023 den Bauantrag gestellt. Eine Entscheidung der französischen Atomaufsicht wird bis Anfang 2026 erwartet. Danach sollen öffentliche Anhörungen und eine Bürgerbefragung folgen. Frühestens 2028 könnte der Bau beginnen.

Neue Reaktoren könnten das Projekt zusätzlich belasten

Die aktuellen Schätzungen decken nur den Müll ab, der von den bestehenden Anlagen produziert wird. Doch Frankreich plant weitere Atomkraftwerke – darunter bis zu 14 neue Reaktoren. Deren Abfälle sind in den aktuellen Planungen nicht berücksichtigt. „Die Zahl zusätzlicher Reaktoren sowie Änderungen in der Energiepolitik werden Auswirkungen auf das Abfallvolumen, die Notwendigkeit von Modernisierungsarbeiten und die Betriebsdauer der Anlage haben“, so Saquet. Gleichzeitig betont sie: „Wir haben noch Zeit, die richtigen Weichen zu stellen.“

Wer das alles bezahlen soll, ist ebenfalls klar: Die Betreiber der Atomkraftwerke – EDF, Orano und die Atombehörde CEA – tragen die Kosten. Ihre eigenen Schätzungen lagen zuletzt deutlich unter denen von ANDRA. Während die Behörde bereits 2016 rund 34 Milliarden Euro ansetzte, rechneten die Unternehmen nur mit etwa 20 Milliarden. Der Staat will bis spätestens 2026 verbindlich festlegen, wer wie viel zahlt.

Kurz zusammengefasst:

  • Frankreich plant ein Atommüll-Endlager in Lothringen, das ab 2050 hochradioaktiven Müll aus 57 Reaktoren aufnehmen soll – bisher existiert nur ein Forschungslabor.
  • Die geschätzten Kosten liegen inzwischen bei bis zu 37,5 Milliarden Euro, also rund 50 Prozent mehr als ursprünglich geplant.
  • Zwei Drittel der Mehrkosten gehen auf höhere Steuern zurück, ein Drittel auf Bau- und Betriebsanpassungen – neue Reaktoren könnten die Pläne zusätzlich belasten.

Übrigens: Während Frankreich Milliarden in ein tiefes Endlager steckt, könnte eine Leipziger Studie den Ausweg zeigen – durch Recycling und Transmutation ließe sich die Strahlenzeit drastisch verkürzen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © D5481026 via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0

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