Schutz ausgehebelt: Wie Alkohol erst den Darm lahmlegt – und dann die Leber angreift
Alkohol schwächt ein zentrales Schutzprotein im Darm – dadurch gelangen Keime in die Leber und verschlimmern Entzündungen und Organschäden.

Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) trinken rund 90 Prozent der Erwachsenen zumindest gelegentlich Alkohol. Pro Kopf werden in Deutschland im Schnitt etwa 10 Liter reiner Alkohol pro Jahr konsumiert. © Pexels
Ein Glas Wein am Abend, ein Bier zum Feierabend – Alkohol gehört für viele Menschen zum Alltag. Dass er der Leber schadet, ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass Alkohol auch den Darm schwächt und dadurch den Schaden in der Leber erheblich vergrößert. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein Eiweiß namens mAChR4. Es schützt die Darmwand und verhindert, dass schädliche Keime in die Leber gelangen. Diesen Zusammenhang haben Forscher der University of California San Diego School of Medicine in einer Studie untersucht.
Sie wollten herausfinden, wie Alkohol die empfindliche Darm-Leber-Achse beeinflusst, warum Leberschäden bei regelmäßigem Konsum schneller fortschreiten und haben nun einen zentralen Mechanismus entschlüsselt, der erklärt, warum alkoholbedingte Lebererkrankungen so schwer verlaufen.
Schlüsselprotein bricht bei Alkohol weg
Im Dünndarm spielt ein Eiweiß namens mAChR4 eine wichtige Rolle. Es sorgt dafür, dass winzige Kanäle in den Schleimhautzellen entstehen. Diese Kanäle heißen GAPs. Sie helfen dem Immunsystem, Bakterien im Darm zu erkennen und abzuwehren.
Bei Menschen mit Alkoholabhängigkeit funktioniert das nicht mehr richtig. In der Studie mit 44 Patienten und 16 gesunden Vergleichspersonen war das Gen für mAChR4 deutlich weniger aktiv. Gleichzeitig waren die Werte des Leberenzyms ALT bei vielen Patienten erhöht. Werte ab 40 U/L gelten als Zeichen für eine geschädigte Leber.
Zehn Wochen Alkohol: Darm und Leber leiden
Auch bei Mäusen war der Schaden klar zu erkennen. Sie erhielten zehn Wochen lang Futter, bei dem bis zu 36 Prozent der Kalorien aus Alkohol stammten. Danach hatten sie deutlich weniger GAPs im Darm. Zwar bildeten sich mehr Schleimzellen, die sonst Schutz bieten, doch der entscheidende Mechanismus blieb blockiert.

Bekamen die Tiere jedoch bestimmte Botenstoffe wie IL-6 oder Wirkstoffe, die mAChR4 aktivieren, öffneten sich die GAPs wieder. Dadurch gelangten deutlich weniger Bakterien in die Leber.
Alkohol blockiert Schutzkanäle – Wirkstoffe können sie jedoch öffnen
Die Forscher testeten auch Substanzen, die das Protein gezielt beeinflussen. Wenn mAChR4 gezielt aktiviert wird, können sich die GAPs im Darm wieder bilden – dieser Schritt reicht aus, um alkoholbedingte Entzündungen in der Leber zu verhindern.
- Wirkstoffe, die mAChR4 aktivieren, schützten die Leber vor Fetteinlagerungen und Entzündungen.
- Blocker wie Tropicamid verschlimmerten die Schäden.
- Ein spezieller Wirkstoff namens DCZ konnte den Schutzmechanismus sogar dann wiederherstellen, wenn die Tiere weiterhin Alkohol bekamen.
Abwehrzellen im Darm werden wieder aktiv
Mit den wiederhergestellten GAPs reagierte auch das Immunsystem wieder stärker. Bestimmte Abwehrzellen schütteten die Moleküle aus. Das wiederum führte dazu, dass andere Immunzellen vermehrt einen Botenstoff des Immunsystems freisetzten. Gemeinsam sorgten diese Signale dafür, dass zwei Schutzproteine gebildet wurden.
Diese beiden Eiweiße binden Bakterien direkt an der Darmwand. So können sie nicht mehr ungehindert in den Körper eindringen. In den Experimenten war die Folge klar: Weniger Keime erreichten die Lymphknoten und die Leber.
Spezielles Eiweiß schützt auch bei westlicher Ernährung
Die Rolle von mAChR4 zeigte sich nicht nur beim Alkoholkonsum. Auch im Modell einer westlichen Ernährung mit viel Zucker und Fett hatten Mäuse ohne dieses Protein größere Probleme. Sie nahmen stärker zu, ihre Lebern verfetteten schneller und zeigten mehr Narbengewebe. Wurde mAChR4 dagegen aktiviert, blieben Gewicht und Leberwerte stabiler, auch bei gleicher Kalorienaufnahme.
Kurz zusammengefasst:
- Alkohol schwächt nicht nur die Leber direkt, sondern zerstört auch Schutzmechanismen im Darm, wodurch Bakterien leichter in die Leber gelangen.
- Das Eiweiß mAChR4 steuert dabei kleine Kanäle (GAPs), die für die Immunabwehr wichtig sind; Alkohol senkt seine Aktivität deutlich.
- Medikamente, die mAChR4 aktivieren, konnten in Versuchen Leberschäden verhindern und gelten als vielversprechende Therapieoption für alkoholbedingte Lebererkrankungen.
Übrigens: Für die Gen Z verliert Alkohol spürbar an Bedeutung – Gesundheit und neue Gewohnheiten rücken in den Vordergrund. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Pexels