Ungewollt kinderlos: Warum es bei vielen Paaren nicht klappt

Viele Paare sind ungewollt kinderlos. Reproduktionsmedizinerin Susann Kreuz erklärt, welche Ursachen es gibt und wie die Fruchtbarkeit mit dem Alter abnimmt.

Ab dem 25. Lebensjahr sinkt die Fruchtbarkeit von Frauen, ab 35 Jahren verringern sich die Chancen auf eine Schwangerschaft deutlich. © Pexels

Ab dem 25. Lebensjahr sinkt die Fruchtbarkeit von Frauen, ab 35 Jahren verringern sich die Chancen auf eine Schwangerschaft deutlich. © Pexels

In Deutschland bleibt jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos. Die Berliner Reproduktionsmedizinerin Susann Kreuz schildert im Interview mit der WELT, warum viele Paare Schwierigkeiten haben, ihren Kinderwunsch zu erfüllen, und welche Missverständnisse oft bestehen. Laut Kreuz, die täglich Paare mit unerfülltem Kinderwunsch betreut, sind vor allem Aufklärungslücken über die eigene Fruchtbarkeit eine zentrale Hürde – ein Umstand, der oft zu spät erkannt wird. „Viele Paare warten sehr lange auf den perfekten Moment, den es im Leben wahrscheinlich gar nicht gibt“, erklärt sie.

Die Rolle des Alters und der richtige Zeitpunkt

Die Entscheidung, Eltern zu werden, ist laut Kreuz der erste Schritt, aber oft scheitern Paare an den biologischen Grenzen des Körpers. Während der Fokus im Leben junger Menschen meist auf Verhütung liegt, kommt der Gedanke an die eigene Fruchtbarkeit oft erst spät ins Bewusstsein. Kreuz betont die Dringlichkeit eines „Aufklärungs-Updates“ ab Mitte zwanzig, um junge Menschen über die schwindende Fruchtbarkeit im Alter aufzuklären. Frauen hätten das höchste Schwangerschaftsrisiko pro Eisprung im Alter von 25 Jahren; danach sinkt die Wahrscheinlichkeit auf eine natürliche Empfängnis allmählich. „Der Knick kommt nach dem 35. Lebensjahr“, erläutert sie. „Dann nimmt die Qualität der Eizellen rasant ab.“ Dies habe zur Folge, dass Frauen häufig erst spät erkennen, dass ihr Körper biologisch andere Voraussetzungen hat, als sie vielleicht glaubten.

Ein Missverständnis, das Kreuz regelmäßig erlebt, ist die Annahme, dass Schwangerschaften im höheren Alter problemlos möglich sind.

Es wird oft gesagt, 40 sei das neue 30. Viele glauben, sie könnten problemlos auch später schwanger werden.

Susann Kreuz

Doch die Realität sieht oft anders aus. Frauen sollten sich bewusst machen, dass die Eizellen genauso alt sind wie sie selbst und im Laufe des Lebens Umwelteinflüssen wie Nikotin oder Krankheiten ausgesetzt sind. Diese Einflüsse können langfristig die Reparaturmechanismen der Eizellen beeinträchtigen und die Wahrscheinlichkeit genetischer Fehler bei der Zellteilung erhöhen.

Mehr als Verhütung: Der Bedarf an Aufklärung

Viele junge Frauen und Männer lernen in der Schule lediglich, wie sie Schwangerschaften verhindern können. Dass der weibliche Zyklus komplex ist und die Chance auf eine Empfängnis je nach Alter stark schwankt, ist hingegen selten Thema. Diese Wissenslücke führt dazu, dass sich Paare in späteren Lebensjahren oft wundern, wenn der Kinderwunsch sich nicht sofort erfüllt. „Selbst wenn man die Pille mal einen Tag vergessen hat, entsteht die Sorge, sofort ungewollt schwanger zu werden,“ erläutert Kreuz. Sie plädiert dafür, den Fokus auch auf die positive Seite der Fruchtbarkeit zu legen und den Weg zu einer möglichen Schwangerschaft offener zu kommunizieren.

Zusätzlich dazu ist es wichtig, die richtigen Schritte zu gehen, wenn der Wunsch nach einem Kind besteht. Sie empfiehlt Paaren, Verhütungsmittel abzusetzen, einen Gesundheitscheck durchzuführen und Folsäure einzunehmen, um das Risiko für Fehlbildungen zu verringern. Entscheidend ist regelmäßiger Geschlechtsverkehr, denn „Spermien können im Körper der Frau einige Tage überleben.“ Kreuz beobachtet, dass viele Paare direkt auf Zyklus-Apps und Ovulationstests zurückgreifen, um den perfekten Zeitpunkt zu finden, was zusätzlichen Druck aufbauen kann.

Die Option Social Freezing – Chancen und Grenzen

Um die Chance auf eine spätere Schwangerschaft zu erhöhen, könne auch das sogenannte Social Freezing eine Option sein, sagt Kreuz. Dabei werden Eizellen entnommen und eingefroren, um eine Schwangerschaft später zu ermöglichen. Doch auch hier gibt es Einschränkungen: „Die Qualität der Eizellen ist mit 25 Jahren am besten. Es ist keine schlechte Idee, diese Qualität zu konservieren.“ Doch das optimale Alter für Social Freezing, nämlich zwischen 25 und 30 Jahren, ist für viele Frauen wenig präsent, da der Wunsch nach Kindern zu diesem Zeitpunkt oft nicht im Vordergrund steht. „Die Realität ist, dass Frauen meist erst Ende 30 darüber nachdenken, wenn der Partner fehlt und die Überlegungen beginnen, wie man die Fruchtbarkeit noch retten kann,“ erklärt sie.

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Nach dem 37. Lebensjahr ist Social Freezing laut Kreuz jedoch weniger erfolgsversprechend, da die Eizellqualität dann bereits abnimmt und die Anzahl der Eizellen oft zu gering ist, um sicherzustellen, dass eine erfolgreiche Schwangerschaft zustande kommt. „Mit Ende dreißig haben viele Frauen schon eine reduzierte Eizellreserve, was die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft über Social Freezing mindert,“ erklärt die Ärztin.

Ursachen und Hürden bei unerfülltem Kinderwunsch

Eine ärztliche Untersuchung ist ratsam, wenn ein Paar nach einem Jahr ungeschützten Geschlechtsverkehrs nicht schwanger wird. Frauen über 35 Jahren sollten sich bereits nach sechs Monaten ärztlich beraten lassen. Ein Drittel der Ursachen dafür, dass viele Paare ungewollt kinderlos sind, liegt bei den Männern, ein Drittel bei den Frauen und ein weiteres Drittel ist auf unklare Ursachen zurückzuführen. Bei Männern ist vor allem Wärme für die Spermienqualität problematisch, sagt Kreuz. „Dazu zählen Situationen wie ein Laptop auf dem Schoß, die Sitzheizung im Auto oder sogar eine Bettheizung.“

Krankheitsbilder wie das PCO-Syndrom (Polyzystisches Ovarialsyndrom) und Endometriose sind häufige Ursachen für ungewollte Kinderlosigkeit bei Frauen. Das PCO-Syndrom kann den Eisprung beeinträchtigen, während Endometriose das Gewebe der Gebärmutter befällt und Eileiter blockieren kann. Verklebte Eileiter aufgrund von Infektionen, wie einer Chlamydieninfektion, sind ebenfalls eine mögliche Ursache. Bei zwanzig Prozent der Paare bleibe die Ursache jedoch unklar, was als idiopathische Sterilität bezeichnet wird. In diesen Fällen ist es schwierig, eine Therapie anzubieten, was für die Paare oft enttäuschend sei, wie Kreuz betont.

Mythen und gesellschaftlicher Druck: Eine zusätzliche Belastung

„Denk nicht an den Kinderwunsch und entspannt euch mal, dann klappt es schon.“ Dieser gut gemeinte Rat ist laut der Ärztin ein verbreiteter Mythos, der betroffenen Paaren jedoch wenig hilft. „Nahezu jedes Paar, das länger nicht schwanger wird, hat diesen Ratschlag schon einmal gehört,“ sagt Kreuz. Zwar sei es richtig, dass Paare im Urlaub häufiger schwanger würden, doch das liege eher an der entspannten gemeinsamen Zeit und regelmäßigerem Geschlechtsverkehr, nicht an einem verminderten Kinderwunsch.

Dieser gesellschaftliche Druck führt oft zu einer zusätzlichen Belastung für die Paare. Viele Freunde und Familienmitglieder wüssten schlicht nicht, wie sie mit dem Thema umgehen sollten. Die Expertin rät dazu, lieber zuzuhören und anzubieten, die Paare bei Bedarf zu unterstützen. „Fragen wie ‚Was kann ich tun? Wie kann ich dich unterstützen?‘ sind oft hilfreicher als unbedachte Ratschläge,“ erklärt Kreuz.

Was du dir merken solltest:

  • Die Fruchtbarkeit nimmt bei Frauen ab dem 25. Lebensjahr ab und sinkt ab 35 deutlich, was die Chancen auf eine Schwangerschaft verringert. Daher ist jedes zehnte Paar ungewollt kinderlos.
  • Social Freezing kann die Eizellqualität erhalten, ist jedoch am effektivsten im Alter von 25 bis 30 Jahren, da später die Anzahl und Qualität der Eizellen abnimmt.
  • Ungewollte Kinderlosigkeit hat oft Ursachen wie das Alter, Endometriose oder PCO-Syndrom; bei etwa 20 Prozent bleibt der Grund jedoch ungeklärt.

Übrigens: Durch den Einsatz von KI konnten Wissenschaftler neue Einblicke in den komplexen Prozess der Befruchtung gewinnen. Diese Erkenntnisse könnten neue Wege zur Erforschung von Unfruchtbarkeit eröffnen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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