Unsichtbarer Feind in der Lunge – Ein Schimmelpilz programmiert den ganzen Körper heimlich um

Eine Infektion mit einem Schimmelpilz verändert nicht nur die Lunge, sondern auch die Darmflora und den Stoffwechsel – mit messbaren Folgen im ganzen Körper.

Schimmelpilz in der Lunge bringt ganzen Körper aus dem Takt.

Was in der Lunge beginnt, bleibt nicht dort: Der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus beeinflusst das Mikrobiom und stört zentrale Stoffwechselprozesse. © Liubov Nikitashina (Leibniz-HKI) und Sandor Nietzsche (EMZ-UKJ)

Schon ein einziger Atemzug und winzige Sporen eines Schimmelpilzes können tief in die Atemwege vordringen. Bei gesunden Menschen bleibt das meist ohne Folgen. Doch bei einem geschwächten Immunsystem, etwa durch eine Krebserkrankung oder eine Behandlung mit Cortison, steigt das Risiko erheblich. Denn der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus kann die Lunge nicht nur angreifen, sondern regelrecht umprogrammieren und dabei sogar den Darm und den Stoffwechsel beeinflussen. Eine neue Studie vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena zeigt, wie umfassend die Folgen sein können.

Schimmelpilz stört die Lunge – und schafft Raum für gefährliche Keime

„Die Zahl der invasiven Aspergillose-Erkrankungen wird auf über zwei Millionen Fälle pro Jahr geschätzt, die Sterblichkeitsrate liegt bei rund 80 Prozent.“, heißt es in der Untersuchung. Ein winziger Pilz, den man weder riecht, noch sieht, kann bei den Falschen zur tödlichen Gefahr werden. Doch was genau passiert da im Körper?

Die Forscher haben entdeckt: Aspergillus fumigatus senkt den Sauerstoffgehalt in der Lunge. Dadurch gewinnen andere Bakterien plötzlich die Oberhand – vor allem solche, die wenig oder gar keinen Sauerstoff brauchen. Besonders stark wächst dabei Ligilactobacillus murinus, ein Keim, der sonst eher im Darm vorkommt. In 91 von 102 untersuchten Lungenproben war Ligilactobacillus das dominierende Bakterium. Der Pilz verändert also nicht nur das Gleichgewicht in der Lunge, sondern erschafft aktiv ein neues.

Kettenreaktionen im gesamten Körper

Was viele überrascht: Die Pilzinfektion verändert auch den Darm. Und zwar deutlich. Wenn das Immunsystem durch Medikamente wie Cortison oder eine Chemotherapie unterdrückt wird – also eine sogenannte Immunsuppression vorliegt – verändert sich die Zusammensetzung der Darmflora stark: Die Vielfalt an Bakterien nimmt zu, doch das Gleichgewicht zwischen nützlichen und schädlichen Keimen gerät aus dem Takt. Diese Veränderungen bleiben nicht auf die Verdauung beschränkt. Der gesamte Stoffwechsel gerät ins Wanken, mit messbaren Folgen im Blut. Wer also eine Aspergillus-Infektion in der Lunge hat, erlebt Veränderungen im ganzen Körper. Für Betroffene bedeutet das: Ein einfacher Infekt kann zu einem komplexen Systemproblem werden.

Das Forschungsteam analysierte auch das sogenannte Metabolom, also die Gesamtheit aller Stoffwechselprodukte im Blut. In infizierten Mäusen stiegen 52 Substanzen stark an, 56 sanken deutlich ab. Das betrifft etwa Fettsäuren, Energiebausteine und Entzündungsmarker. Eine klare Reaktion des Körpers auf den Schimmelpilz.

Medikamente wirken nur begrenzt

Die größte Gefahr bei einer Aspergillus-Infektion liegt womöglich nicht im Pilz selbst, sondern in den Folgen. Die Lunge verliert ihr Gleichgewicht, der Darm verändert sich, der Blutstoffwechsel gerät aus der Spur. Die Erkenntnis: Schimmelpilz-Infektionen wirken nicht lokal, sondern systemisch.

„Der Pilz verbraucht Sauerstoff und fördert so das Wachstum anaerober Bakterien in der Lunge“, erklären die Wissenschaftler. Die medizinische Praxis muss diese Erkenntnisse ernst nehmen. Vor allem bei Intensivpatienten oder onkologisch Erkrankten könnten künftig auch das Mikrobiom und die Blutwerte überwacht werden, nicht nur der Pilz selbst.

Auch die Behandlung wurde untersucht. Zwar wird der Pilz mit Voriconazol bekämpft, doch das Lungenmikrobiom bleibt dabei fast unverändert. Das bedeutet: Die mikrobielle Verschiebung bleibt bestehen, auch wenn die Infektion behandelt wird.

Für Menschen mit Vorerkrankungen oder geschwächtem Immunsystem ist das besonders relevant. Denn selbst wenn die Pilze verschwinden, bleiben neue Keime zurück und könnten langfristig Probleme machen. Die Studie legt damit einen bisher übersehenen Risikofaktor offen.

Warum das für Betroffene so wichtig ist

Wer eine Vorerkrankung hat, kennt das: Schon eine leichte Infektion kann schwer verlaufen. Diese Studie zeigt, warum und wie. Denn der Schimmelpilz wirkt nicht nur über seine direkte Zerstörungskraft, sondern auch über seine Fähigkeit, das biologische Gleichgewicht im Körper zu stören. Mit den Daten können Ärzte Infektionen in Zukunft schneller erkennen, vielleicht sogar bevor sich Symptome zeigen. Das schützt gefährdete Patienten gezielt und verbessert ihre Behandlung – ein echter Fortschritt in der personalisierten Medizin.

Kurz zusammengefasst:

  • Aspergillus fumigatus ist ein Schimmelpilz, der bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem eine gefährliche Infektion in der Lunge auslösen kann.
  • Diese Infektion stört das Gleichgewicht der Lunge, verändert das Mikrobiom im Darm und beeinflusst messbar den Stoffwechsel im gesamten Körper.
  • Selbst nach erfolgreicher Behandlung mit Medikamenten bleibt die mikrobielle Verschiebung bestehen und könnte langfristige gesundheitliche Folgen haben.

Übrigens: Nicht nur der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus gefährdet die Lunge – auch Radon, ein unsichtbares Gas aus dem Boden, kann das Krebsrisiko deutlich erhöhen. Nach dem Rauchen gilt es als zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs in Deutschland – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Liubov Nikitashina (Leibniz-HKI) und Sandor Nietzsche (EMZ-UKJ)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert