Gefahr durch die Pille – Langzeiteinnahme von Desogestrel erhöht das Risiko für Gehirntumor
Die langfristige Einnahme von Desogestrel, enthalten in der Anti-Baby-Pille, kann laut einer neuen Studie das Risiko für gutartige Gehirntumoren erhöhen – besonders ab fünf Jahren Einnahme.

Frauen, die Desogestrel länger als fünf Jahre einnehmen, entwickeln laut einer Studie häufiger gutartige Gehirntumoren. © Vecteezy
Viele Frauen nehmen über Jahre hinweg die Pille – oft ohne zu wissen, welche Wirkstoffe genau darin stecken. Einer davon heißt Desogestrel. Er gehört zur Gruppe der Gestagene, also künstlich hergestellte Hormone, die dem natürlichen Progesteron ähneln. Desogestrel verhindert vor allem den Eisprung und kommt häufig in sogenannten Minipillen zum Einsatz, die kein Östrogen enthalten. Jetzt zeigt eine große französische Analyse: Wer Desogestrel über längere Zeit einnimmt, trägt ein erhöhtes Risiko, einen bestimmten Gehirntumor zu entwickeln – ein meist gutartiges, aber oft operativ zu behandelndes Meningeom. Wissenschaftler der French National Agency for Medicines and Health Products Safety haben für die Studie Krankenkassendaten von über 92.000 Frauen ausgewertet und festgestellt: Das Risiko für einen Gehirntumor steigt vor allem dann, wenn die Pille länger als fünf Jahre durchgehend genommen wird.
Risiko steigt mit den Jahren – vor allem ab fünf Jahren Einnahme
In der Studie wurde eine Dosierung von Desogestrel in Höhe von 75 Mikrogramm untersucht. Das Ergebnis: Frauen, die diese länger als fünf Jahre täglich einnehmen, entwickeln mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Meningeom. Dabei handelt es sich zwar meist um gutartige Tumoren, doch sie können neurologische Beschwerden auslösen und müssen häufig operiert werden.
Die Auswertung zeigt: Wenn Frauen Desogestrel länger als fünf Jahre einnehmen, muss etwa eine von 17.000 wegen eines Gehirntumors operiert werden. Wer das Präparat kürzer nutzt, hat ein deutlich geringeres Risiko – nur etwa eine von 67.000 ist betroffen. Wie stark das Risiko steigt, hängt von der genauen Dauer der Einnahme ab.
Noch auffälliger war der Zusammenhang bei Frauen, die zuvor bereits ein anderes Gestagen mit bekanntem Risiko eingenommen hatten. Ihr Risiko war mehr als dreimal so hoch. Besonders häufig traten die Tumoren in Regionen der Schädelbasis auf, wo sie unter anderem Sehstörungen oder Kopfschmerzen verursachen können.

Gute Nachricht: Gehirntumor-Risiko verschwindet nach dem Absetzen der Pille wieder
Erleichternd für viele Nutzerinnen: Das erhöhte Risiko lässt sich offenbar rückgängig machen. Wer das Präparat absetzt, profitiert, laut den Forschern, schon innerhalb eines Jahres von einem klar messbaren Rückgang der Gefahr. „Bei Frauen, die Desogestrel über mehr als fünf Jahre einnahmen, fanden wir ein leicht erhöhtes Risiko für Meningeome“, heißt es in der Studie. Einige Tumoren könnten sich sogar zurückbilden, wenn das Hormonpräparat gestoppt wird.
„Ein Abbruch der Einnahme kann eine Operation überflüssig machen, da sich der Tumor möglicherweise zurückbildet“, schreibt der nicht an der Studie beteiligte Neurochirurg Gilles Reuter in einem Fachartikel zur Studie.
Levonorgestrel bleibt auch bei Langzeitnutzung unauffällig
Im Gegensatz dazu zeigte sich beim ebenfalls getesteten Levonorgestrel kein Zusammenhang mit einem erhöhten Tumorrisiko. Auch nach mehr als fünf Jahren Anwendung konnten die Wissenschaftler keine auffälligen Abweichungen feststellen, weder beim alleinigen Wirkstoff noch in Kombination mit Östrogen.
Für viele Frauen, insbesondere mit Blick auf die Wechseljahre oder chronische Anwendung, könnte das ein wichtiges Argument für einen Wechsel des Präparats sein. Levonorgestrel gilt damit als sicherer, zumindest in Bezug auf Meningeome.
Frauen sollten Verhütungsmittel individuell und überlegt abwägen
Gynäkologen raten jedoch davon ab, nun in Panik zu verfallen. Stattdessen sollte die neue Studie Anlass für ein ärztliches Gespräch sein. „Ich glaube nicht, dass diese Studie Anlass zur Sorge bietet. Aber sie sollte den Dialog zwischen Frauen und ihren Ärzten fördern, um die beste Verhütungsoption zu finden“, sagt Gynäkologe Gino Pecoraro, der nicht in die Studie involviert war, in einer weiteren Expertenreaktion auf die Analyse.
Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle: Alter, bisherige Vorerkrankungen, familiäre Risiken, aber auch die bisherige Dauer der Anwendung. Wer Desogestrel seit mehr als fünf Jahren einnimmt, sollte gemeinsam mit Fachleuten abwägen, ob ein Wechsel infrage kommt.
Studie schafft verlässliche Datenlage
Die Untersuchung basiert auf einer sogenannten Fall-Kontroll-Analyse. Dafür wurden über 8.300 Frauen mit einem operierten Meningeom jeweils zehn gesunden Frauen gegenübergestellt – mit gleichem Alter und Wohnort. So konnten die Forscher gezielt nach möglichen Mustern suchen.
Besonders sorgfältig wurde unterschieden zwischen kurzfristiger Anwendung (unter einem Jahr) und langfristiger Nutzung (über fünf Jahre). Das Risiko stieg fast ausschließlich in der zweiten Gruppe an – bei den Frauen mit langfristiger Einnahme.
Kurz zusammengefasst:
- Langfristige Einnahme der Pille mit Desogestrel (über fünf Jahre) erhöht das Risiko für einen gutartigen Gehirntumor (Meningeom), vor allem im Bereich der Schädelbasis.
- Nach Absetzen des Medikaments verschwindet das Risiko innerhalb eines Jahres wieder messbar, Rückbildungen der Tumoren sind möglich.
- Levonorgestrel zeigt auch bei jahrelanger Anwendung kein erhöhtes Risiko und gilt deshalb als verträglichere Alternative für die Langzeitverhütung.
Übrigens: Eine sanfte Stromtherapie verändert gezielt das Tumorgewebe, sodass Immunzellen den Krebs leichter angreifen können. Die Methode H-FIRE könnte Krebstherapien künftig wirksamer und verträglicher machen – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Vecteezy