Eierstockkrebs bei jungen Frauen – Neuer Therapieansatz für chemoresistente Fälle

Neue Schwachstellen bei Eierstockkrebs entdeckt – erstmals gelingt es, resistente Tumoren gezielt anzugreifen.

Neuer Therapieansatz für chemoresistenten Eierstockkrebs

Die Studie konzentriert sich auf das weibliche Reproduktionssystem und einen serösen Borderline-Tumor als Ausgangspunkt. Auf dem mikroskopischen Bild sind die Zellen durch Immunfluoreszenz sichtbar gemacht. Gelb markiert: einzelne Tumorzellen, erkannt durch KI. © Lisa Schweizer, MPI für Biochemie

Er trifft häufig Frauen unter 40, wächst langsam und entzieht sich oft jeder Behandlung: Der niedriggradige seröse Eierstockkrebs (LGSC) stellt viele Patientinnen und Ärzte vor ein Dilemma. Denn obwohl der Tumor anfangs gutartig erscheint, kann er später in eine invasive Form übergehen, gegen die klassische Chemotherapien kaum helfen. Unter der Leitung von Prof. Matthias Mann vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried und Prof. Ernst Lengyel von der University of Chicago haben Untersuchungen jetzt erstmals entschlüsselt, wie dieser stille Übergang abläuft und zeigen konkrete Angriffspunkte für neue Medikamente auf.

Tumorverlauf Schritt für Schritt entschlüsselt

Der Ursprung liegt oft in sogenannten Borderline-Tumoren – Zellen, die sich auffällig, aber noch nicht bösartig verhalten. Nach einer operativen Entfernung gelten viele Frauen zunächst als krebsfrei. Doch bei einem Teil der Patientinnen kehrt der Tumor zurück, dann mit fataler Wucht. Warum das passiert, wurde bisher kaum verstanden.

Ein internationales Team hat nun winzige Gewebeproben aus verschiedenen Krankheitsstadien untersucht, von harmlosen Vorformen bis zu metastasierendem Krebs. Sie nutzten dafür eine neue Technik: Deep Visual Proteomics. Damit lassen sich Tausende Proteine gleichzeitig erfassen und präzise im Gewebe verorten.

Metastasierter niedriggradiger Eierstockkrebs ist eine der größten Herausforderungen, vor allem, weil die Patientinnen noch jung sind und kaum auf Medikamente ansprechen.

Ernst Lengyel

Die Analyse zeigt: Schon im Übergangsstadium beginnen sich bestimmte Signalwege im Gewebe zu verändern. Es entsteht ein schleichender Prozess, bei dem sich der Tumor an seine Umgebung anpasst, bis er schließlich ins umliegende Gewebe eindringt.

Gehirnprotein NOVA2 macht Krebszellen aggressiv

Ein überraschender Fund: Im späteren Stadium der Krankheit taucht ein Protein auf, das normalerweise nur im Gehirn aktiv ist. NOVA2, so der Name, war ausschließlich in den bösartigen Tumoren nachweisbar, nicht jedoch in den gutartigen Vorstufen. Die Forscher vermuten, dass es eine Art molekularen Schalter darstellt, der den Tumor aggressiv werden lässt.

„Wir konnten zeigen, dass NOVA2 die Fähigkeit der Krebszellen zur Ausbreitung stark beeinflusst“, sagt Lisa Schweizer, Erstautorin der Studie und frühere Doktorandin am Max-Planck-Institut. Entfernten die Wissenschaftler das Protein in Zellmodellen, verloren die Zellen ihre Teilungsfähigkeit.

Neue Angriffsfläche für Medikamente gefunden

Daraufhin testeten die Forscher eine Kombination zweier Wirkstoffe, die genau an diesen Mechanismen ansetzen. Milciclib bremst das Zellwachstum, während Mirvetuximab eine Art zielgenauer Transporter ist: Es bringt eine giftige Substanz direkt in die Krebszelle, sofern diese das passende Oberflächenprotein trägt.

Das Ergebnis im Tiermodell war deutlich: Die Tumorlast ging zurück. Diese Kombination könnte ein echter Fortschritt sein, gerade für Frauen, deren Tumor auf keine herkömmliche Therapie anspricht. Insgesamt identifizierte das Team 16 mögliche Angriffspunkte für zukünftige Medikamente.

Wie Patientinnen mit chemoresistentem Krebs profitieren können

Die vorgestellte Therapie befindet sich noch in der vorklinischen Phase. Bis zur breiten Anwendung in Kliniken sind weitere Studien nötig. Dennoch bieten die neuen Marker wie NOVA2 schon jetzt potenzielle Ansatzpunkte für eine präzisere Diagnostik. Langfristig könnten sie helfen, Rückfälle frühzeitig zu erkennen oder Risikopatientinnen gezielter zu überwachen.

Diese hochauflösende Analyse erlaubt es uns, die Entwicklung des Tumors genau nachzuvollziehen – von der gutartigen Vorform bis zur invasiven Krebserkrankung. 

Matthias Mann

LGSC betrifft vor allem Frauen im gebärfähigen Alter. Weil diese Form des Eierstockkrebses langsam wächst, wird sie oft spät erkannt. Die jetzt vorgestellte Kombinationstherapie könnte für viele Patientinnen ein dringend benötigter neuer Weg sein. Klinische Studien stehen noch aus, doch die Richtung ist klar: personalisierte Behandlung statt Standard-Chemotherapie. Die molekularen Karten aus der Studie könnten künftig helfen, risikobehaftete Fälle besser zu erkennen und früher gezielt einzugreifen.

Kurz zusammengefasst:

  • LGSC ist eine seltene Form von Eierstockkrebs, die vor allem junge Frauen betrifft, langsam wächst und schlecht auf Chemotherapien anspricht.
  • Forscher entdeckten, dass ein bestimmtes Gehirnprotein (NOVA2) nur in aggressiven Tumorstadien vorkommt und die Ausbreitung der Krebszellen fördert.
  • Eine neue Kombinationstherapie mit Milciclib und Mirvetuximab reduzierte im Tiermodell die Tumorlast deutlich und könnte künftig Patientinnen mit chemoresistentem Eierstockkrebs helfen.


Übrigens: Auch andere Krebsarten bleiben oft jahrelang unbemerkt – ein frühes Erkennen wäre lebensrettend. Jetzt zeigt eine Studie, dass ein empfindlicher Bluttest Krebs bis zu drei Jahre vor der Diagnose nachweisen kann. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Lisa Schweizer, MPI für Biochemie

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