Hörverlust durch Genfehler – Neue Therapie bringt Kindern das Gehör zurück
Eine neue Gentherapie bei Hörverlust hilft Kindern, nach nur einer Behandlung wieder besser zu hören – schnell, wirksam und gut verträglich.

Eine neue Gentherapie ermöglicht gehörlosen Kindern, schon nach wenigen Wochen wieder zu hören. © DALL-E
Was passiert, wenn ein Kind nichts hört? Wenn kein Lachen, kein Vogelzwitschern, kein Wort der Eltern ankommt? Für viele Familien beginnt dann ein langer Weg – mit Hörgeräten, Implantaten, Logopädie und ständiger Sorge. Doch jetzt gibt es erstmals Hoffnung, dass ein einfacher medizinischer Eingriff das Leben dieser Kinder grundlegend verändern kann. Eine neue Gentherapie hat zehn jungen Patienten mit angeborener Taubheit oder Hörverlust das Hören zurückgegeben. Und das mit nur einer einzigen Behandlung – ganz ohne Operation am Gehirn oder langwierige Eingriffe.
Wie die Gentherapie beim Hörverlust helfen kann
Hintergrund ist ein Defekt im OTOF-Gen. Dieses Gen sorgt normalerweise für die Bildung des Proteins Otoferlin – ein entscheidendes Molekül, damit Hörsignale vom Ohr ins Gehirn gelangen. Fehlt es, bleibt das Innenohr stumm.
Die neue Therapie bringt nun eine intakte Version dieses Gens direkt ins Innenohr – über eine punktgenaue Injektion durch eine feine Membran in der Cochlea. Was technisch klingt, bedeutet für betroffene Familien:
- Keine aufwändige Operation
- Keine jahrelangen Anpassungen von Geräten
- Keine ungewisse Wartezeit auf Wirkung
- Sondern: Eine gezielte, einmalige Behandlung
Gentherapie zeigt erste Erfolge schon nach vier Wochen
Alle zehn Patienten in der Studie – Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 1,5 und 24 Jahren – hörten nach der Therapie besser. Bei den meisten setzte die Verbesserung bereits nach einem Monat ein.
Besonders eindrücklich war der Fall eines siebenjährigen Mädchens: Sie konnte vier Monate nach der Behandlung wieder ganz normal mit ihrer Mutter sprechen. Ohne Implantat, ohne Hörgerät.
Konkret verbesserten sich:
- die durchschnittliche Hörschwelle von 106 dB auf 52 dB (entspricht der Lautstärke eines normalen Gesprächs)
- die Hörreaktionen im Gehirn (ABR-Werte), z. B. von 101 dB auf 48 dB
- das Sprachverständnis in Alltagssituationen
Je jünger die Kinder, desto besser die Wirkung
Die Therapie zeigte bei allen Patienten eine Wirkung – doch am deutlichsten bei Kindern im Alter zwischen 5 und 8 Jahren. In diesem Alter ist das Gehirn besonders lernfähig. Es verarbeitet neue Sinneseindrücke schneller und präziser.
Für viele Familien kann das einen enormen Unterschied machen – gerade in einer Phase, in der Sprache, Schule und soziale Kontakte entscheidend werden.
„Das Gehör verbesserte sich bei vielen Teilnehmern deutlich, was einen tiefgreifenden Einfluss auf ihre Lebensqualität haben kann“, sagt die Studienleiter Maoli Duan.
Kaum Nebenwirkungen, gute Verträglichkeit
Auch die Sicherheit der Therapie überzeugte: Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf. Bei einigen Patienten sank vorübergehend die Zahl bestimmter weißer Blutkörperchen (Neutrophile) – medizinisch gut überwachbar und ohne bleibende Folgen.
Insgesamt wurden erfasst:
- 162 leichte bis mittlere Nebenwirkungen (Stufe I/II)
- Häufigste Reaktion: vorübergehend weniger Neutrophile (16 Fälle)
- Keine ernsten oder bleibenden Komplikationen
Genetische Taubheit bald behandelbar?
Für Familien, deren Kinder mit genetisch bedingtem Hörverlust leben, könnte diese Therapie ein Wendepunkt sein. Denn bislang gibt es für die meisten Formen keine ursächliche Behandlung – nur technische Hilfsmittel. Forscher arbeiten bereits an weiteren Genen, die häufig für Taubheit verantwortlich sind, etwa GJB2 oder TMC1. Erste Tierversuche verlaufen vielversprechend.
„OTOF ist erst der Anfang“, sagt Duan. „Wir sind zuversichtlich, dass Patienten mit verschiedenen Formen genetischer Taubheit eines Tages behandelt werden können.“
Kurz zusammengefasst:
- Eine einmalige Gentherapie kann bei Hörverlust helfen und ermöglicht betroffenen Kindern oft schon nach vier Wochen wieder besser zu hören.
- Die Therapie ist besonders wirksam bei jüngeren Kindern und zeigt im Durchschnitt eine deutliche Verbesserung der Hörfähigkeit.
- Sie gilt als sicher, wurde gut vertragen und könnte künftig auch bei anderen genetischen Formen von Hörverlust eingesetzt werden.
Übrigens: Auch im Ohr steckt medizinisches Wissen – buchstäblich, in Form von Ohrenschmalz. Was viele für bloßen Schmutz halten, speichert heimlich Hinweise auf Krankheiten wie Alzheimer, Krebs oder Parkinson. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © DALL-E