Europa erwärmt sich doppelt so schnell – und mit jedem Grad nehmen psychische Erkrankungen dramatisch zu

Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und steigenden Temperaturen nachgewiesen. Vor allem Europa heizt sich schnell auf.

Europa heizt sich auf – und die Psyche leidet mit jedem Grad

Oasen gegen die Hitze: Mit Schattenplätzen, Trinkwasserstellen und grünen Städten lassen sich die Risiken für Körper und Seele mindern. © Pexels

Sommerhitze gehört inzwischen zum Alltag in Europa. Kaum ein Jahr vergeht ohne neue Rekordtemperaturen. Hitzewellen dauern länger, treten häufiger ein und belasten nicht nur Kreislauf und Lunge. Auch die Psyche reagiert empfindlich. Notdienste berichten von mehr Hilferufen, Kliniken von steigenden Aufnahmen. Besonders leiden Menschen mit Depressionen, Schizophrenie oder Angststörungen.

In einer internationalen Studie der School of Public Health der University of Adelaide wurde systematisch untersucht, wie stark Hitze und Hitzewellen psychische Krankheiten verschlimmern. Ausgewertet wurden mehr als 1,7 Millionen Fälle. Das Ergebnis ist eindeutig: Schon ein Grad mehr kann messbare Folgen für die mentale Gesundheit haben.

Europa erwärmt sich doppelt so schnell

Europa erwärmt sich schneller als jeder andere Kontinent. Laut Copernicus Climate Change Service (C3S) sind die Temperaturen hier seit Mitte der 1990er-Jahre um 0,53 Grad pro Jahrzehnt gestiegen – mehr als doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt. Seit vorindustrieller Zeit beträgt der Anstieg bereits 2,4 Grad.

Mehrere Faktoren erklären diesen Trend:

  • Veränderte Wetterlagen: Verschiebungen in der Atmosphäre führen zu häufigeren und intensiveren Hitzewellen. 2024 brachte bereits den zweithöchsten Wert an Tagen mit „Hitzestress“.
  • Saubere Luft mit Nebenwirkung: Strengere Luftreinhaltevorschriften haben die Luftqualität verbessert. Früher hielten Aerosole einen Teil der Sonneneinstrahlung zurück, heute gelangt mehr Strahlung auf die Erdoberfläche – das beschleunigt die Erwärmung.
  • Geografie: Teile Europas reichen bis in die Arktis hinein – die Region, die sich weltweit am schnellsten aufheizt.

Risiko steigt auch für Gesunde

Für Betroffene bedeutet ein heißer Tag nicht nur Schlafstörungen oder Unwohlsein – er kann den Zustand so verschlechtern, dass ein Klinikaufenthalt nötig wird oder sogar Lebensgefahr besteht. Aber auch Gesunde sind nicht frei von Risiken: Hitze steigert Aggressionen, Konflikte und das Suizidrisiko.

Besonders ältere Menschen reagieren empfindlich. Ab 65 Jahren steigt die Sterblichkeit um 2,5 Prozent pro zusätzlichem Grad Celsius. Auch die Zahl stationärer Behandlungen nimmt deutlich zu.

Hitzewellen verschärfen die Risiken massiv

Noch gefährlicher als einzelne heiße Tage sind anhaltende Hitzephasen. In einer Studie verdoppelte eine Periode mit Temperaturen über 35 Grad Celsius die Sterblichkeit in der betroffenen Gruppe. Auch die Zahl der Suizide nahm signifikant zu. Schon kurze Phasen mit Extremtemperaturen reichen, um Betroffene in Not zu bringen.

Die Forscher nutzten Daten offizieller Wetterstationen und verglichen sie mit Krankheits- und Sterberegistern. Besonders deutlich war der Effekt in tropischen und subtropischen Zonen, wo die Sterblichkeit durch psychische Erkrankungen am stärksten zunahm.

Unterschiedliche Krankheiten, unterschiedliche Risiken

Hitze verstärkt nicht alle psychischen Erkrankungen in gleichem Maße:

  • Demenzen: Sterberisiko steigt am stärksten
  • Depressionen: führen häufiger zu Klinikaufenthalten
  • Schizophrenie und Angststörungen: Krankheitsfälle nehmen deutlich zu
  • Suizide: Risiko steigt schon bei +1 °C um mehr als ein Prozent

Der Studie zufolge gibt es für die Folgen von Hitze „ausreichende Belege“. Bei Hitzewellen sei die Datenlage weniger klar, weil Länder unterschiedliche Definitionen verwenden.

Wege aus der Notsituation

Die steigende Zahl von Klinikaufenthalten zeigt die vielen Dimensionen des Problems: Für Betroffene bedeutet es akutes Leid, für Familien zusätzliche Sorgen, Ausfälle im Alltag und finanzielle Belastungen. Auch soziale Netze geraten unter Druck, wenn Menschen plötzlich nicht mehr arbeitsfähig sind oder Betreuung brauchen. Für die Gesundheitssysteme wächst der Stress enorm: Notaufnahmen füllen sich, Behandlungen dauern länger, die Kosten steigen. Schon heute klagen Kliniken über knappe Kapazitäten – Hitzewellen verschärfen diesen Engpass zusätzlich.

„Europa braucht eine Klimaanpassungsstrategie, die auch zutiefst menschlich und sozial ist. Der Schutz der Gesundheit der Europäer gehört dazu, und ihre psychische Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil“, sagt der französische Europaabgeordnete Christophe Clergeau.

Gleichzeitig gibt es Ansätze, die Hoffnung machen: Frühwarnsysteme, Schatten- und Kühlräume in Städten, Trinkwasserstellen oder gezielte Vorsorgeprogramme für ältere und psychisch kranke Menschen können die Zahl der Notfälle deutlich verringern.

Kurz zusammengefasst:

  • Europa erwärmt sich doppelt so schnell wie der Rest der Welt, wodurch Hitzewellen häufiger und intensiver werden.
  • Schon ein Grad mehr belastet die Psyche messbar: Depressionen, Schizophrenie, Angststörungen und Demenzen verschlimmern sich, das Suizidrisiko steigt.
  • Gesundheitssysteme und Familien geraten unter Druck, weshalb Frühwarnsysteme, Kühlräume und Vorsorgeprogramme entscheidend sind, um Betroffene zu schützen.

Übrigens: Sport im Sommer klingt gesund, doch Hitze und UV-Strahlung können Körper und Psyche schneller gefährden, als viele denken. Welche Risiken besonders tückisch sind und wie man sie vermeidet – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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