Demenz durch Luftverschmutzung – Studie zeigt deutlich erhöhtes Risiko

Wer über Jahre Abgase einatmet, trägt ein höheres Risiko für Demenz – schuld sind unsichtbare Partikel wie Feinstaub und NO2.

Demenz durch Abgase? Luftverschmutzung erhöht das Risiko

Abgase und Feinstaub gelangen über die Atemluft bis ins Gehirn. Dort können sie Entzündungen auslösen und das Risiko für Demenz erhöhen. © Unsplash

Gedächtnislücken, Orientierungslosigkeit, Persönlichkeitsveränderungen – was mit kleinen Aussetzern beginnt, kann in einem völligen Verlust der Selbstständigkeit enden. Schon heute leben weltweit über 57 Millionen Menschen mit einer Demenz. In Deutschland dürfte sich die Zahl der Betroffenen bis 2050 deutlich erhöhen. Eine neue Studie unter Beteiligung der Universität Cambridge hat jetzt Hinweise auf einen bislang unterschätzten Risikofaktor geliefert: Luftverschmutzung könnte das Risiko für Demenz messbar steigern.

Die Forscher analysierten knapp 30 Millionen Datensätze aus 34 Ländern. Im Mittelpunkt stehen winzige Schadstoffe wie Feinstaubpartikel (PM2,5), Stickstoffdioxid (NO2) und Ruß. Sie entstehen im Straßenverkehr, bei industriellen Prozessen oder durch das Heizen mit Holz. Über die Atemluft gelangen sie tief in den Körper.

Schon geringe Luftverschmutzung kann das Demenz-Risiko erhöhen

Bereits kleine Mengen an Schadstoffen in der Luft können das Risiko für Demenz erhöhen. Drei Stoffe gelten dabei als besonders problematisch:

  • Feinstaub (PM2,5):
    – Schon 10 Mikrogramm mehr pro Kubikmeter Luft erhöhen das Demenzrisiko um 17 Prozent
    – Kommt z. B. durch Verkehr, Baustellen oder winterliche Wetterlagen zustande
    – Solche Belastungen gibt es besonders in Städten
  • Stickstoffdioxid (NO2):
    – Entsteht vor allem beim Autofahren mit Benzin oder Diesel
    – 10 Mikrogramm mehr in der Luft bedeuten 3 Prozent höheres Risiko
  • Ruß (Schwarz-Kohlenstoff):
    – Bildet sich bei unvollständigem Verbrennen, z. B. in alten Heizungen oder durch Abgase
    – Schon 1 Mikrogramm mehr pro Kubikmeter kann das Risiko um 13 Prozent erhöhen

Partikel passieren sogar die Blut-Hirn-Schranke

Fein- und Rußpartikel sind so klein, dass sie nicht nur tief in die Lunge eindringen, sondern auch ins Blut übergehen. Einige gelangen sogar direkt ins Gehirn. Dort lösen sie chronische Entzündungen und oxidativen Stress aus, die Nervenzellen langfristig schädigen können.

Die Forscher fordern deshalb, Umweltfaktoren stärker in die Demenzprävention einzubeziehen – ebenso wie bekannte Risiken wie Alter, Diabetes oder Bluthochdruck.

Vaskuläre Demenz häufiger als Alzheimer betroffen

Die Auswertung deutet auf ein besonders starkes Risiko für vaskuläre Demenz hin – eine Form, die durch gestörte Durchblutung im Gehirn ausgelöst wird. Obwohl sich die Demenzarten in vielen Fällen überlappen, lassen sich bei Luftverschmutzung deutlichere Zusammenhänge mit dieser Subform erkennen.

Besonders gefährdet sind Menschen mit Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Ältere sowie Personen, die in stark belasteten städtischen Regionen leben. Die Erkrankung trifft aber nie nur Einzelne – sondern das gesamte soziale Umfeld.

Was jetzt politisch nötig wäre

„Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig ein interdisziplinärer Ansatz in der Demenzprävention ist. Es reicht nicht, wenn nur das Gesundheitswesen Verantwortung übernimmt – auch Stadtplanung, Verkehrspolitik und Umweltauflagen spielen eine entscheidende Rolle“, sagt Studienautor Dr. Christiaan Bredell.

So könnte man konkret etwas verbessern:

  • mehr Grünflächen und Luftfilter in Kitas, Schulen und Pflegeheimen
  • strengere Grenzwerte für Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ruß
  • sauberere Heizsysteme statt alter Holz- oder Öl-Heizungen und Öfen
  • weniger Autoverkehr in Wohngebieten

Bisherige Forschung blendet viele aus

Die bisherige Datenlage spiegelt vor allem weiße Bevölkerungsgruppen in wohlhabenden Ländern wider. Menschen mit niedrigem Einkommen oder mit Migrationshintergrund sind in belasteten Gebieten oft überproportional vertreten – werden in Studien aber kaum berücksichtigt.

Diese soziale Ungleichheit zeigt sich auch bei der Belastung durch Luftverschmutzung:

  • Wohnungen an Hauptstraßen, Industrieanlagen oder Bahnstrecken
  • Weniger Zugang zu gesundheitlicher Vorsorge
  • Geringerer politischer Einfluss auf lokale Umweltentscheidungen

Die Forscher fordern deshalb, auch ethnisch und wirtschaftlich diverse Gruppen gezielt zu untersuchen. Nur so lässt sich erkennen, wen die Belastung besonders trifft – und wo gezielte Maßnahmen am dringendsten gebraucht werden.

Kurz zusammengefasst:

  • Luftverschmutzung mit Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ruß kann das Risiko für Demenz deutlich erhöhen – schon geringe Mengen reichen aus, um Entzündungen im Gehirn auszulösen.
  • Besonders betroffen sind ältere Menschen, Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bewohner stark belasteter Stadtteile – vor allem durch vaskuläre Demenz.
  • Die Forscher fordern strengere Umweltregeln und vielfältigere Studien – denn saubere Luft schützt nicht nur die Lunge, sondern auch das Gehirn.

Übrigens: Auch moderne Autos mit Filtertechnik setzen Schadstoffe frei, die sich erst in der Luft in gefährlichen Feinstaub verwandeln. Warum diese Partikel besonders tief in die Lunge eindringen – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert