Neuer Bluttest erkennt Tumor-DNA – und findet Krebs, den Screenings bisher übersehen
Ein neuer Bluttest zur Krebs-Früherkennung entdeckt Tumoren, die bei herkömmlicher Vorsorge unentdeckt bleiben.
 
                Der Galleri-Test sucht im Blut nach winzigen DNA-Spuren von Tumoren – und erkennt so Krebsarten, die bei herkömmlicher Vorsorge unentdeckt bleiben. © Pexels
Krebs gehört zu den häufigsten Todesursachen – und in den meisten Fällen wird er erst entdeckt, wenn es schon zu spät ist. Laut Daten, die Prof. Nima Nabavizadeh vom Knight Cancer Institute auf dem ESMO-Kongress 2025 vorgestellt hat, entgehen den etablierten Vorsorgeprogrammen rund 86 Prozent aller Krebserkrankungen. Für viele Menschen kommt die Diagnose deshalb überraschend, und oft erst im fortgeschrittenen Stadium. Diese Lücke versuchen Forscher nun mit einem Bluttest zur Krebs-Früherkennung zu schließen – er könnte Tumoren zeigen, bevor sie Beschwerden verursachen.
Der sogenannte Galleri-Test analysiert winzige DNA-Spuren im Blut, die von Tumorzellen stammen. Das Verfahren, entwickelt vom US-Unternehmen GRAIL, wurde in der großen PATHFINDER-2-Studie untersucht. Dabei zeigte sich, dass der Test deutlich mehr Krebserkrankungen aufspürt als klassische Screenings – aber auch Grenzen hat.
Ein Bluttest entdeckt Krebsarten, für die es keine Vorsorge gibt
In Europa und den USA sind bis zu 70 Prozent aller Krebstodesfälle auf Tumoren zurückzuführen, für die keine Vorsorgeprogramme existieren – etwa Bauchspeicheldrüsen-, Eierstock– oder Leberkrebs. Diese Lücke könnte der neue Bluttest nun schließen.
Das Prinzip: Aus einer kleinen Blutprobe filtert ein Labor die sogenannte zellfreie DNA heraus. Deren Methylierungsmuster verraten, ob Zellen entartet sind – und aus welchem Organ sie stammen könnten. Mit Hilfe von KI erstellt der Test dann ein Profil, das nicht nur „Krebs ja oder nein“ liefert, sondern auch Hinweise auf den Tumorursprung.
In der aktuellen PATHFINDER-2-Studie nahmen mehr als 35.000 Menschen über 50 Jahre teil, die keine bekannten Krebssymptome hatten. Das Ergebnis:
- Bei rund einem Prozent der Teilnehmer zeigte der Test ein mögliches Krebssignal.
- In etwa sechs von zehn Fällen bestätigte sich dieser Verdacht später tatsächlich.
- Mehr als die Hälfte der entdeckten Tumoren befand sich in einem frühen Stadium – zu einem Zeitpunkt, an dem die Heilungschancen besonders hoch sind.
„Das ist bemerkenswert“, sagte der Schweizer Onkologe Prof. Olivier Michielin gegenüber Medscape. „Eine positive Vorhersagewahrscheinlichkeit von 60 Prozent ist ein beachtlicher Wert. Dieser Test wird keine unbegründete Angst auslösen.“
PATHFINDER-2: Deutlich höhere Trefferquote als der erste Versuch
Die PATHFINDER-2-Studie ist der Nachfolger einer kleineren Untersuchung, bei der der Test bereits erprobt wurde. Damals lag die sogenannte positive Vorhersagewahrscheinlichkeit (PPV) bei etwa 38 Prozent – jetzt sind es über 60 Prozent. Auch die Genauigkeit bei der Vorhersage des Tumorursprungs hat sich verbessert: In 92 Prozent der bestätigten Fälle konnte der betroffene Körperbereich korrekt bestimmt werden.
Noch wichtiger ist jedoch die Zahl der zusätzlichen Diagnosen: Der Test erhöhte die Erkennungsrate von Krebs um das Siebenfache, wenn er zusätzlich zu den bestehenden Vorsorgeprogrammen eingesetzt wurde. Und 75 Prozent der damit entdeckten Tumore betrafen Krebsarten, für die es bislang keine empfohlene Früherkennung gibt.
So stark kann ein Bluttest die Krebs-Früherkennung verändern
Das Potenzial ist groß – vor allem, wenn man bedenkt, dass etablierte Verfahren wie Mammographie, Darmspiegelung oder Lungen-CT nur für einen kleinen Teil aller Krebsarten eingesetzt werden. Ein ergänzender Test könnte also helfen, viele Tumoren zu entdecken, bevor sie sich ausbreiten.
Besonders eindrucksvoll ist die Verteilung der Stadien: Von den 114 neu entdeckten Primärtumoren befanden sich
- 53,5 Prozent im Stadium I oder II,
- 69,3 Prozent im Stadium I bis III.
Damit könnte der Test helfen, Behandlungen früher zu beginnen – und im Idealfall Leben retten.
Kritische Stimmen: „Nur geringfügig besser als ein Münzwurf“
Doch nicht alle Experten teilen die Begeisterung. Prof. Anna Schuh von der Universität Oxford beurteilt die Daten deutlich zurückhaltender. „Der Test hat 133 Krebserkrankungen entdeckt – also nur etwa ein Drittel von dem, was er eigentlich erfassen sollte“, sagte sie gegenüber dem Science Media Centre. Ihrer Einschätzung nach ist der Test damit „nur geringfügig besser als ein Münzwurf“ – und derzeit noch weit von einem praktikablen Vorsorgeinstrument entfernt.
Um diese Zahl zu erreichen, mussten mehr als 23.000 Menschen getestet werden – also jene, deren Daten in der Zwischenauswertung der PATHFINDER-2-Studie bereits vollständig vorlagen. Bei einem Preis von knapp 1.000 Dollar pro Test ergibt das laut Schuh rund 174.000 Dollar pro zusätzlich diagnostiziertem Krebsfall. Für ein öffentliches Gesundheitssystem wie den britischen NHS sei das kaum tragbar.
„In einer Kosten-Nutzen-Analyse wäre das weit über der Schwelle, die der NHS etwa bei neuen Krebsmedikamenten ansetzt“, erklärte sie.
Sensitivität bleibt die Schwachstelle
Ein weiterer Schwachpunkt ist die Empfindlichkeit des Tests – also seine Fähigkeit, tatsächlich vorhandene Tumoren zu erkennen. In der PATHFINDER-2-Analyse lag die Sensitivität bei rund 74 Prozent, wenn nur zwölf häufige Krebsarten berücksichtigt wurden. Diese machen etwa zwei Drittel aller Krebstodesfälle aus. Bezieht man jedoch alle Tumorarten ein, sinkt der Wert auf etwa 40 Prozent.
Anna Schuh ordnete das Ergebnis ein: „Es ist ermutigend zu sehen, dass fast 50 Prozent der entdeckten Fälle im frühen Stadium I oder II lagen. Das entspricht dem, was man von einem Test erwarten kann, der auf einer einzigen Methode – den krebsspezifischen Methylierungsveränderungen – basiert.“ Das erkläre auch, warum die Sensitivität bei einigen Krebsarten hoch sei, „aber bei vielen anderen, die zusammengenommen mehr als die Hälfte aller Krebsfälle ausmachen, klinisch schwach“.
Hohe Spezifität des Bluttests – doch Fehlalarme bleiben ein Problem
Die Spezifität des Tests – also die Fähigkeit, Gesunde korrekt als gesund zu erkennen – lag laut Schuh bei 99,6 Prozent und damit etwas höher als in früheren Studien. „Das zeigt, dass die Entwickler das Modell darauf trainiert haben, Fehlalarme zu vermeiden“, sagte sie. Dennoch schätzt sie, „dass es immer noch rund hundert falsch positive Ergebnisse gibt“. Diese Zahl sei akzeptabel, betonte sie, doch müsse es „eine klare Nachsorge für diese Personen geben, damit unnötige Belastungen vermieden werden“.
Schuh zog daraus ein nüchternes Fazit: „Ich bin weniger über die Größe der Studie besorgt als über die niedrige Erkennungsrate in dieser Gruppe und die hohen Kosten des Tests.“
Kurz zusammengefasst:
- Laut neuen Daten vom ESMO-Kongress 2025 entgehen 86 Prozent aller Krebserkrankungen der Vorsorge – ein neuer Bluttest zur Krebs-Früherkennung soll diese Lücke schließen.
- Der Galleri-Bluttest konnte in der PATHFINDER-2-Studie deutlich mehr Tumoren finden, darunter viele, für die es bisher keine Vorsorgeprogramme gibt.
- Experten warnen jedoch vor hohen Kosten und begrenzter Sensitivität – ob der Test tatsächlich Leben verlängert, soll sich erst 2026 zeigen.
Übrigens: Während Bluttests Krebs früh erkennen sollen, greifen Forscher nun zu Licht, um ihn zu bekämpfen – LED-Strahlen töten Tumorzellen, ohne gesundes Gewebe zu verletzen. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Pexels
 
                       
                       
                       
                       
                       
                       
                       
                       
                       
                       
                       
                      