Antikörper entlarven sich als heimliche Treiber des Alterns

Antikörper beschleunigen das Altern, indem sie Organe altern lassen. Neue Forschung eröffnet jedoch auch neue Wege für Anti-Aging-Therapien.

Wissenschaftler entdecken universelle Anzeichen systemischer Alterung. © Pexels

Wissenschaftler entdecken universelle Anzeichen systemischer Alterung. © Pexels

Eine überraschende Entdeckung stellt bisherige Annahmen über den Alterungsprozess auf den Kopf: Immunglobuline, auch Antikörper genannt, beschleunigen aktiv das Altern im Körper. Diese Eiweiße sind eigentlich unverzichtbare Helfer unseres Immunsystems. Sie erkennen und bekämpfen eindringende Krankheitserreger wie Bakterien und Viren, aber auch Allergene. Doch nun haben Wissenschaftler der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) und BGI Research ihre problematische Zweitrolle aufgedeckt. Die verblüffenden Ergebnisse erschienen im renommierten Fachjournal Cell.

Die Forscher untersuchten neun verschiedene Organe von Mäusen und erstellten präzise molekulare Landkarten des Alterungsprozesses. Dabei konzentrierten sie sich besonders auf Immunglobulin G (IgG) – die häufigste Form der Antikörper. Diese machen 60 bis 80 Prozent aller Antikörper aus und sind besonders wichtig für das immunologische Gedächtnis. Die Analyse von Millionen Messpunkten und über 70 verschiedenen Zelltypen enthüllte mithilfe der neuartigen Organisationsstruktur-Entropie-Analyse (OSE) ein überraschendes Muster.

Antikörper beschleunigen Altern – Immunsystem mit Schattenseiten

Ein Hauptmerkmal des Alterns ist der Verlust der zellulären Identität. Besonders in bestimmten Geweberegionen, den „Seneszenz-sensitiven Spots“ (SSS), häufen sich Antikörper-produzierende Plasmazellen an. Diese Bereiche altern schneller als das umgebende Gewebe. In den SSS steigt die Expression von Genen, die mit Immunglobulinen in Verbindung stehen, deutlich an. Die Wissenschaftler entdeckten: Je mehr IgG sich in den Geweben ansammelt, desto schneller schreitet der Alterungsprozess voran.

Wissenschaftler entdecken universelle Anzeichen systemischer Alterung. Cell (2024). © DOI: 10.1016/j.cell.2024.10.019

„Diese Landschaft markiert einen bedeutenden Fortschritt“, erklärt Studienleiter Professor Liu. „Sie zeigt die Zentren der Alterung in mehreren Organen und enthüllt die Ansammlung von Immunglobulinen als wichtiges Alterungsmerkmal.“ Besonders brisant: Die IgG-Anreicherung findet sowohl bei Mäusen als auch beim Menschen statt und löst direkt die Alterung von Immunzellen wie Makrophagen und Mikroglia aus.

Durchbruch verspricht neue Anti-Aging-Therapien

Ein vielversprechender Durchbruch gelang dem Team mit einer neuen Behandlungsmethode: Mithilfe spezieller Moleküle, sogenannter Antisense-Oligonukleotide (ASO), konnten sie den IgG-Gehalt in Geweben reduzieren. Diese Intervention verlangsamte die Alterung mehrerer Organe deutlich und verhinderte die Freisetzung alterungsfördernder Entzündungsfaktoren.

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Der neu entdeckte „Immunglobulin-assoziierte Seneszenz-Phänotyp“ (IASP) könnte der Schlüssel zu wirksamen Anti-Aging-Therapien sein. Besonders eindeutig: Als die Forscher jungen Mäusen IgG injizierten, alterten deren Organe beschleunigt. Diese Ergebnisse beweisen die zentrale Rolle der Antikörper beim Altern und eröffnen neue Wege in der Altersmedizin. Die Entdeckung des zweischneidigen Charakters unseres Immunsystems markiert einen Meilenstein in der Gerontologie.

Was du dir merken solltest:

  • Antikörper (Immunglobuline) haben eine überraschende Doppelrolle: Sie schützen den Körper vor Krankheitserregern, beschleunigen aber gleichzeitig den Alterungsprozess.
  • Wissenschaftler der CAS und BGI Research entdeckten, dass die Ansammlung von Immunglobulin G (IgG) in Geweben und Organen ein Haupttreiber des Alterns ist und zur Störung der Zellidentität und Gewebestruktur führt.
  • Eine vielversprechende Intervention mit Antisense-Oligonukleotiden (ASO) konnte den IgG-Gehalt in Mausgeweben reduzieren und den Alterungsprozess in mehreren Organen verlangsamen, was neue Wege für Anti-Aging-Therapien eröffnet.

Bild: © Pexels

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