Wirtschaftsweise schlägt Alarm: „Man kann sich auf die Kitas nicht verlassen“
Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer kritisiert unzuverlässige Kitas und Personalmangel. Eltern kämpfen mit Schließungen und Teilzeit-Falle.
„Kitas sind nicht zuverlässig.“ Der Satz der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer spricht vielen Eltern direkt aus der Seele. Spontane Schließungen, kurze Öffnungszeiten und der allgegenwärtige Personalmangel treiben Familien zunehmend in prekäre Situationen. „Wir mussten eine Notbetreuung organisieren“, schildert eine Mutter auf Reddit. Großeltern, die zweimal die Woche einspringen, Eltern, die sich Betreuungstage mit anderen Familien teilen, oder drastisch reduzierte Arbeitszeiten – so sieht der Alltag vieler aus.
Nicht jeder hat Verwandte in der Nähe, die helfen können. „Mit 32 oder 35 Wochenstunden versuchen wir, das irgendwie zu wuppen“, berichten Eltern. Doch der Spagat zwischen Arbeit und Kinderbetreuung bringt viele an ihre Grenzen. Monika Schnitzer, die Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft, bringt es auf den Punkt: „Man kann sich auf die Kitas nicht verlassen.“
Angespannte Lage in den Kitas – Wirtschaftsweise sieht Teilzeit als erzwungene Lösung
Die angespannte Lage in den Kindertagesstätten zwingt viele Eltern – meist Mütter – in Teilzeit. „Das ganze System beruht darauf, dass man Großeltern miteinbezieht oder sich privat, wenn man es sich leisten kann, Babysitter organisiert. Wer das nicht kann, hat keine andere Wahl, als seine Arbeitszeit zu reduzieren“, sagt Schnitzer in einem Interview mit der Funke Mediengruppe. Besonders Maßnahmen wie das Ehegatten-Splitting, die traditionelle Rollenverteilungen fördern, verschärfen diese Dynamik.
Doch die Ökonomin sieht nicht nur die Politik, sondern auch Unternehmen in der Pflicht: „Es kann nicht sein, dass junge Väter schief angeschaut werden, wenn sie nur noch 80 Prozent arbeiten wollen, damit sie es der Mutter ebenfalls ermöglichen, 80 Prozent zu arbeiten.“ Schnitzer fordert ein radikales Umdenken und mehr Unterstützung für Eltern.
Kitas fehlen über 125.000 Fachkräfte
Die Dramatik der Lage zeigt sich auch in aktuellen Studien. Laut dem Kita-Bericht 2024 des Paritätischen Gesamtverbands fehlen bundesweit über 125.000 Fachkräfte in der Kindertagesbetreuung. Hinzu kommt: Viele Kitas greifen auf unqualifiziertes Personal zurück, um den Betrieb überhaupt aufrechterhalten zu können. Wie die Bertelsmann Stiftung berichtet, sinkt die Quote pädagogisch ausgebildeter Fachkräfte in den Teams stetig – von 75,8 Prozent im Jahr 2017 auf mittlerweile nur noch 72,5 Prozent.
„Dieses Zusammenspiel ist fatal“, warnt Schnitzer. Denn Notlösungen wie diese gehen zulasten der Qualität und erhöhen den Druck auf die ohnehin überlasteten Fachkräfte. Das Resultat: mehr Teilzeit, weniger Einkommen, und Eltern, die sich zunehmend alleingelassen fühlen.
Mehr Investitionen in Kitas gefordert
Schnitzer plädiert für tiefgreifende Reformen: „Wir brauchen mehr Geld und mehr Personal für die Kitas. Nur so können wir zusätzliche Arbeitszeit gewinnen und Eltern entlasten.“ Doch sie betont auch, dass Kinderbetreuung weit mehr ist als nur eine praktische Lösung: „Eine hochqualifizierte Kinderbetreuung ist auch wichtig für die Integration.“
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Das aktuelle System ist aus Sicht der Vorsitzenden der „Wirtschaftsweisen“ nicht zukunftsfähig. Ohne grundlegende Veränderungen droht die Situation in deutschen Kitas weiter zu eskalieren – mit schwerwiegenden Folgen für Familien, den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft insgesamt.
Was du dir merken solltest:
- Unzuverlässige Kitas belasten Eltern: Spontane Schließungen und Personalmangel zwingen viele Familien, ihre Arbeitszeiten drastisch zu reduzieren.
- Fachkräftemangel verschärft die Krise: Über 125.000 Erzieherinnen und Erzieher fehlen, was die Qualität der Betreuung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie beeinträchtigt.
- Wirtschaftsweise fordert Reformen: Monika Schnitzer plädiert für mehr Personal, höhere Investitionen und ein Umdenken in Politik und Unternehmen.
Übrigens: In vielen Fällen springen Oma und Opa ein, um ihre Enkel zu betreuen. Intensive Kinderbetreuung schränkt jedoch die Zeit von Großeltern für Sport und Erholung ein und beeinträchtigt ihre Gesundheit spürbar. Mehr dazu in unserem Artikel.
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