Metaphern prägen unser Denken mehr als wir glauben

Metaphern verknüpfen konkrete Erfahrungen mit abstrakten Begriffen – und beeinflussen so unbemerkt Gespräche und Meinungsbildung.

Wie Metaphern unser Denken beeinflussen

„Puh, die Zeit rennt“ oder „eine Welle der Empörung“ – Metaphern gehören fest zur menschlichen Sprache und Denkweise. Sie helfen dabei, komplexe Inhalte greifbar zu machen, indem sie sie mit vertrauten Erfahrungen verbinden. © Pexels

Viele Redewendungen wirken unscheinbar – und doch lenken sie, wie Menschen denken. Wer sagt, jemand sei „am Boden zerstört“, ruft nicht nur ein Gefühl hervor, sondern verknüpft es automatisch mit einem inneren Bild. Genau solche Metaphern helfen dabei, abstrakte Zusammenhänge verständlich zu machen – im Gespräch, im Beruf, in der Politik oder in Beziehungen. Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für Mathematik in den Naturwissenschaften zeigt, wie tief Metaphern in den Alltag eingreifen.

Metaphern wirken wie mentale Landkarten

Die Studie zeigt: Metaphern bilden ein stabiles Netzwerk im Kopf. Sie helfen dabei, abstrakte Themen wie Zeit, Macht oder Verantwortung auf konkrete Erfahrungen zurückzuführen, etwa auf Bewegung, Körper oder Raum. Damit strukturieren sie unser Denken, lenken Argumente in Meetings, prägen Konflikte in Partnerschaften und „framen“ beziehungsweise beeinflussen sogar politische Debatten – oft, ohne dass man es bemerkt.

„Metaphern sind keine rhetorischen Spielereien. Sie formen, wie wir denken“, sagen die Autoren Marie Teich und Wilmer Leal. Gemeinsam mit Jürgen Jost haben sie ein mathematisches Modell entwickelt, das diese inneren Verbindungen sichtbar macht.

Die typischsten Motive in Metaphern

In der Studie zeigte sich, dass bestimmte vertraute Bereiche besonders oft als Ausgangspunkt oder Ziel von Metaphern dienen. Dazu zählen Bewegung, Körper und soziale Nähe.

Besonders häufig beginnen Metaphern bei körperlichen Erfahrungen: etwa beim Gehen, Sehen oder Berühren. Aus diesen vertrauten Grundlagen entstehen Übertragungen in abstrakte Begriffe. Wer sich „hochgearbeitet“ hat, hat kein Seil erklommen, aber ein Bild vor Augen, das Leistung mit Aufstieg verknüpft.

Auch andere Arten der Bewegung werden häufig genutzt, um abstrakte Ideen greifbarer zu machen – etwa in Wendungen wie „einen Schritt weiter sein“, „auf der Stelle treten“ oder „den Weg ebnen“. Der Körper taucht in Bildern wie „jemandem die kalte Schulter zeigen“, „aus der Haut fahren“ oder „Rückgrat zeigen“ auf. Auch Nähe und Distanz zwischen Menschen werden oft übertragen – zum Beispiel in „jemandem nahe stehen“, „auf Abstand gehen“ oder „Brücken bauen“.

Diese Bilder helfen, komplexe Themen so zu erklären, dass sie unmittelbar verständlich wirken.

Gegensätze erzeugen Bilder – und formen Begriffe über Jahrzehnte hinweg

Metaphern entstehen dort, wo Unterschiede bestehen, zwischen konkret und abstrakt, zwischen innen und außen, zwischen Ich und Welt. Diese Gegensätze fördern neue Denkbewegungen. „Die Spannung zwischen Themen macht Metaphern produktiv“, heißt es in der Studie. So entstehen neue Bedeutungen: Wer „mit der Faust auf den Tisch haut“, formuliert damit nicht nur Wut, sondern übersetzt innere Entschlossenheit in körperliche Aktion.

Viele Metaphern verlieren mit der Zeit ihre ursprüngliche Bildhaftigkeit. Doch sie bleiben als feste Wendungen erhalten. Wer sagt, etwas sei „unter Kontrolle“, denkt nicht mehr an die Hand, die etwas festhält. Trotzdem wirkt die Verbindung weiter.

Die Forscher analysierten diese Entwicklungen systematisch in der englischen Sprache. Dabei stellten sie fest: Solche metaphorischen Strukturen bleiben über Jahrzehnte stabil und ordnen Begriffe inhaltlich.

Mathematik deckt unsichtbare Muster auf

Das Besondere an dieser Studie: Sie arbeitet mit Methoden aus der Netzwerkanalyse. Begriffe wurden mathematisch verknüpft, ihre Verbindungen in Karten übersetzt. So wurde sichtbar, welche Wörter als Knotenpunkte besonders wichtig sind.

„Wir haben gesehen, dass sich viele Begriffe um wenige zentrale Themen gruppieren“, erklären die Forscher. Diese Knoten sind sprachlich besonders aktiv und beeinflussen, wie Menschen Wissen strukturieren.

Wer Metaphern versteht, versteht mehr

In Gesprächen, in der Politik, in der Wissenschaft – überall helfen sie, komplizierte Sachverhalte greifbar zu machen. Gerade in Berufen, in denen Kommunikation eine zentrale Rolle spielt, können Metaphern Türen öffnen oder verschließen. Wer bewusst mit ihnen umgeht, kann komplexe Inhalte verständlich machen und andere mitnehmen.

Die Studie zeigt, wie sehr Sprache das Denken prägt. Nicht durch Regeln oder Vokabeln – sondern durch Bilder. Wer Metaphern gebraucht, verknüpft Altes mit Neuem, Vertrautes mit Unbekanntem.

Kurz zusammengefasst:

  • Metaphern sind mehr als sprachliche Bilder – sie strukturieren, wie Menschen denken, sprechen und komplexe Inhalte einordnen.
  • Sie verknüpfen konkrete Erfahrungen mit abstrakten Begriffen und prägen so Kommunikation in Alltag, Beruf, Beziehungen und Politik.
  • Eine Studie des Max-Planck-Instituts zeigt, dass diese metaphorischen Strukturen stabil sind und unser Verständnis langfristig beeinflussen.

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Bild: © Pexels

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